Читать книгу Handbuch Medizinrecht - Thomas Vollmöller - Страница 189

b) Grenzen der Berufsausübung

Оглавление

297

Die Grenzen zu der dem Apotheker nicht erlaubten Ausübung der Heilkunde sind z.T. umstritten, wenn man das Beispiel der als „Service“ angebotenen Messung von Körperzuständen betrachtet (Blutdruck, Blutzucker, Venen- und Knochendichtemessungen).[439] In Zeiten wachsenden Wettbewerbsdrucks suchen viele Gesundheitsberufe nach neuen Betätigungsfeldern bzw. Einnahmequellen. Bei den Ärzten sind es z.B. die IGeL-Leistungen, bei Apotheken u.a. das Angebot, Cholesterin und sonstige Blutwerte bestimmen zu lassen. Vermehrt werden in Apotheken aber auch Osteoporose-Messungen angeboten. Die Problematik bei derartigen Fällen liegt stets darin, ob mit diesen Messungen bereits Heilkunde ausgeübt wird. Denn es ist klar, dass derartige Messungen nicht zum „Kerngeschäft“ des Apothekers gehören. Die Ausübung der Heilkunde ist ihm untersagt, es sei denn, er würde über eine Heilpraktikererlaubnis verfügen, § 12 S. 1 BO NRW.

298

Die Rechtsprechung war hier viele Jahre sehr uneinheitlich. Mit einer Entscheidung vom 17.7.2000 hat das BVerfG[440] jedoch eine deutliche Liberalisierung bewirkt. Es ging darum, ob Augenoptiker – ohne Heilpraktiker zu sein – Augeninnendruckmessungen, Gesichtsfeldprüfungen u.ä. Dienstleistungen anbieten dürfen. Der BGH hielt dies grundsätzlich nicht für zulässig. Das BVerfG hob das Urteil des BGH jedoch mit der Begründung auf, dass die Wahrscheinlichkeit einer Aufdeckung von vorhandenen oder drohenden Augenerkrankungen nach Durchführung von Augeninnendruckmessungen und Gesichtsfeldprüfungen durch Augenoptiker – also der Nutzen – größer sei als die Gefahr, dass ein in Wahrheit erkrankter Kunde im Anschluss an eine bei ihm ohne Befund gebliebene Optiker-Untersuchung von einem – an sich geplanten – Besuch beim Augenarzt absehe.

299

Bezogen auf die Osteoporose-Messung gibt es eine ähnlich liberale Entscheidung des OLG Düsseldorf[441] vom 19.2.2002, das ebenfalls derartige Messverfahren durch Apotheker billigte, sofern sich der Apotheker auf die reine Messung beschränke. Das OLG ließ auch die Werbung der Apotheke „Osteoporose-Früherkennung“ gerade „noch mal durchgehen“, weil sie gleich im Anschluss durch die Ankündigung „Wir messen Ihre Knochen“ auf den reinen Messvorgang ohne heilkundliche Weiterung reduziert worden sei.

300

Dass man das auch anders sehen kann, zeigt eine Entscheidung des Bayerischen Landesberufsgerichts für die Heilberufe vom 15.4.2002. In diesem Fall hatte eine Apothekerin mit ganzseitigen Anzeigen für ihre Apotheke geworben, in denen sie Blutdruck- und Blutzuckermessungen, Messungen des Gesamtcholesterins u.Ä. mehr anbot. Dies allein wurde ihr jedoch noch nicht zum Verhängnis. Negativ werteten die Richter folgenden Satz: „Diese Tests sind nicht als Ersatz für einen Besuch beim Arzt zu sehen, sondern sollen vielmehr helfen, evtl. im verborgenen schlummernde Erkrankungen aufzudecken und auf einen evtl. Arztbesuch vorzugreifen.“ Die Apothekerin hatte diesen Satz wohl zur eigenen Absicherung verwendet, bewirkte jedoch genau das Gegenteil. Das Bayerische Landesberufsgericht für die Heilberufe stellte fest, dass damit der Eindruck erweckt werde, die Tätigkeit der beschuldigten Apothekerin verbleibe nicht im bloßen Messen von Körperfunktionen oder dem Analysieren von Körperflüssigkeit, sondern münde schließlich auch in die Wertung entsprechender Befunde als pathologisch oder nicht pathologisch. Damit hätte sie aber die Grenze zur Ausübung der Heilkunde eindeutig überschritten. Im Ergebnis wird es also immer auf die Besonderheiten der jeweiligen Werbeaktion ankommen. In manchen Landesberufsordnungen[442] der Apotheker ist z.B. das kostenlose Anbieten von Messungen untersagt. Werden in Zusammenhang mit der Messaktion „hilfreiche Medikamente“ vorgestellt, kann darin eine unzulässige Werbung für die Selbstmedikation[443] liegen (§ 11 Abs. 1 Nr. 10 HWG).

Handbuch Medizinrecht

Подняться наверх