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Typ 1: Die Höchstleister

Portrait Simone*

* Das Foto zeigt nicht die interviewte Person; Foto © Markus Mainka | Fotolia.com


Simone ist eine 23-jährige verheiratete Studentin der Sozialen ­Arbeit, die einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde angehört und in Erfurt wohnt. Bei dem Wort Glauben fällt ihr spontan „Verbindlichkeit, Freude, Glück, Gemeinschaft, Gemeinde“ ein. Die ­Gemeinde spielt für ihren Glauben „eine wichtige“ Rolle und sie fühlt sich dort „im Allgemeinen sehr wohl, weil es dort eine familiäre Atmosphäre gibt“. Ihre Familie spielt für ihren Glauben „eine wichtige Rolle“. „Ich wüsste nicht, wo ich wäre, wenn ich nicht in ­e­iner christlichen Familie aufgewachsen wäre.“ Erlebnisse, die sie in ihrem eigenen Glauben geprägt haben, sind ihre Taufe mit 13 Jahren, das regelmäßige Bibellesen, das persönliche Gebet und das Hören von Online-Predigten aus den USA. Dabei kann sie am ehesten mit ihren Freunden über ihren Glauben sprechen.

Außerdem engagiert sie sich mehrmals pro Woche in ihrer Gemeinde, wo sie unter anderem den Lobpreis leitet oder mit Jugendlichen arbeitet. In ihrer Gemeinde gefällt ihr besonders gut, dass dort ein „ganz guter generationenübergreifender Zusammenhalt besteht“. Der wöchentliche Gottesdienstbesuch spielt für sie eine große Rolle. Er ist für Simone „ein wichtiges Element der persönlichen Stärkung, aber auch des Austauschs“. „Für mich dient der Gottesdienst dazu, Gott zu begegnen, aber zugleich ist es beides, die Gemeinschaft mit Gott und die Gemeinschaft mit den Christen.“ Dabei bevorzugt sie „alles, was so modern“ ist und was ihr konkrete Hilfe im Alltag gibt. Simone betont, dass sie „als jüngere Leute“ sich „nicht irgendwie ausgeschlossen fühlen“ in der Gemeinde, „außer vom Seniorenkreis vielleicht [lacht]“.

Ihr Glaube hat für sie „die wichtigste Bedeutung“ in ihrem Leben: „Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht mit Jesus leben würde.“ Manchmal fragt sie sich, ob sie vielleicht irgendwann Freunde oder materielle Dinge zu hoch eingeschätzt hat. „Ich bemühe mich, dass Gott das Wichtigste in meinem Leben ist beziehungsweise sein sollte.“ Eine Art „Leitwort“ für sie geworden ist der Bibelvers: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzer Seele, mit ganzer Kraft und mit all deinem Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Konkret bedeutet das, dass sie täglich versucht, nach dem Gebot der Liebe zu leben zum Beispiel „in der Begegnung mit Flüchtlingen“. Dies gelingt ihr nicht immer, jedoch bemüht sie sich „schon sehr stark, das umzusetzen“. Denn „ich denke, dass es erstens logische Konsequenz ist: Wenn Gott Liebe ist, dann sollen wir auch lieben. Und zweitens, weil es einfach was Schönes ist, es wäre nicht gut, nicht sinnvoll und nicht erfüllungsbringend, wenn man das Gegenteil leben würde, nämlich Hass, das macht den Menschen kaputt.“ Simone ist der Meinung, dass Gott ihr im Alltag hilft, sie aber auch bestrafen kann, wenn Gott ihr Handeln nicht gefällt. Außerdem betet sie mehrmals am Tag zu Gott und erfährt dabei „immer wieder auch Hilfe“. Neben dem Engagement in der Gemeinde arbeitet sie „auch freiwillig für eine Missionsorganisation“. Simone versucht grundsätzlich immer wieder, ihren „Glauben zu bekennen, sei es im Gespräch beim Mittagessen oder so“, gleichzeitig hat sie „aber oft ein schlechtes Gewissen, ob ich nicht zu zögerlich bin“.

Bei anderen Religionen findet sie es „teilweise interessant, was andere Religionen so lehren, teilweise aber auch echt erschreckend“. Sie hat durch ihr Engagement Kontakt zu muslimischen Flüchtlingen und hat mit manchen sogar „Freundschaften geschlossen“ und findet es nicht einfach, „wie man den Glauben gut rüberbringen kann, ohne dass man sie damit erschlägt. Weil wenn jemand einen ganz anderen Erfahrungshorizont hat, muss man natürlich erstmal eine Vertrauensbasis schaffen.“ Bei kurzfristigen Kontakten gibt sie auch schon mal „Literatur weiter, beispielsweise, wenn ich Menschen im Zug treffe oder so, ich habe einige arabische Flyer dabei oder Kalender“. Simone hat auch schon an vielen christlichen Freizeiten teilgenommen, dabei waren ihre Erfahrungen „unterschiedlich“. Diese Freizeiten haben bei ihr jedoch eine Verbindlichkeit und Regelmäßigkeit in ihrem Glauben entstehen lassen. Ansonsten ist ihr wichtig, dass sie für ihre Mitarbeit hin und wieder „Bestätigung bekommt, also halt ab und zu ‚Hey, das hast du gut gemacht‘ oder ‚Ich freue mich darüber, dass du dich so rege beteiligst‘“. Sie denkt, dass unverbindliches Ausprobieren für einen ersten Schritt zur Mitarbeit sehr wichtig ist. Für ihre Zukunft wünscht sich Simone: „Dass ich hoffentlich noch gelassener und fröhlicher werde und regelmäßiger die Bibel lese, noch regelmäßiger. Und dass ich mit Hoffnung sterben kann eines Tages, das ist wirklich mein Wunsch, dass ich eines ­Tages mit Hoffnung sterben kann und dass ich mir im Vorhinein nicht zu viele Sorgen darum mache. Darüber hinaus wünsche ich mir, meinen Glauben noch fröhlicher gegenüber meinen Mitmenschen erklären zu können und nicht ins Stammeln zu kommen, wenn es um solche Themen geht.“

Allgemeine Beschreibung der „Höchstleister“ (Typ 1)

Der Typus der „Höchstleister“, wie ihn Simone repräsentiert, kommt unter den hochreligiösen Jugendlichen am häufigsten vor. Zugleich bestehen die „Höchstleister“ fast ausschließlich (zu 99,85 Prozent) aus Hochreligiösen.

Wäre der Glaube eine Olympiade, die „Höchstleister“ wären diejenigen, die mit Abstand die meisten Medaillen einsammeln und die meisten Rekorde brechen würden. Den Einfluss Gottes auf ihren Alltag erleben sie am stärksten. Kein anderer Typus kann, laut Selbstaussage, so gut über den Glauben Auskunft geben wie sie. Sie beten häufiger als alle anderen Typen (80 Prozent mehr als einmal pro Tag) und besuchen am häufigsten von allen den Gottesdienst. Zugleich sind sie am stärksten ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert. Entsprechend können sie sich von allen Gruppen am häufigsten vorstellen, später als Pfarrerin oder Pfarrer zu arbeiten. Dass Sex vor der Ehe (63 Prozent) und Homosexualität (81 Prozent) eine Sünde sind, ist für sie am eindeutigsten.

Wie erwähnt, fühlen sich die ersten vier Typen häufiger einer Freikirche zugehörig und die Typen 5–8 häufiger einer evangelischen Kirche. In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass der Anteil der Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche bei den Typen 5–8 zwischen 67 und 74 Prozent liegt und bei den Typen 1–4 zwischen 32 und

39 Prozent. Rechnet man bei den Typen 1–4 jedoch diejenigen hinzu, die sich zu ­einer landeskirchlichen Gemeinschaft zugehörig fühlen und damit formal größtenteils auch zur evangelischen Kirche zählen, liegt der Anteil der kirchlichen Jugend­lichen bei den Typen 1–4 aber bei ca. 50 Prozent, nur die „Höchstleister“ (Typ 1) scheren mit bloß 43 Prozent (32 Prozent evangelische Kirche, 8 Prozent landeskirchliche Gemeinschaft) deutlich aus. Bei ihnen sind die Pfingstkirchen, charismatische Freikirchen, die Baptisten, die Freien evangelischen Gemeinden und andere Freikirchen überrepräsentiert. Wenn sie sich einem Jugendverband zugehörig fühlen, dann ist dies entsprechend häufiger der Jugendverband einer evangelischen Freikirche.

Die „Höchstleister“ haben ein deutliches Bild von Gott. Folgenden fünf Aussagen über Gott stimmen sie am deutlichsten von allen Typen zu: „Gott hat einen Plan für mich“; „Gott greift in mein Leben ein“; „Gott lässt mir meinen freien Willen“; „Gott hat Jesus gesandt, um mich zu erlösen“; „Vor Gott bleiben meine Sünden nicht verborgen“.

Überdurchschnittlich häufig lesen sie die Bibel. 89 Prozent von ihnen tun dies mindestens einmal pro Woche, 43 Prozent sogar täglich. Der hohe Stellenwert der Bibel zeigt sich auch darin, dass sie neben den „Erweckten“ der einzige Typus sind, der tendenziell eine unterdurchschnittliche „Präferenz für christliche Zeitschriften oder Bücher statt der Bibel“ angibt. Ebenso sind sie mit den Erweckten diejenigen, die am intensivsten in der Bibel eine Stärkung ihres Glaubens sehen. Auch wenn das Bibellesen als Stärkung des Glaubens für sie wichtig ist (60 Prozent), werden sie in ihrem Glauben noch intensiver durch persönliches Gebet (67 Prozent) und Lobpreismusik/Worship (69 Prozent) gestärkt. Überdurchschnittlich häufig geben sie zudem Predigten im Gottesdienst, christliche Konferenzen und die Mitarbeit in Kleingruppen als Stärkung ihres Glaubens an, während kreatives Arbeiten, christliche Freizeiten und Mitarbeit in der Gemeinde/Diakonie hier unterdurchschnittlich häufig genannt ­werden.

Wie erwähnt, sind die „Höchstleister“ zugleich der Typus, der die höchste Auskunftsfähigkeit über den Glauben aufweisen kann. Kein anderer Typus ist, aus der Selbsteinschätzung heraus, so gut über den christlichen Glauben informiert, weiß so gut, was in der Bibel steht und kann anderen den eigenen Glauben verständlich erklären. Vielleicht hängt dies auch damit zusammen, dass diese Jugendlichen sich überdurchschnittlich häufig mit Freunden über den Glauben unterhalten – gut

70 Prozent von ihnen geben an, dies oft oder öfter zu tun. Auch hier sind sie die eindeutigen Rekordhalter.

Wie erwähnt besucht kein anderer Typus so häufig einen Gottesdienst. Dabei nehmen die Jugendlichen überdurchschnittlich oft an modernen, offen-spontanen, ­lebensnahen und zum Mitmachen gestalteten Gottesdiensten teil – wie auch die „Ganzheitlichen“ und die „Erlebnisorientierten“.

Am liebsten haben sie einen Gottesdienst, der Gott und den Heiligen Geist zum ­Inhalt hat, Hilfe für die alltägliche Lebensführung gibt, Teilnahme und Gemeinschaftserleben ermöglicht und modern ist.

Fast alle „Höchstleister“ (95 Prozent) engagieren sich ehrenamtlich im christlichen Kontext, wo sie ebenfalls Rekordhalter sind. Dies tun sie nicht nur besonders häufig (ca. die Hälfte von ihnen engagiert sich mehr als einmal in der Woche), sondern zudem in sehr vielen unterschiedlichen Bereichen. Überdurchschnittlich engagieren sie sich vor allem bei der Vorbereitung und Mitwirkung von Lobpreis, der Arbeit mit Jugendlichen, bei praktischen Tätigkeiten, der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit ­sowie im Bereich Mission und Evangelisation. Ihr Engagement im letztgenannten ­Bereich ist doppelt so häufig wie beim Durchschnitt der befragten Jugendlichen.

Ihr Engagement ist laut eigener Aussage dabei vor allem uneigennützig motiviert. Überdurchschnittlich oft geben sie an, dass die Motivation in ihrer Verantwortung liegt, als Christinnen und Christen zu handeln, sowie darin, anderen zu helfen. Zugleich geben sie unterdurchschnittlich oft an, für ihr Engagement Anerkennung und Bestätigung bekommen zu wollen.

Am stärksten von allen Typen können sie sich vorstellen, später Pfarrerin oder Pfarrer zu werden (knapp die Hälfte kann sich das mindestens denken). Überdurchschnittlich oft können sie sich auch vorstellen, später in der christlichen Kinder- und Jugendarbeit hauptamtlich tätig zu sein, in der Diakonie jedoch eher weniger. Die Aufgabe der Kirche sehen sie vor allem darin, die christliche Botschaft zu verkündigen, christliche Werte und Normen zu verbreiten und Orientierungshilfe für das eigene Leben zu bieten.

Neben den vielen frommen Rekorden zeigen die „Höchstleister“ eine weitere auffällige Abweichung gegenüber dem Durchschnitt unserer Studie. In ihrer Werteorientierung sind sie besonders häufig „pragmatische Idealisten“, obwohl diese Werteorientierung insgesamt nur auf Platz drei von vieren steht.

Zur Erinnerung: Pragmatische Idealisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie besonders idealistische Werte sowie Werte in Bezug auf Tugend und Sicherheit vertreten, während hedonistische und materielle Werte nur unterdurchschnittlich ausgeprägt sind. Idealistische Werte sind zum Beispiel das Helfen von sozial Benachteiligten, das Tolerieren anderer Meinungen, das politische Engagement sowie das Entwickeln von Fantasie und Kreativität. Zu Tugend und Sicherheit zählen das Respektieren von Gesetz und Ordnung, fleißig und ehrgeizig sein sowie das Streben nach Sicherheit. Diese Werte sind bei den „Höchstleistern“ überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Unterdurchschnittlich ausgeprägt sind hingegen die Aussagen: „Das ­Leben voll genießen“, „einen hohen Lebensstandard haben“, „sich gegen andere durch­setzen“ und „Macht und Einfluss haben“.

Generation Lobpreis und die Zukunft der Kirche

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