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Оглавление»Meine Herren, Sie haben in den vergangenen Wochen eine anstrengende und lehrreiche Zeit absolviert. Sie haben gelernt, sich wie ein Soldat zu verhalten und wie ein Soldat zu kämpfen. Aus Ihnen wurden stramme, deutsche Männer geformt. Die Ausbildung hat den einen oder anderen nahe an seine physischen aber auch an seine psychischen Grenzen herangeführt und Sie haben ein Gefühl dafür bekommen, wie es da draußen zugeht. Behalten Sie sich dieses Wissen und diese Erfahrungen, denn sie können Ihnen noch von größtem Nutzen sein. Sie haben einen Eid geleistet, dem Sie von nun an verpflichtet sind. Alles Gute und viel Soldatenglück.«
Roland dachte unmittelbar nach dieser Ansprache des Kommandanten an jenen Eid zurück, den er wenige Tage zuvor abgelegt hatte:
»Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.«
Gänsehaut kroch an seinen Armen herauf und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, angesichts dieser Worte. Tausend Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, als er gemeinsam mit den anderen Soldaten seines Zuges an jenem verschneiten Dezembermorgen am Antreteplatz der Kaserne stand. Neben all den Sorgen rund um seine Zukunft überwog in jenem Moment die Vorfreude auf die baldige Heimfahrt. Es wurde den jungen Männern ein Heimaturlaub auf unbestimmte Zeit gewährt. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit kam dieser sehr gelegen.
Ein gewisses Maß an Wehmut schwang trotzdem mit, da sich nun die Wege der jungen Kameraden trennten. Roland hätte zu Beginn seiner Ausbildung niemals gedacht, dass er an jenem Tag seiner Heimreise etwas anderes als pure Freude empfinden würde, doch nun, da sich alle die Hände zum Abschied reichten, stieg ein Gefühl von Traurigkeit in ihm auf. Während der harten und anstrengenden Zeit waren unter den Soldaten viele Freundschaften entstanden. Solch einen Zusammenhalt hatte Roland noch nicht erlebt und er versprach einigen Kameraden, als er ihnen zum Abschied die Hand reichte, ihnen zu schreiben.
Dann war er gekommen, der Zeitpunkt der Abreise. Pünktlich rollte der Zug in Frankfurt ab und Roland blickte noch einmal durch das vereiste Fenster auf die vielen Häuser der Stadt, mit der er nun zahlreiche Erinnerungen verband. Im Abteil, das mit denselben Leuten wie am Anreisetag gefüllt war, breitete sich ungeduldige Vorfreude aus. Nun konnte es keiner mehr erwarten, endlich wieder nach Hause zu kommen. Wälder, Wiesen und Dörfer zogen vorbei und langsam ging auch dieser Tag zur Neige.
In jener Nacht brachte Roland kein Auge zu. Immer wieder malte er sich das Bild seiner Ankunft aus. Am Bahnsteig würde niemand ihn erwarten, da er den genauen Zeitpunkt seiner Ankunft keinem mitgeteilt hatte. Er wollte seine Liebsten überraschen.
Die letzten acht Wochen waren für ihn eine lange und harte Zeit gewesen, in der er sich verändert und weiterentwickelt hatte. Gespannt blickte er aus dem Zugfenster in die schwarze Nacht hinaus, um irgendetwas Vertrautes zu entdecken.
Es war bereits hell, als der Zug dampfend in Linz einrollte. Müde und erledigt und dennoch überglücklich, wieder zuhause zu sein, betraten die sechs Kameraden den Bahnsteig. Nun hieß es, sich von den letzten vier Freunden zu verabschieden. Viel Zeit dazu hatten Roland und Andi nicht, da ihr Anschlusszug bereits wartete und sie diesen unter keinen Umständen verpassen wollten.
Die letzte Fahrt dauerte nur eine gute Stunde, jedoch wollte diese ganz und gar nicht vorübergehen. Roland spürte, wie die Unruhe in ihm immer größer und größer wurde. Andi wirkte nach außen hin gelassen und doch merkte Roland ihm die Erleichterung an.
Draußen begann es in dicken Flocken zu schneien. Hier lag bereits wesentlich mehr Schnee als in Frankfurt. Die Landschaft hatte sich verändert, seitdem die beiden losgezogen waren. Nur noch wenige Kilometer trennten sie von ihrem Heimatort. Nie zuvor war Roland so lange von daheim entfernt gewesen. Viel zu früh packten sie ihre Sachen und machten sich bereit zum Aussteigen.
Die Gegend, welche nun draußen vorbeizog, war Roland vertraut und ein wohliges Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem Ort erfüllte ihn. In diesen Momenten hatte er ganz und gar das Vergangene und die ungewisse Zukunft vergessen.
Der Zug wurde langsamer und rollte schnaubend am Bahnsteig ein. Roland und Andi waren die Einzigen, die ausstiegen. Zu Fuß setzten sie ihre Reise über die bekannten Straßen und Wege fort und weder der dichte Schneefall, noch die Kälte taten ihrer Heiterkeit Abbruch.
»Riechst du das?«, fragte Andi als die beiden an einem großen Misthaufen vorbeimarschierten. »Das ist der Geruch der Heimat.«
Roland lachte laut und herzhaft. Noch ein Hügel, dann war sein Elternhaus bereits zu sehen.
»Möchtest du noch schnell mitkommen, um dich aufzuwärmen?«
»Nein danke, ich will jetzt so schnell wie möglich nach Hause. Wir sehen uns bald, Roland!«
Sie reichten einander die Hand, dann bog Andi nach links ab. Roland steuerte weiter schnurstracks und schnellen Schrittes auf sein Ziel zu. Die letzten Meter lief er durch den tiefen Schnee. Ein Licht brannte in der Stube und die schwarzen Silhouetten vertrauter Personen zeichneten sich auf den zugezogenen Vorhängen ab.
Er hatte die Einfahrt erreicht und betrachtete kurz die nackten Obstbäume im Vorgarten, wie sie kahl dem Winter trotzten. Er beutelte sich den Schnee von den Kleidern und holte tief Luft, dann klopfte er entschlossen an die Tür. Schritte waren zu hören, sie wurden lauter und eine Tür zum Vorraum ging auf. Im Schloss drehte sich klackend ein Schlüssel. Jemand drückte die Klinke nach unten und die Tür öffnete sich. Durch den immer größer werdenden Spalt erkannte Roland seinen Vater. Die Blicke trafen sich. Niemand sprach.
Der Hausherr wirkte zutiefst überrascht. Ihm fehlten die Worte. Einen Moment lang sahen die beiden sich nur an. Roland war überwältigt von der Freude, endlich seinen Vater wieder zu sehen. Er schloss ihn in die Arme und in diesem Moment wurde ihm klar, dass er wieder zuhause war.
Als er in die warme Stube eintrat, schallten ihm sofort die begeisterten Zurufe seiner drei Geschwister entgegen. Alle stürmten sie auf ihn zu und umarmten ihn voller Freude. Auch seine Mutter kam schnellen Schrittes in die Stube gerannt und nahm ihren ältesten Sohn herzlich in die Arme.
Roland hatte keine Sekunde Zeit durchzuatmen, da er von sämtlichen Seiten mit Fragen durchlöchert wurde. Alle wollten sie wissen, was er erlebt hatte und wie es ihm ergangen war. Er war müde und erschöpft von der langen Reise, aber dennoch gab er gerne Auskunft und er genoss es sehr, wieder in seinem vertrauten Umfeld zu sein. Nur noch eines fehlte ihm und das war Lilli. Sie wollte er gleich am nächsten Tag aufsuchen.
Rolands kleinste Schwester, Sophie, ließ an diesem Tag gar nicht mehr von ihrem großen Bruder ab. Mit ihren fünf Jahren war sie das Küken der Familie. Sie sauste den ganzen restlichen Tag wie wild im Haus umher und erzählte Roland, was sie alles erlebt und gelernt hatte, während er fort gewesen war. Auch sein Bruder, für den Roland immer ein Vorbild gewesen war, löcherte ihn mit Fragen, während seine Mutter das Abendessen auftischte.
Mit großem Genuss verschlang der heimgekehrte Sohn das köstliche Abendmahl. Nicht nur die vertrauten Geschmäcker, auch das familiäre Umfeld, das ihn umgab, steigerten seinen Appetit auf ein lange nicht mehr gekanntes Maß. Es dauerte noch sehr lange an diesem Abend, bis er zur Ruhe kam und den langen und ereignisreichen Tag verarbeitet hatte. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief er schließlich ein.