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Jahwe oder Jahû/Jahô: Wie hat man den Namen des Gottes Israels ausgesprochen?

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Die traditionelle Rekonstruktion Jahwe, die man in einigen christlichen Bibeln, aber vor allem im wissenschaftlichen Kontext finden kann, wenn vom Gott Israels die Rede ist, stützt sich im Wesentlichen auf das Zeugnis einiger Kirchenväter. Clemens von Alexandria (ca. 150–ca.220) schreibt mit Bezug auf Exodus 3: „Der mystische Name aus vier Buchstaben, den nur diejenigen kannten, die Zugang zum adytum [Heiligtum] hatten, war Iaoué, was man als ‚Der, der ist und sein wird‚ übersetzt.“8 Epiphanius von Salamis (4. Jh.) spricht von Ia und Iabé9. Im 5. Jh. präzisiert Theodoret von Kyrrhos, einer kleinen Stadt bei Antiochia, dass die Samaritaner Gott Iabé nennen und die Juden Aia – letzteres bezieht sich auf das ʾehjeh in Ex 3, 1410; bei Photius, Patriarch von Konstantinopel im 9. Jh., ist ebenfalls die Aussprache „Jabé“ oder „Jawé“ belegt11. Origines von Alexandria (185–253), der in seinem Kommentar zu Psalm 2 das bei den Juden geltende Verbot, den göttlichen Namen auszusprechen, diskutiert, spricht vom „Tetragramm“, wenn er sich auf diesen Namen bezieht, aber manchmal auch von Iaḗ (was einem „Jahwe“ zu entsprechen scheint)12. Aber er weiß auch, dass in den theophoren Eigennamen, die auf -jhw enden, die Aussprache des göttlichen Namens „-aiō“ ist. In seinem Werk Gegen Celsus zitiert er die Form Iaṓ und charakterisiert sie als Aussprache der Gnostiker. Fast alle Belege für die Aussprache des Tetragramms stammen aus christlicher Zeit. Abgesehen von Exodus 3 finden sich die ältesten Belege vielleicht in den babylonischen Umschriften der theophoren Namen der Judäer, die sich seit Ende des 6. Jh. v.u.Z. in Babylon niedergelassen hatten. Hier findet sich entweder ia-a-ḫu-ú was „jahu“ entspricht, oder ia-a-wa, was auf eine Aussprache des göttlichen Namens von der Art „Jahwa“ hindeuten könnte, das durch eine Abschwächung von a zu e „Jahwe“ werden kann.13

Auch wenn es einige Belege gibt, die eine Aussprache des Tetragramms in der Art „Jahwe“ nahelegen, sind die Kurzformen „Jahû“ oder „Jahô“ weitaus häufiger bezeugt. Die Israeliten und Judäer, die sich seit dem Ende des 7. oder dem Beginn des 6. Jh. v.u.Z. auf der Insel Elephantine niedergelassen hatten, nennen ihren Gott Jhw bzw. in einigen Ostraka auch Jhh was wohl auf eine Vokalisation „Jahô“ schließen lässt14. Ein in Qumran gefundener Text (4QpapLXXLevb), der ein griechisches Fragment des Buches Levitikus enthält, gibt das Tetragramm mit Iaṓ wieder: „Wenn jemand ein einziges Gebot des Iaṓ verletzt und es nicht tut …“ (4,27). Im Griechischen hat Iaṓ zwei Silben und wird ia-o ausgesprochen was dem hebräischen oder aramäischen Ja-hô entspricht.

All dies zeigt, dass zu der Zeit, als man den Pentateuch ins Griechische übersetzte, diese Aussprache bekannt und verbreitet war. Man kann dazu auch Diodor von Sizilien (1. Jh.) zitieren, der in seiner Bibliothek (I, 94, 2) schreibt: „Man erzählt, dass […] bei den Juden Mose gesagt hat, er habe die Gesetze von einem Gott namens Iaṓ15 bekommen.“ Außerdem findet man die Aussprache Jaō häufig in sogenannten magischen Papyri, Dokumenten, die einen Synkretismus zwischen den griechischen, ägyptischen, jüdischen u.a. Religionen widerspiegeln, sowie in der christlichen Gnosis16.

Die Untersuchung kommt also zu dem Schluss, dass die alte, ursprüngliche Aussprache des Namens des Gottes Israels „Jahô“ war, das heißt, das Tetragramm war ursprünglich also ein Trigramm17. Das bedeutet auch, dass das w in Jhw keinen konsonantischen Wert hat, sondern als mater lectionis gelesen werden muss, die den Laut „o“ anzeigt. Der Endbuchstabe h des Tetragramms Jhwh wäre dann als Längenzeichen für das vorausgehende o zu interpretieren.

Wir werden auf die Frage nach den Belegen für den Namen Jhwh außerhalb der Bibel noch zurückkommen. An dieser Stelle soll nur schon einmal festgehalten werden, dass die ältesten (aus Ägypten stammenden) Texte, die vielleicht einen Gott Jahô erwähnen, die Kurzform (das Äquivalent von Jhw) belegen.

Der bis heute älteste Beleg für die Langform findet sich seinerseits auf der Mescha-Stele, einer schwarzen Basaltstele, die 1868 entdeckt wurde und heute im Louvre aufbewahrt wird. Sie trägt eine moabitische Inschrift aus dem 9. Jh. v.u.Z. und berichtet vom Sieg Meschas, des Königs von Moab, und seines Gottes Kamosch über Omri, den König von Israel und seinen Gott Jhwh.

In Kuntillet Adschrud wurden Inschriften entdeckt, die aus der 1. Hälfte des 8. Jh. v.u.Z. stammen und sowohl die Kurzform Jhw als auch die lange Form Jhwh belegen; ab dem 7. Jh. v.u.Z. finden sich dann zahlreiche Belege für das Tetragramm in Inschriften außerhalb der Bibel18.

Offensichtlich existierten beide Varianten des Namens nebeneinander, und die Kurzform wurde weitgehend in den theophoren Eigennamen genutzt. Übrigens zeigen auch die theophoren Eigennamen in Inschriften außerhalb der Bibel zwei Varianten, die wahrscheinlich jeweils auf einen unterschiedlichen geographischen Kontext verweisen. Namen mit der Endung -jw (als „Jau“ in den neuassyrischen Dokumenten transkribiert) stammen mehrheitlich aus dem Norden, die Endung -jh („Jah“ oder „Jahû“/„Jahô“) eher aus dem Süden19. Wurde der göttliche Name im Norden und im Süden unterschiedlich ausgesprochen? Das ist nicht unmöglich, aber wir besitzen noch nicht genügend Informationen, um diese Frage zu entscheiden.

Dagegen scheint es ziemlich eindeutig zu sein, dass die ursprüngliche Aussprache von Jhwh „Jahô“ oder „Jahû“ gewesen ist. Doch woher kommt die Aussprache „Jahwe“, die vor allem bei den Kirchenvätern belegt ist?

Ist diese bloß eine gelehrte Spekulation, ausgehend von der göttlichen Selbstvorstellung in Exodus 3,14 („ʾehjeh ʾašer ʾehjeh“)? Oder handelt es sich – wie der jüdische Gelehrte Theodotion (1. oder 2. Jh.) sagt – um die Aussprache, die bei den Samaritanern üblich war? Oder muss man sich eine allgemeinere Entwicklung von Jahô zu Jahwe vorstellen? Diese Entwicklung kann man mithilfe einer theologischen Hypothese erklären, die auch unterschwellig in der Erzählung von Exodus 3 erkennbar ist, nämlich mit der Erklärung der Bedeutung des Namens Jhwh durch die hebräische Wurzel h-j-h „sein“. Die Aussprache „Jahwe“ entspricht in der Tat der Vokalisierung einer Kausativ-Form dieses Verbs in der 3. Person Singular Maskulinum. Jahwe wäre dann also „der, der sein lässt“, der, der erschafft … Genau diese Spekulation hat zu dieser Aussprache führen können, die wahrscheinlich viel jünger ist als „Jahô“ oder „Jahû“.

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