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Maxim Pietrov
Оглавление03.09.2018 – Mittag
Morrison Memorial, Aula
Die Aula wurde zu gegebenem Anlass dezent dekoriert. Weißer Stoff war in mehreren Bögen an den vier Wänden befestigt und gab dem Saal ein freundliches und offenes Erscheinungsbild. Dadurch wirkte er trotz der Anwesenheit der Schüler nicht überfüllt oder erdrückend. Über dem Podest hingen silberne Lettern, die die Lernenden willkommen hießen. Sowohl wiederkehrende als auch neue, wie Max vermutete, nachdem er sich einmal ausgiebig unter seinen Mitschülern umgesehen hatte.
Er war einer von wenigen, die sich ganz nach vorne gewagt hatten, da er gespannt darauf war, was der Direktor ihnen in seiner Rede mitteilen wollte. Diese Aufregung schienen allerdings nicht viele zu teilen, da sich die meisten im hinteren Teil aufhielten und den Eindruck machten, als wollten sie am liebsten durch die offene Tür wieder verschwinden.
Während er sich die Masse flüchtig ansah, stellte Maxim erneut fest, dass er sich tatsächlich in einem Eliteinternat befinden musste. Die Anzahl der Schüler war nicht zu vergleichen mit der seiner alten Schule. In diesem Jahr waren knapp fünfzig Schüler anwesend, aufgeteilt in drei Klassen, die jeweils einem Jahrgang zugeordnet waren. Durch die geringe Menge schätzte Max sich umso glücklicher, ein Teil dieser besonderen Lehranstalt zu sein und die Ehre zu erhalten, eines der begrenzten Stipendien ergattert zu haben. Das hier war eine komplett andere Welt für den bodenständigen Jungen, weswegen er vermutete, dass es noch einige Tage dauern würde, bis er endgültig begriffen hat, dass dies nun seine Realität war. Ohne Maxims Zutun legte sich ein breites Lächeln auf seine Lippen. Das würden sicherlich großartige drei Jahre werden.
Fragend drehte er seinen Kopf zur Seite, als er eine Berührung an seinem Arm spürte und zu seiner neuen Bekanntschaft sah. Lilly hatte einen Arm zum Podest ausgestreckt und flüsterte ihm zu: „Es geht los.“
Sofort wanderten auch Max’ graue Augen zur erhöhten Plattform, auf der sich der Reihe nach einige Personen aufstellten und sich den Schülern teils zuversichtlich, teils grimmig zuwandten.
„Das sind die Lehrer“, teilte Lewis ihnen mit, der zu Maxims anderen Seite stand.
Der Blondschopf hatte sich seinen Mitbewohner gleich am Morgen geschnappt, um eine erfahrenere Person an seiner Seite zu haben, die das Internat bereits kannte. Lilly musste ähnlich orientierungslos sein, wie sich gestern herausgestellt hat, da beide sich öfter verlaufen haben. Glücklicherweise war das Gelände – mit Ausnahme des Gartens vielleicht – kein Labyrinth, sodass sie zumindest nicht verloren gegangen wären.
Neugierig betrachtete Max jeden einzelnen Lehrer und stellte fest, dass jede Altersklasse vertreten war. Zumindest die zwei Jüngsten in der Reihe stachen ein wenig neben ihren Kollegen heraus. Max vermutete, dass es sich dabei um Referendare handeln musste, wie die, die es auch an seiner alten Schule gelegentlich gegeben hat.
Der Schulleiter, den Maxim kurz nach seiner gestrigen Ankunft bereits kennenlernen durfte, betrat ebenfalls die Bühne und stellte sich vor ein Mikrofon, in das er demonstrativ räusperte. Es dauerte noch einen Moment, bis endgültig Ruhe eingekehrt war und es ihm gelang, die volle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ein sympathisches Lächeln zeichnete seine Züge, als er zu sprechen begann.
„Ich heiße jeden einzelnen Schüler hier herzlich willkommen. Es freut mich, einige bekannte Gesichter wieder sehen zu dürfen.“ Dabei ließ er seinen Blick durch die Menge wandern. „Aber natürlich freue ich mich ebenso über die neuen Schüler, die sich dazu entschieden haben, ihre Schullaufbahn an der Morrison Memorial School fortzuführen. Für all jene, die mich noch nicht kennen oder meinen Namen über die Ferien bereits verdrängt haben“, ein Schmunzeln brachte eine kurze Pause, „mein Name ist Albert Barnheim und ich leite dieses Internat. Solltet ihr Fragen oder Probleme haben, könnt ihr euch zu jeder Zeit an mich wenden. Meine private Tür steht zwar nicht offen, aber sie soll kein Hindernis sein, wenn ihr Hilfe braucht.“
„Barnheim und Doktor Peck wohnen in der obersten Etage des Hauptgebäudes“, klärte Lewis Max und Lilly auf, „aber der Zugang zu den privaten Räumen ist den Schülern untersagt.“
Maxim nickte, der nun begriff, was es mit der privaten Tür auf sich hatte. Auch Lehrer brauchten Privatsphäre, weswegen er das Verbot nachvollziehen konnte.
Aufmerksam lauschte er den weiteren Worten, während Mr. Barnheim einen Arm zur Seite ausstreckte. „Natürlich könnt ihr euch aber auch an meine geschätzten Kollegen wenden, die euch mit Rat und Tat unterstützen werden. Darf ich euch den stellvertretenden Schulleiter und Lehrer der Naturwissenschaften Samuel Payne vorstellen?“
Wie auf Kommando trat der Mann am äußersten rechten Rand einen großen Schritt nach vorne und nickte allen grüßend zu. Die kurzen grauen Haare verrieten, dass er bereits zur älteren Generation gehörte, wenngleich sich noch einzelne pechschwarze Stellen an den Seiten hielten. Sein Blick und seine Mimik waren, ebenso wie seine Haltung, streng und distanziert. Die Arme, die er hinter dem Rücken verschränkte, blieben auch weiterhin verschlossen, nachdem er sich wieder in die Reihe fügte.
„Er wirkt ganz schön streng“, murmelte Lilly und schauderte kurz, was Max ihr nicht verdenken konnte. Den Eindruck hatte er auch und er fragte sich, wie dann erst der Unterricht bei ihm sein würde. Oder täuschte der erste Eindruck bloß und eigentlich steckte hinter der rauen Erscheinung ein netter Kern?
Lewis zerstörte diesen hoffnungsvollen Gedanken: „Sein Name ist Programm.“
Obwohl es Maxim ein wenig vor der eigenen Erfahrung mit diesem Lehrer graute, konnte er bei dem Kommentar nicht anders, als belustigt zu schnauben. Es war ihm zuerst gar nicht aufgefallen, aber tatsächlich klang der Name von Mr. Payne ganz wie das englische Wort für Schmerzen. Da konnte er sich wohl auf etwas gefasst machen.
„Als nächstes Vincent Serra.“ Der nächste in der Reihe trat ebenso wie sein Vorgänger hervor, wirkte mit einem Lächeln und einer freundlichen Geste allerdings wesentlich sympathischer. Er hatte dunkles Haar und dunkle Augen sowie den Teint eines Südländers. Das Internat warb im Internet unter anderem damit, multikulturell zu sein, was sich sowohl bei den Schülern als auch der Lehrerschaft zeigte. „Er ist nicht nur Lehrer für Informatik, Wirtschaftswissenschaften und Sport, sondern auch der Vertrauenslehrer dieser Schule. Sollte euch etwas auf dem Herzen liegen, scheut euch also nicht, ihn in seinem Büro aufzusuchen.“
Als Nächstes trat eine Frau nach vorn, die nur wenig älter als ihr Vorgänger schien und ihre schwarzen Haare zu einem Dutt trug. Auch sie besaß einen leicht dunkleren Teint, was jedoch kaum auffiel.
„Doktor Marissa Peck ist bei den meisten als unsere Schulärztin bekannt, aber sie unterrichtet auch Biologie. Habt ihr euch verletzt oder fühlt euch nicht wohl – was wünschenswerterweise nie geschehen wird – könnt ihr sie im Krankenzimmer antreffen. Bei ihr seid ihr in guten Händen.“
Auch sie nickte den Schülern bloß zu, ehe sie sich wieder zurückzog, jedoch auf eine offene und freundliche Weise, sodass Max keine Zweifel daran hatte, dass er der Ärztin seine Gesundheit guten Gewissens anvertrauen könnte.
„Nun begrüßt mit mir unseren Referendar Jason Coleman.“
Maxims Vermutung über den jungen Lehrer wurde bestätigt. Was ihn dagegen wunderte, waren der kurze Applaus und die begeisterten Rufe, die jedoch schnell wieder verklangen. Das Gesicht des braunhaarigen jungen Mannes zierte ein breites Grinsen, das sich sichtlich über diese Art der Begrüßung amüsierte. Seine Körperhaltung wirkte locker und weniger seriös als die der anderen Lehrer. Dafür besaß er eine enorme Ausstrahlung. Von allen Lehrern schien er bisher am sympathischsten zu sein, weswegen der Blondschopf allmählich verstehen konnte, wofür er die Begeisterung verdient hatte.
„Wie ich sehe, braucht es keine weitere Erklärung zu ihm“, schmunzelte Mr. Barnheim über die überschwängliche Reaktion mancher Schüler und nickte dem Referendar dankbar zu. Mr. Coleman erwiderte die Geste mit einem Lächeln und trat wieder einen Schritt zurück, während die nächste in der Reihe sich ebenfalls bewegte.
„Enya Kane ist für den Spanischunterricht zuständig und kümmert sich zudem um den künstlerischen Zweig.“
Die kupferroten Haare waren das auffälligste Merkmal an Ms. Kane, die durch ihr herzliches Lächeln einen guten ersten Eindruck hinterließ. Max war sogar versucht das muntere Winken zu erwidern und ertappte sich dabei, wie er bereits eine Hand erhoben hat. Neben sich hörte er Lilly kichern, der es nicht verborgen geblieben war, weswegen er seine Hand verlegen wieder sinken ließ.
Nun war es an der vorletzten in der Reihe vorzutreten und sich vom Schulleiter vorstellen zu lassen. „Fehlt nur noch Ellia Voigt. Sie wird sich in Zukunft um eure Kenntnisse in den Fremdsprachen Deutsch und Französisch kümmern und leitet zusätzlich den Theaterkurs, für den ihr euch gerne anmelden könnt. Wir suchen immer neue Schauspieltalente für unsere Stücke.“
Obwohl Ms. Voigt ein amüsiertes Lächeln mit dem Schulleiter tauschte, wurde Maxim das Gefühl nicht los, dass sie reserviert und distanziert schien. Ein starker Kontrast zu ihren Vorgängern. Allerdings verschwand dieses Gefühl schnell wieder und machte Platz für Vorfreude darauf, was ihn im kommenden Jahr erwarten würde. Die Lehrer bereits zu kennen, würde den morgigen Einstieg in den Unterricht angenehmer gestalten.
Er freute sich auch schon darauf, seine Klassenkameraden kennenzulernen, schließlich kannte er bisher bloß zwei von ihnen. Lilly würde ihm auch im Klassenzimmer Gesellschaft leisten, was eine große Erleichterung war. Es fiel Max nicht schwer, neue Kontakte zu knüpfen, aber jemanden an der Seite zu haben, den man bereits kannte, machte einiges angenehmer. Auch Felix hätte er gerne dazu gezählt, allerdings war die Beziehung der beiden Sandkastenfreunde im Moment noch zu angespannt und das gestrige Wiedersehen war deutlich unterkühlt gewesen. Aber das würde sich schon wieder richten, davon war der Blondschopf überzeugt.
Beinahe unbemerkt und wesentlich unscheinbarer war eine blonde Dame zu dem Rektor getreten und wurde mit einem herzlichen Lächeln begrüßt. „Und nun erlaubt mir, euch eure Erzieherin Scarlett Kensington vorzustellen. Sie wird für euch immer ein offenes Ohr haben, aber auch darauf achten, dass ihr euch an die Regeln haltet.“
Die junge Frau wirkte zurückhaltend, winkte den Schülern aber freundlich und mit einem zarten Lächeln zu. Max glaubte etwas Verlegenheit in ihrem Gesicht zu erkennen.
Mit der letzten Vorstellung endete die Rede jedoch nicht, da Mr. Barnheim seine Stimme erneut erhob: „Mir ist bewusst, dass ihr in einem Alter seid, in dem etwas wie Unterricht und Lernen für die meisten lästig ist. Ich werde euch nun keinen Vortrag darüber halten, wie wichtig es ist, sich Wissen anzueignen. Doch eines möchte ich euch auf dem Weg geben: Selbst wenn der Unterrichtsinhalt dieser Schule auf euch unnötig oder vielleicht sogar albern und sinnlos erscheint, er ist darauf ausgelegt, euch auf euer zukünftiges Leben vorzubereiten. Und damit meine ich nicht nur euer Berufsleben, für das ihr natürlich hervorragend ausgebildet werdet. Ich meine euer Leben in der großen Welt, die nach dem Abschluss auf euch warten wird. Für manche ist sie eine größere Herausforderung als für andere und auf diese Herausforderungen sollt ihr alle vorbereitet werden."
Von der humorvollen und fast schon sanften Art des Schulleiters war in diesem Moment nichts mehr zu erkennen. Seine Mimik trug einen ernsten und entschlossenen Ausdruck, der Maxim kurz sprachlos werden ließ. Mit einer solchen Ansprache hat er nicht gerechnet und musste auch erst über diese Worte nachgrübeln. Es war selbstverständlich für alle Lehranstalten, dass sie ihre Schüler auf ihre Zukunft vorbereiten sollten, aber Max wurde das Gefühl nicht los, dass Mr. Barnheim etwas Weitreichenderes meinte. Auch Lilly schienen die Worte getroffen zu haben, da sie den Blick senkte. Bloß Lewis wirkte unerschütterlich, da er die Rede bereits kannte, wie er zugab.
Im Hintergrund wurden ein paar Geräusche laut und als Max einen Blick über die Schulter warf, erkannte er, wie ein paar Schüler in den hintersten Reihen die Aula verließen. Unter ihnen erkannte er auch einen bekannten schwarzen Haarschopf, der nach nur wenigen Sekunden verschwunden war.
Ohne es zu wollen, zeichnete sich Traurigkeit in den grauen Augen ab. Ob Felix von den erwähnten Herausforderungen betroffen war und sich durch die Rede angesprochen gefühlt hat oder ob er einfach nur die Geduld verloren hatte und lieber gehen wollte, konnte Max nicht mit Gewissheit sagen. Es versetzte ihm einen Stich in der Brust, dass er seinen jahrelangen Freund nicht mehr richtig einzuschätzen wusste.
Als er seinen Blick aber wieder nach vorne richtete, kehrte das gutmütige Lächeln auf den Zügen des Schulleiters zurück, der sich von der ablehnenden Reaktion dieser Schüler nicht beirren ließ.
„Zur Feier des Tages erwartet euch zum Mittagessen ein reichliches Buffet, bei dem ihr zugreifen dürft. Außerdem seid ihr herzlich dazu eingeladen, bereits erste Kontakte zu knüpfen oder uns Lehrern Fragen zu stellen. Bis zum morgigen Unterricht könnt ihr eure Zeit frei nutzen. Damit wünsche ich euch allen einen schönen und erfolgreichen Aufenthalt an der Morrison Memorial School.“