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a) Grundsätze für die vertragsärztliche Versorgung

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Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung stehen unter einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V.[40] Sie können nur nach Anerkennung durch den gemeinsamen Bundesausschuss nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V und Aufnahme in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) nach § 87 SGB V zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden, sodass die Versicherten keinen Anspruch darauf haben.[41] Dies gilt grundsätzlich, sofern nicht die Situation des vorgenannten § 2 Abs. 1a SGB V sowie ein Seltenheitsfall vorliegt, d.h. ein Fall, der sich einer systematischen Erforschung entzieht.[42] Ferner gilt eine Ausnahme für das sogenannte Systemversagen, d.h. dann, wenn der G-BA dem in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen.[43]

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Hierfür muss der Bewertungsausschuss passende Abrechnungsziffer kreieren, falls es diese noch nicht gibt. Der Bewertungsausschuss bestimmt somit die Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Vergütung und ist an die Beschlüsse des G-BA gebunden, die er in festgelegten Fristen umsetzen muss, § 87 Abs. 5b SGB V. Besonders relevant ist dies für Arzneimittel-Medizinprodukte Kombinationen, sog. Companion Diagnostics. Nach S. 5 muss zeitgleich mit dem Nutzenbewertungsbeschluss der EBM angepasst werden, soweit das betreffende Arzneimittel nach der Fachinformation nur in Begleitung mit einem Pflichttest angewendet werden darf, für den es aber noch keine passende Abrechnungsziffer gibt. Dadurch wird verhindert, dass das verfügbare neue Arzneimittel nicht eingesetzt wird, weil der dazugehörige Test (noch) nicht erstattungsfähig ist.

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Wird der Methodencharakter einer neuen Leistung verneint, ist kein Beschluss des G-BA erforderlich. Auch in diesem Fall hat der BA eine Abrechnungsziffer, sofern nicht vorhanden, zu erzeugen. Grundsätzlich ist der BA nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V nur verpflichtet, die Bewertungsmaßstäbe „in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen“. Er ist hierbei an keine bestimmten Fristen gebunden.

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Die Abrechnungsziffer bildet die diagnostische Leistung ab, die der Arzt bei Anwendung eines neuen Produkts erbringt, ohne dass er dabei an den Einsatz eines bestimmten Produkts eines bestimmten Herstellers gebunden wäre. Der EBM beinhaltet demnach keine Liste sozialrechtliche geprüfter und erstattungsfähiger Untersuchung- und Bewertungsmethoden, sondern bezieht sich lediglich auf die damit verbundene ärztliche Leistung. Diese muss dem sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechend; nur insoweit ist der Arzt bei der Auswahl des Produkts gebunden. Er muss sich selbst darüber informieren, welches Produkt diese Voraussetzungen erfüllt, da ihm keine Vorauswahl des G-BA in der Art eines Hilfsmittelverzeichnisses zur Verfügung steht.

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Praxishinweis

Für Hersteller ist es problematisch, dass sie den Methodencharakter ihrer Innovation vorher oftmals schwer abschätzen können und die Rechtsprechung nur für Einzelfallentscheidungen Klarheit schafft. Abhilfe kann insoweit die neue Verfahrensordnung des Bewertungsausschusses schaffen, § 87 Abs. 3e S. 1 Nr. 1 SGB V. Diese ist nunmehr unter https://institut-ba.de abrufbar.

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Durch das GKV-VStrG wurde mit § 137e eine Regelung über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden während einer Erprobungsphase bei entsprechender Beschlussfassung des G-BA (vorläufig) in das Leistungssystem der GKV aufgenommen. Das Ziel der Erprobung ist die Generierung der noch fehlenden Erkenntnisse, die für die Bewertung des Nutzens erforderlich sind. Die neue Methode wird in diesem Fall zeitlich befristet zu Lasten der GKV nach § 137e Abs. 1 S. 2 SGB V erbracht.[44] Antragsberechtigt sind Medizinproduktehersteller, auf dessen Einsatz die technische Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode maßgeblich beruht bzw. Unternehmen, die als Anbieter der zu erprobenden Methode ein wirtschaftliches Interesse an einer Erbringung zulasten der Krankenkassen haben. Allerdings wurde das Verfahren bisher nur unzureichend beansprucht, weil Unternehmen die Kosten der Studien für zu hoch, oder die Gewinnaussichten für zu gering bewerteten.[45] Zudem bestand kein wirksamer rechtlicher Schutz vor Trittbrettfahrern, da Konkurrenzunternehmen von einem positiven Beschluss profitieren konnten ohne sich an den Kosten beteiligen zu müssen.[46]

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Mit dem TSVG hat insbesondere die Organisation und Finanzierung der Erprobung Änderungen erfahren.[47]So erhalten die Antragsberechtigten Unternehmen ein zeitlich befristetes Wahlrecht, die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Erprobung statt durch den G-BA unmittelbar selbst und auf eigene Kosten durch ein unabhängiges Institut zu beauftragen. Die Kostentragung regelt der neue Abs. 6. Hierbei gilt das „Besteller-Prinzip“, d.h. die beauftragte Institution bezahlt die Kosten der Begleitung und Auswertung der Erprobung. Es finden dabei keine Differenzierungen nach der Größe des Unternehmens oder nach der ambulanten oder stationären Erbringung der Methode sowie keinerlei gegenseitige Kostenerstattungen statt.

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Praxishinweis

Der G-BA ist nach § 137e Abs. 8 SGB V verpflichtet, Hersteller und Unternehmen zu den Voraussetzungen der Erbringung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zulasten der Krankenkassen, zu dem Verfahren der Erprobung sowie zu der Möglichkeit, eine unabhängige wissenschaftliche Institution auf eigene Kosten mit der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung zu beauftragen, zu beraten. Die Beratung ist kostenpflichtig und die Gebührenhöhe richtet sich nach der jeweiligen Kategorie (I–IV). Infomaterialien sind auf der Internetseite des G-BA unter der Rubrik „Beratung nach § 137a Abs. 8 SGB V“ abrufbar, s. www.g-ba.de.[48]

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Bereits erbrachte herkömmlich angewandte, aber nicht ausdrücklich positiv anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden stehen nach § 135 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB V unter dem Vorbehalt einer Überprüfung durch den gemeinsamen Bundesausschuss. Insoweit liegt eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt vor.

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