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ОглавлениеNicht unsanftes Geschrei, sondern das Krähen eines Hahnes weckte Roland an diesem Morgen, wenige Tage vor Weihnachten, aus seinem tiefen Schlaf. Er sah sich um und begutachtete zufrieden sein vertrautes Zimmer. Entspannt schloss er erneut die Augen, drehte sich auf die andere Seite und schlief sofort wieder ein. Erst kurz vor Mittag wurde er ein weiteres Mal wach. Gerne wäre er noch länger im Bett liegen geblieben, doch er hatte an diesem Tag noch einiges vor.
Zu Fuß legte er die Strecke zu Lillis Haus zurück. Der Schneefall hatte in der Nacht aufgehört und alles rundherum in eine tiefwinterliche Kulisse verwandelt. Strahlender Sonnenschein machte diesen Tag noch schöner, als er für Roland bereits war. Unterwegs traf er auf viele bekannte Gesichter, die ihn grüßten und ihm bereits im Voraus schöne Feiertage wünschten. Er ließ sich aber nie lange aufhalten und setzte seinen Weg zielstrebig fort. Lange hatte er auf diesen Moment gewartet und über die passenden Worte nachgedacht.
Ganz entgegen seines Plans, kam ihm Lilli schon von Weitem entgegengerannt. Mit Freudentränen in den Augen lief sie durch den hohen Schnee auf ihn zu und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Roland eilte ihr entgegen, sein Herz pochte wild und für den Moment fiel sämtliche Last von ihm ab. Sie fiel ihm um den Hals und drückte sich fest an seine Brust.
»Endlich bist du wieder da«, schluchzte sie.
»Ich habe dich so vermisst, Lilli!«
Sie blickte mit großen Augen zu ihm auf und musterte ihn eingehend. Er lächelte sie an und gab ihr zu verstehen, dass nun alles in Ordnung war. Sie umhüllte sein Gesicht mit ihren warmen Händen und stellte sich auf die Zehenspitzen, bis sie fast so groß war wie er. Er bückte sich das restliche Stück zu ihr herab und küsste sie zärtlich. Als würde die Welt für einen Moment stehen bleiben, hatte Roland in diesem Moment den Kopf frei von allen Sorgen und Gedanken, die ihn quälten. Wie bereits seine Familie, verlangte auch Lilli einen ausführlichen Bericht über all das Erlebte der letzten Wochen.
Das Paar ging Hand in Hand durch die verträumte Winterlandschaft spazieren und tauschte Erzählungen der vergangenen Zeit aus. Man konnte fast vergessen, dass in diesen Tagen Krieg herrschte. Doch so befreit und glücklich Lilli auch wirkte, kam sie Roland ein wenig verändert vor. Um die Stimmung nicht zu gefährden, fragte er jedoch nicht weiter nach, sondern genoss die unbeschwerten Stunden dieses Tages mit ihr.
Erst als es schon lange dunkel war, kehrte er nach Hause zurück. Dort liefen bereits die Vorbereitungen für das bevorstehende Weihnachtsfest. Die kleine Sophie und Rolands sechzehnjährige Schwester Anna backten Kekse. Der betörende Duft von Zimt und Haselnüssen war im ganzen Haus zu vernehmen. Rolands Bruder schnitzte mit seinem Vater an der Krippe. Die Mutter saß in einem Sessel und strickte. Es war ein Bild wie jedes Jahr, nur dieses Weihnachten war für Roland etwas ganz Besonderes. Im Fernen dachte er auch mit ungutem Gefühl daran, dass es vielleicht für längere Zeit das letzte Weihnachtsfest zuhause sein könnte, doch diese Befürchtung verwarf er schnell wieder.