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Nellie Taylor
ОглавлениеMorrison Memorial, Speisesaal
Als sie an ihrem Ziel ankamen, stellten sie fest, dass nicht alle die gleiche Idee hatten wie sie. Die meisten Schüler trugen noch ihre Uniformen. Nur ein paar wenige hatten sich ebenfalls für ihre Freizeitkleidung entschieden.
Grob wurde der großzügige Raum überschaut, der durch die Glasfront nach außen hin einen schönen Blick auf einen Teil des Gartens gewährte. Die Sonnenstrahlen schenkten ausreichend Licht, um sich jede Personengruppe ansehen zu können.
Auf den ersten Blick fiel den Taylors auf, dass eine kleine Anzahl an Tischen verschoben wurde. Darauf lagen Flyer und Fotos der unterschiedlichen Wahlfächer verteilt, um den Schülern einen ersten Eindruck dessen zu bieten, was sie auf dem Internat noch erwarten könnte. Die Leiter der AGs standen oder saßen an ihren Tischen und unterhielten sich mit Kollegen oder Interessenten.
Nellie wusste gar nicht, wem sie zuerst Aufmerksamkeit schenken sollte, aber Nancy nahm ihr diese schwierige Entscheidung mit einer einfachen Frage ab: „Wollen wir uns erst etwas vom Buffet nehmen?“
Eifrig nickte Nellie und folgte ihrer Schwester zu der Tischreihe, die sie bereits vom Frühstück kannten. Anders als vor wenigen Stunden, gab es hier allerdings keine Vielzahl an Brötchen oder Müslisorten, sondern eine Variation von warmen, kalten und süßen Speisen. Die freundliche Frau hinter der metallisch-gläsernen Anrichte verteilte auch jetzt einige der Speisen auf Wunsch persönlich. Nellie war zu überwältigt von all den Eindrücken und den Gedanken, wie sie in den nächsten Minuten handeln sollte, dass sie bloß zu einem Blaubeermuffin griff. Ohnehin fühlte sich ihr Magen an, als wäre er mit Blei gefüllt, aber etwas in Händen zu halten, gab ihr zumindest ein wenig Sicherheit.
Nancy zeigte sich ähnlich genügsam und goss sich Kaffee in eine Tasse, mit der sie sich abseits der Gruppen bewegte. Nellie folgte ihr auf dem Fuße und warf erneut einen Blick über die Anwesenden. Mr. Barnheim und Mr. Payne unterhielten sich jeweils angeregt mit Schülern; den Wortfetzen nach, die Nellie aufschnappen konnte, handelte es sich um Lernende der höheren Stufen, die Fragen zum kommenden und vergangenen Lernstoff hatten. Ms. Kane und Mr. Serra unterhielten sich an einem der Tische über die angebotenen Wahlfächer.
Neugierig tippte Nellie ihre Schwester an und fragte: „Erkennst du, was Miss Kane anbietet?“
So wie Nellie seit ihrer Verwandlung ein besseres Gehör bekommen hatte, hatte sich Nancys Sehkraft verbessert. Daher fiel es der Älteren nicht schwer, die entfernten Worte zu lesen. „Es sind Kurse für Kunst, Musik und Fotografie. Wäre nicht etwas für dich dabei?“
Nachdenklich zupfte Nellie am Papier ihres Muffins und wägte ab, wie sie sich in diesen Bereichen machen würde. Sie mochte es zu singen und Musik zu hören, aber sie würde sich niemals trauen, etwas vor anderen Anwesenden vorzutragen. Ohnehin konnte sie sich nicht vorstellen, einen der Kurse allein zu besuchen. Daher verwarf sie diese Überlegungen schnell wieder und stellte eine Gegenfrage, die von ihr ablenken sollte: „Hast du denn schon etwas gefunden, das dich interessiert?“
Erneut suchte Nellie nach den anderen Ausstellungstischen und entdeckte Mr. Coleman, der es gerade geschafft hatte, eine Schar an Schülern aufzulösen. Lange blieb er nicht allein, da kam schon der hellblonde Junge von gestern hinzu und erkundigte sich nach den Sportarten, für die der junge Referendar zuständig zu sein schien.
„Ich werde mich wieder bei Theater einschreiben“, zog Nancy die Aufmerksamkeit der Jüngeren auf sich und nahm einen Schluck des Getränks, das mit Beihilfe ihrer Kräfte als Eiskaffee durchgehen könnte. „Vielleicht gibt es an dieser Schule eine Herausforderung für mich.“
Für einen kurzen Augenblick zeigte sich Schrecken in den giftgrünen Augen des kleineren Zwillings. Sie wollte sich ihrer Schwester bei der Wahl anschließen und schaute daher zu Ms. Voigt rüber. Schon in ihrer alten Schule war sie Nancy bei dieser Wahl gefolgt und obwohl sie im Hintergrund an den Bühnenbildern und Kostümen arbeiten durfte, fühlte sie sich schrecklich unwohl in diesem Bereich. Die Vorstellung, dieses miserable Gefühl noch weitere drei Jahre zu haben, schnürte ihr den Hals zu. Unauffällig versuchte sie sich das Grauen nicht anmerken zu lassen, den der Gedanke mit sich brachte, dass sie sich dem stellen oder einen Kurs alleine besuchen müsste. Beides war etwas, das ihren Puls bei der bloßen Vorstellung beschleunigte.
„Schmeckt der Muffin nicht?“
In ihren Grübeleien vertieft, hatte Nellie nicht bemerkt, dass sich jemand zu ihnen stellte und ein Gespräch suchte. Ein erschrockener Ton purzelte über ihre Lippen, gleichzeitig drohte der Muffin aus ihren Fingern zu hüpfen. Die Krümel, die sie zuvor unbewusst abgezupft und auf dem Papier abgelegt hat, flogen den Dreien entgegen.
„Hoppla!“ Eilig wollte der blonde Junge ihr helfen, indem er ebenfalls versuchte das unbändige Gebäck aufzufangen. Dies war nicht von Erfolg gekrönt, denn als seine Finger kurz ihre streiften, trat sie einen ausweichenden Schritt hinter ihre Schwester und der Muffin verlor erneut jeglichen Halt. Erst Nancy konnte das Chaos mit einem beherzten Griff beenden und legte den ungewollten Spielball auf die nächste Ablagefläche.
„Wolltest du etwas?“, richtete sie sich abweisend an den fremden Mitschüler.
Dieser wirkte weniger beleidigt als verlegen, was sein Grinsen bewies. „Eigentlich wollte ich mich nur vorstellen, aber das ging wohl nach hinten los. Entschuldigt.“ Dabei sah er vor allem Nellie an, die schnell den Kopf schüttelte, um zu zeigen, dass eine Entschuldigung nicht nötig war.
„Probieren wir es von Neuem? Hi, ich bin Max.“ Der Blondschopf trug ein so breites Grinsen auf dem Gesicht, dass Nellie nicht anders konnte, als es kurz zu erwidern. Dennoch versagte ihr die Stimme, um für sich zu sprechen. Da dies nichts Neues war, zögerte die ältere der Beiden nicht, für sie mitzusprechen und sich wortkarg vorzustellen: „Nancy und meine Schwester Nellie.“
„Ihr seid Zwillinge, oder? Echt cool! Wo kommt ihr her?“
„Kalifornien.“ Unbeeindruckt schwenkte Nancy die Reste ihres Getränks und schenkte Max keinen weiteren Blick, der gerade begann davon zu erzählen, dass er noch nie in Kalifornien war, aber schon einiges davon gehört habe. Bevor sein Redeschwall weiter gehen konnte, unterbrach Nancy ihn barsch: „Wenn du hier auf der Suche nach neuen Freunden bist, bist du falsch.“
Diese Ansage brachte den redseligen Schüler zum Verstummen. Kurz blinzelte er Nancy nur an, verlor seine Fröhlichkeit dadurch aber nicht.
„Versteh schon, ich störe“, zuckte er nur mit den Schultern und verabschiedete sich mit einem „Man sieht sich!“
Nellie sah ihm noch einen Augenblick bedrückt nach. Er war so nett und hat es nicht verdient, derart unfreundlich abgewimmelt zu werden. Um ihm hinterherzulaufen und sich dafür zu entschuldigen, fehlte ihr allerdings der Mut. So sprach sie nur aus, was sie dachte. „Er tut mir leid.“
„Er wird es überleben“, antwortete Nancy ungerührt und nickte zu Max, der zu zwei Personen in einer abgelegenen Position ging. „Siehst du, er hat schon die nächsten Opfer.“
Nellie warf ihrer Schwester einen kurzen kritischen Blick zu, sah dann aber wieder zu Max rüber. Eine der zwei Personen war der Hausmeister des Internats, soweit Nellie mitbekommen hatte. Er rührte fast schon gelangweilt mit einem Löffel in seiner Tasse, während der dunkelhaarige Junge von gestern neben ihm das Gesicht verzog. Sie nahm sich heraus, kurz dem Gespräch zu lauschen, in der Hoffnung, ihr Gewissen damit etwas zu beruhigen. So verdrängte sie das restliche Stimmengewirr, bis sie nur noch die Drei hören konnte.
„Und was machen Sie an der Schule?“, fragte Max.
„Offiziell bin ich hier der Hausmeister“, antwortete Randall Reid gelassen und spielte weiter mit dem Löffel.
„Und inoffiziell?“, hakte der neugierige Schüler skeptisch nach.
Nellie bemerkte aus der Ferne, wie Mr. Reid den Blick hob und voller Ernst aussprach: „Der, der hier für Ordnung sorgt.“
Nach dem zögerlichen „Cool…“ von Max, klinkte Nellie sich lieber aus dem Gespräch aus. Nicht nur, dass sie es lieber vermied, andere Leute zu belauschen, die Zweideutigkeit von Mr. Reids Antwort verunsicherte sie etwas. Sie bevorzugte es, lieber nicht weiter darüber nachzudenken und ließ ihren Blick deutlich unruhiger durch den Speisesaal schweifen. Er begann sich allmählich mit den Nachzüglern zu füllen, womit der Geräuschpegel stieg und Nellie sich unwohler fühlte.
In der Nähe des Buffets sah sie eine unauffällige Gestalt vorbeihuschen. Eine Kapuze verbarg den Kopf und einen Großteil des Gesichts, als hätte Der- oder Diejenige etwas zu verstecken. Die Stimme in Nellies Kopf gab ein neugieriges Gurren von sich, was die Parcatis noch nie zuvor gehört hat. Ob es sich um einen Gleichgesinnten handelte?
Viel Zeit, um sie sich anzusehen, gab es nicht, da die Gestalt sich nur ein paar Happen zum Essen auf einen Teller legte und dann ebenso schnell nach draußen verschwand, wie sie gekommen war. Nellie wollte es ihr gleichtun und fragte kleinlaut: „Können wir gehen?“
Nancy stimmte mit einem Nicken zu. „Ich habe ohnehin genug gesehen.“
Im Vorbeigehen stellte sie noch ihre kalte Tasse auf einem der Tische ab.