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2.3.4 Psychopharmaka

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Hinsichtlich der Wirkung von antipsychotischer Medikation können hier nur einige Hinweise gegeben werden (vgl. z. B. Schwarz et al. 2006, S. 283ff.; Martini 2019; Aderhold 2014). Mit Küchenhoff (2016) kann die Medikamentengabe als »kommunikativer Akt« betrachtet werden (a. a. O., S. 14). Auch wenn insbesondere in der Vergangenheit der Eindruck einer »pharmakotrope[n] psychoanalytische[n] Scham« erweckt worden ist (a. a. O., S. 15) kann heute in fruchtbarer Weise auf die Verschränkung von therapeutischer Beziehung und Psychopharmaka geblickt werden. Das bedeutet die Auseinandersetzung mit der Verschreibung, Einnahme und Wirkung eines Medikaments im Hinblick auf die Beziehung.

Zunächst einmal ist dabei zu unterscheiden, ob es die Behandlerin ist, die ein Medikament verschreibt, oder eine an der psychotherapeutischen Behandlung beteiligte Psychiaterin (vgl. a. Münch 2016; zur Gefahr der Spaltung z. B. Hartwich & Grube 2015, S. 214). Zwischen (ärztlicher) Behandlerin und Patientin wird das Medikament zu etwas Drittem und es taucht ein »Diskurswechsel« (Küchenhoff 2016) auf: Die Entscheidung über eine Medikamentengabe wird nicht aus der Perspektive der Gegenübertragung heraus gegeben, auch wenn diese nicht unreflektiert bleiben darf. Eine Psychopharmakaverschreibung wirkt in jedem Fall »beziehungsdynamisch« und damit über die psychopharmakologische Wirkung hinaus. Küchenhoff (2016) plädiert daher für eine integrative (statt einer additiven) Betrachtung des psychotherapeutischen und pharmakotherapeutischen Prozesses unter Beachtung von »pharmakotropen« Übertragungen und Gegenübertragungen (vgl. a. Hartwich & Grube 2015).

Eine integrative Perspektive bezieht zwei Richtungen ein: Zum einen ist eine »respektvolle, die Persönlichkeit der Patientin würdigende Beziehungsarbeit […] die Voraussetzung dafür, dass die Medikation als Zunahme an Selbstwirksamkeit erlebt wird« (Küchenhoff 2016, S. 20), sie fördert die Medikamentencompliance und verändert den Blick auf den Nutzen der Medikamentenwirkung. Zum anderen schafft die Wirkung des Medikaments wichtige Voraussetzungen für die psychotherapeutische Beziehungsarbeit im Hinblick auf einen Reizschutz und Angstlinderung (a. a. O., S. 21). McCabe et al. (2012) zeigen den Einfluss der therapeutischen Beziehung auf die Adhärenz bezüglich der Gabe von Psychopharmaka.

Neben der Bedeutung und den Fantasien gegenüber der Gabe von Psychopharmaka geht es auch psychoanalytisch um eine Betrachtung von deren Wirkung. Küchenhoff (2016, S. 24ff.) stellt in einem kurzen Abriss dar, wie von psychoanalytischer Seite die Frage diskutiert wurde, ob Psychopharmaka auf Triebenergie und/oder Ich-Stärke wirkten, ob und wie sie die Abwehrfähigkeit beeinflussen sowie ob und in welcher Weise sie sich »auf die basale, psychophysisch fundierte Erfahrung von fusionären zwischenmenschlichen Erfahrungen« beziehen (a. a. O., S. 25). Solche Betrachtungen sind nur im integrativen Modell sinnvoll: Ein Neuroleptikum wirkt nicht auf den Trieb, die Abwehr oder die Objekte; zum einen deshalb nicht, weil es sich bei diesen um Konzepte handelt, zum anderen muss einem Kategorienfehler entgangen werden. Neuroleptika wirken auf Hirnprozesse. Diese stehen mit Erlebnisvorgängen in einem bedeutsamen Zusammenhang, so dass auch gesagt werden kann, dass jene diese verändern – allerdings kann das dann nur in einer integrativen Betrachtung thematisiert werden. Die Wirkung eines Neuroleptikums hilft, Erregungszustände zu regulieren, so dass in der Folge in der Tat »Abwehr« zurücktreten kann oder Beziehungen leichter hinsichtlich Nähe und Distanz ertragen werden können.

Küchenhoff benennt daher drei Ebenen, in denen eine »psychodynamische Psychopharmakologie« von Nutzen sein kann (a. a. O., S. 26ff.):

• Psychoanalyse kann dabei helfen, bestimmte Ebenen der Medikamentenwirkung (oder deren Ausbleiben) zu erfassen und zu verstehen (Compliance, Veränderung des Erlebens unter Psychopharmaka).

• Psychoanalytische Diagnostik im Besonderen kann dabei helfen, die Wirkung von Psychopharmaka auf verschiedene Bereiche (Konflikt, Struktur, Beziehungserleben) zu erfassen und somit auch die psychopharmakologische Indikationsstellung bereichern.

• Die strukturdynamische und pragmatische Betrachtung ermöglicht eine Betrachtung dessen, wie eine Veränderung jenseits der Linderung von Symptomen möglich wird.

Psychoanalytische Konzepte in der Psychosenbehandlung

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