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Kapitel 6

Sonntag, 13. Mai

Der Tatort im Misburger Wald war weiträumig mit rot-weißen Bändern abgesperrt.

Kriminaloberkommissarin Andrea Renner war für diesen Sonntag zusammen mit einem Kollegen vom Kommissariat 3, zuständig für Sexualdelikte, zur sogenannten „Mordbereitschaft“ eingeteilt. Mit Raffael Störtebecker hatte sie die Tage zuvor abgesprochen, dass sie ihn – zwecks Einarbeitung – hinzurief, falls es zu einem Einsatz kommen sollte.

Es war kurz nach sechzehn Uhr. Andrea und Raffael standen auf einem Waldweg am Absperrband, wo sie von Max Quast, einem Kollegen vom Kriminaldauerdienst im weißen Ganzkörperoverall, mit den wichtigsten bereits bekannten Informationen vertraut gemacht wurden. Hinter dem Absperrband beschäftigten sich zahlreiche weitere Kolleginnen und Kollegen in Overalls mit der Spurensicherung. Dr. Ulrich Lindhoff, der Rechtsmediziner von der Medizinischen Hochschule Hannover, hatte ebenfalls schon seine Arbeit am Tatort aufgenommen.

„Zwei Männer, die hier im Wald mit dem Fahrrad unterwegs waren, haben die Leiche gefunden und sofort die Polizei angerufen“, erklärte Max und zeigte Andrea und Raffael gleichzeitig ein Foto auf seinem Smartphone, welches er von der Toten gemacht hatte. „Wir haben bei der Frau ihren Personalausweis gefunden. Sie heißt Doktor Nadine Odem, ist fünfundvierzig und wohnt in Hannover-Kirchrode. Sie liegt dort hinter den Bäumen an einer Stelle, die vom Waldweg nicht eingesehen werden kann.“

„Was hat denn die beiden Männer zu diesem abgelegenen Fundort geführt?“, fragte Andrea erstaunt.

„Die beiden sind Geocacher, falls ihr wisst, was das ist …?“

„Nicht genau.“ Andrea runzelte die Stirn.

Aber Raffael konnte damit etwas anfangen: „Das ist eine Art GPS-Schnitzeljagd. Ein Kollege aus Hamburg hat sich damit beschäftigt.“ Mit einigen Sätzen erläuterte er Andrea, worum es beim Geocaching grundsätzlich ging.

„Die beiden Männer wollten genau an dem Punkt, wo jetzt die tote Frau liegt, nach einem versteckten Geocache suchen.“ Max führte aus, dass die Geocacher als Erstes das einzelne Fahrrad, welches an einem Baum lehnte, bemerkt hätten. Dann wären sie über einen kleinen Trampelpfad zum mutmaßlichen Versteck des Geocaches gegangen.

„Ich vermute mal, dass die Geocacher so einige Spuren zertrampelt haben …?“, äußerte Raffael.

„Ja.“ Max zog die Mundwinkel nach unten. „Und in ihrer Aufregung noch mehr, als eh unvermeidbar gewesen wäre.“

Der Tatort mit seinen Büschen und Bäumen war ein schwer überschaubares Areal, welches für die Spurensicherung eine überdurchschnittliche Herausforderung bedeutete, der sich der Kriminaldauerdienst in routinierter Kleinarbeit stellte.

Dr. Ulrich Lindhoff gesellte sich zu ihnen.

„Der Frau wurden mit einem scharfen Gegenstand die Halsgefäße durchtrennt“, begann er. „Welche Organe durch den Schnitt beschädigt worden sind, kann ich euch im Detail nach der Obduktion sagen. Auf jeden Fall ist der Schnitt für den Tod des Opfers verantwortlich.“

„Ist die Frau an der Stelle getötet worden, wo sie gefunden wurde?“, wollte Andrea wissen.

„Davon ist auszugehen.“

„Kannst du schon etwas zum ungefähren Todeszeitpunkt sagen, Ulrich?“

„Die beginnende Totenstarre verweist darauf, dass der Tod vermutlich vor zwei, drei Stunden eingetreten ist. Weitere Auskünfte gibt uns die Smartwatch, die die Frau am rechten Handgelenk trägt.“

Das war das Stichwort für Max Quast: „Die digitale Armbanduhr hat kontinuierlich ihre Herzfrequenz gemessen und die Daten per Bluetooth auf ihr iPhone übertragen. Ich hab bereits das iPhone mit dem Daumenabdruck der Toten entsperrt und einen Blick auf die Daten geworfen. Demnach hat ihr Herz gegen 12:45 Uhr aufgehört zu schlagen.“

„Das ist doch schon einmal was“, meinte Andrea Renner anerkennend und wandte sich wieder an den Rechtsmediziner: „Hast du Abwehrverletzungen gesehen?“

„Nein. Kein Anhalt dafür, dass sie sich gewehrt hat.“

„Und Anzeichen, dass sie vergewaltigt worden ist?“

„Bisher kein Hinweis darauf.“

Max mischte sich erneut ein: „Das Opfer hatte außer dem iPhone ein Portemonnaie mit Geldscheinen bei sich. … Also kein Raubmord.“

„Auf dem Foto von der Toten habe ich einen Rucksack gesehen …“, fiel Andrea ein.

„Die Sachen im Rucksack scheinen Geocaching-Utensilien zu sein“, entgegnete Max. „In ihrem iPhone war eine Karte fürs Geocaching, die den Misburger Wald zeigt, geöffnet.“

Max schloss daraus, dass Nadine Odem vor ihrer Tötung hier selbst nach Geocaches gesucht hatte.

„Spuren vom Täter?“, meldete sich Raffael zu Wort.

Max schüttelte den Kopf: „Bisher nicht. Der Ort wird offenbar häufig von Geocachern betreten. Viele kommen vermutlich mit dem Fahrrad hierher, wie das Opfer. Den beiden Männern, die die Tote entdeckt haben, ist ansonsten nichts Verdächtiges aufgefallen. Aber ihr könnt ja gleich noch selbst mit ihnen sprechen.“

„Wir werden später überprüfen lassen, wessen Handy sich im Tatzeitfenster hier in der nächsten Funkzelle eingeloggt hat“, ging Andrea spontan durch den Kopf. „Und wenn auch der Täter nicht mit einem eingeschalteten Handy unterwegs war, so finden wir vielleicht einen Zeugen, der uns einen hilfreichen Hinweis geben kann.“

„Da muss ich dich enttäuschen“, antwortete Max. „Hörst du, was ich höre? … Wir befinden uns in unmittelbarer Nähe der Autobahn. Die Funkzelle, die dieses Waldstück abdeckt, ist auf jeden Fall auch für die A37 zuständig. Die Datenmenge lässt sich kaum bearbeiten. Es wird die Aktivität jeglicher SIM-Karten erfasst. Allein in den heutigen modernen Autos sind das mitunter zehn und mehr SIM-Karten, die ständig Daten senden und empfangen.“

„Schade eigentlich …“, murmelte Andrea.

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