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ОглавлениеDie Tage, in denen Roland zuhause war, vergingen jäh und so kam der Heilige Abend eher als geplant. Dieses Fest lief jedes Jahr nach einem bestimmten Ritual ab, das bereits zur Tradition geworden war. Am Vormittag wurde der Christbaum von der versammelten Familie geschmückt und das Haus geputzt. Das Licht einiger Kerzen erhellte die Stube und die Krippe fand einen besonderen Platz auf der Kommode. Die Kinder naschten von den Keksen, während der Vater auf seiner Gitarre spielte.
Sobald es dunkel wurde, begab sich die Familie an den Tisch. Es wurde musiziert und gesungen und Gedichte wurden vorgetragen. Der Vater las aus dem Weihnachtsevangelium und wie jedes Jahr wurde Nudelsuppe mit Würsten gegessen. Niemand verlor ein Wort über Politik oder den Krieg, es herrschten Frieden und Harmonie innerhalb der mächtigen Mauern des Hofes.
Irgendwann konnte es Rolands elfjähriger Bruder Fritz nicht mehr erwarten seine Geschenke zu erhalten und so versammelte sich die Familie um den liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum. Roland bekam von seiner Mutter einen Pullover, den sie eigens für ihn gestrickt hatte. Sophie überreichte ihm ein selbstgemaltes Bild, auf dem sie die Familie vor dem Haus abgebildet hatte. Roland genoss die mitmenschliche Herzlichkeit des Augenblicks. Leider hatte er in der Eile nichts vorbereitet, das er verschenken konnte.
Eine Stunde vor Mitternacht brach die Familie mit Laternen bestückt zur alljährlichen Christmette auf. Sophie durfte noch nicht mit und wurde zuvor schlafen gelegt.
Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt und Roland erblickte viele vertraute Gesichter unter den Anwesenden. Er grüßte ein paar Freunde durch wohlwollendes Zunicken und nahm neben seinen Eltern Platz. Andächtig lauschte er dem Gesang des Chores und den Worten des Pfarrers, welcher erneut das Weihnachtsevangelium verlautbarte. Den krönenden Abschluss, dem Roland wie jedes Jahr erwartungsvoll entgegeneiferte, bildete das Lied »Stille Nacht, heilige Nacht«.
Reihum erloschen nach und nach die Lichter der Kirche zu den zarten Klängen der ersten Strophe, bis lediglich der Schein dutzender Laternen übrigblieb. Erst zögerlich, dann mit zunehmender Begeisterung, schlossen sich immer mehr Menschen dem Gesang an und spätestens am Beginn der dritten Strophe, als der Organist alle Register gezogen hatte, vereinten sich alle Kehlen und stimmten in die preisende Melodie mit ein.
Nach der Mette versammelte sich die Gemeinde am Dorfplatz. Roland traf in der Menschenansammlung auf Andi, welcher ihm ein frohes Fest wünschte. Während sich die beiden unterhielten, kam auch Lilli auf sie zu. Sie umarmte und küsste Roland und wünschte ihm schöne Weihnachten. Auch Andi drückte sie ans Herz und freute sich, ihn wieder zu sehen. Es war ein Bild wie aus früheren Tagen, als die drei noch Kinder waren und oft gemeinsam Zeit verbracht hatten. Sie plauderten über Vergangenes und lachten bei so mancher Geschichte.
Auf dem Heimweg ließen sich Lilli und Roland ein Stück zurückfallen, da Lilli noch etwas Wichtiges besprechen wollte. Roland hatte bereits geahnt, dass ihr etwas auf dem Herzen lag, da sie seit seiner Rückkehr verändert wirkte.
»Roland, ich weiß nicht so recht, wie ich dir das am besten sagen soll.«
Er wirkte aufgrund dieser Worte plötzlich besorgt und wusste mit dieser Aussage nichts anzufangen. Fragend sah er Lilli an.
»Was ist denn passiert, stimmt etwas nicht?«
»Ich bin schwanger, Roland.«
Wie angewurzelt blieb er plötzlich stehen. Das Herz rutschte ihm in die Hose. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet. Er war sprachlos. Sollte er sich nun freuen oder nicht? Viele Fragen schwirrten in seinem Kopf umher. Er benötigte einen Moment um sich zu besinnen.
»Du bist also schwanger«, wiederholte er ihre Worte, in der Hoffnung, die Botschaft würde ihm dadurch einleuchtender erscheinen.
»Das bedeutet also, ich werde Vater«, murmelte er ungläubig vor sich hin und hielt einen Moment inne.
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
»Ich hatte Angst davor. Ich wusste nicht wie ich es dir beibringen sollte.«
»Ich werde Vater, Lilli! Wir bekommen ein Kind.«
»Ja, das bekommen wir.«
Roland schloss Lilli in seine Arme.
»Wir bekommen ein Kind«, sagte er immer wieder zu sich selbst.
Er bemerkte, wie erleichtert Lilli war, dass er es so positiv aufgenommen hatte. Was blieb ihm auch anderes übrig. Er brauchte erst einmal Zeit, um diese Nachricht zu verarbeiten, mit der er im Moment so gar nicht zurechtkam.
»Ich liebe dich«, flüsterte er ihr leise ins Ohr und merkte, wie sie ihn dabei noch fester umarmte.