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3. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit

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Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des SGB trägt das gesamte soziale Versicherungssystem. Die wiederholte Aufnahme des Grundsatzes in § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGB V und die besondere Normierung in § 12 SGB V unterstreichen die Bedeutung dieses Gebotes. In § 12 Abs. 1 SGB V ist geregelt:

Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, sie dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

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Das Wirtschaftlichkeitsgebot prägt gleichermaßen das Leistungs- und Leistungserbringungsrecht (bzw. in § 72 Abs. 2 SGB V für die vertragsärztliche Versorgung oder § 109 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB V für Versorgungsverträge mit Krankenhäusern). Auf die Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V sei verwiesen. Da das Gebot sich nicht nur an die Krankenkassen und die Leistungserbringer richtet, sondern nach § 2 Abs. 4 SGB V auch den Versicherten selbst auf die Inanspruchnahme von Leistungen nur im notwendigen Umfang beschränkt, stehen Leistungsansprüche des Versicherten unmittelbar unter der Einschränkung, nur beansprucht werden zu können, wenn sie zur Erreichung des Behandlungserfolges auch wirtschaftlich sind. Der Versicherte ist auf notwendige, zweckmäßige und ausreichende Alternativen ggf. zu verweisen.[68]

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Als Oberbegriff umfasst das Gebot der Wirtschaftlichkeit das Gesamtgeschehen der medizinischen Leistungserbringung.[69] Es ist dementsprechend nicht ohne die Beurteilung der Frage zu fassen, ob Leistungen generell und im Einzelfall notwendig, zweckmäßig und ausreichend sind. Ohne Rückgriff auf den Stand der medizinischen Erkenntnisse und den medizinischen Fortschritt und ohne Aussage zur Wirksamkeit und Qualität der Leistungserbringung kann keine substanzielle Feststellung zur Wirtschaftlichkeit der geforderten medizinischen Leistung getroffen werden. Wenn medizinische Leistungen aber nur wirtschaftlich sind, wenn das angestrebte (zulässige und rechtmäßige) Ziel mit dem Einsatz möglichst geringer Dienst- und Sachmittel erreicht werden kann, so wird deutlich, dass keine rein wirtschaftliche Betrachtung erfolgen kann. Es hat eine Entscheidungsfindung innerhalb einer Mittel-Zweck-Relation unter Anwendung der oben entwickelten Entscheidungskriterien zu erfolgen. Dabei ist eine Auswahl zwischen vorhandenen Alternativen unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten vorzunehmen. Es erfolgt keine schlichte betriebswirtschaftliche Betrachtung.[70]

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Der Begriff der Wirtschaftlichkeit ist im Vorausgehenden eher einzelbehandlungsbezogen definiert worden. Feststellungen zur Wirtschaftlichkeit sind dabei auf das Behandlungsziel unter Beachtung des Rahmenrechts und der Leitlinien zu beziehen. Auf in diesem Sinne wirtschaftliche Leistungen hat der Krankenversicherte dann Anspruch, aber nur auf diese. Der Leistungserbringer schuldet diese Leistungen aufgrund eigener berufs-, straf- sowie zivilrechtlicher Pflichten und Haftung. Der Strukturkonflikt zwischen Rationalisierung durch das Leistungserbringungsrecht durch Wirtschaftlichkeitsprüfungen mit dem individuellen Behandlungsanspruch des gesetzlich Krankenversicherten kann an dieser Stelle nicht vertieft werden.[71] Auf die besonderen Kapitel dieses Handbuchs wird verwiesen.

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Leistungsbegrenzung findet regelmäßig unter dem Begriff der Rationalisierung statt. Rationierung von Leistungen gibt es offiziell nicht. Rationierung wäre nämlich erst festzustellen, wenn sie sich konkret im individuellen Leistungsanspruch des Versicherten niederschlägt.[72]

Handbuch Medizinrecht

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