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Typ 2: Die Ambivalenten

Portrait Erik*

* Das Foto zeigt nicht die interviewte Person; Foto © Markus Mainka | Fotolia.com


Erik ist männlich, 17 Jahre alt, macht gerade sein Abitur an einem technischen Gymnasium, ist Teil einer evangelischen Kirche und fühlt sich dieser auch zugehörig. Er wohnt bei seinen Eltern in der Nähe von Karlsruhe. Glaube bedeutet für ihn, „eine persönliche Beziehung zu Gott oder zu Jesus“ aufzubauen, „die Orientierung“ für sein Leben gibt. Sein Vorbild im Glauben kommt aus den USA und heißt Shane Claiborne – der Autor von „Ich muss verrückt sein, so zu leben. Kompromisslose Experimente in Sachen Nächstenliebe“. Davon beeinflusst, will er sein FSJ in England machen in einer Gemeinde, die ähnlich lebt wie die ­Gemeinschaft von Shane Claiborne.

Am besten über seinen Glauben sprechen kann er mit seinem „Vater und mit Freunden“. Sein Vater, der Pfarrer ist, hat ihn von klein auf mit in die Gemeinde genommen, und mittlerweile ist sein Glaube in seinem Leben ein zentraler Mittelpunkt: „Für mich richtet sich halt mein Leben danach aus und ich hoffe, dass man das nach außen hin auch sieht.“ Er wünscht sich für sein Glaubensleben, „das Gebet noch ein bisschen besser und intensiver kennenzulernen“. Gottes Anwesenheit spürt er „nicht die ganze Zeit“, aber es gab „Ereignisse“, wo er „die Gegenwart Gottes ganz stark gespürt hat“, zum Beispiel als sie als Familie umzogen, was für ihn „halt nicht so cool“ war, wo er sich letztlich aber besonders von Gott „getragen“ fühlte.

Eriks Gemeinde ist für ihn „wie eine große Familie“, die Gemeinschaft mit Christen findet er sehr wichtig, „weil man kann viele ermutigen im Glauben und sich auch gegenseitig fördern“. Den wöchentlichen Gottesdienstbesuch in seiner Gemeinde findet

er „schon wichtig“. Am wichtigsten für ihn sind aber die „Jugendgottesdienste, weil

die aufs Alter zugeschnitten sind“. In seiner Gemeinde gibt es für Jugendliche neben dem biblischen Unterricht den Jugendkreis, die Arbeit mit Kindern, Jugendgottesdienste und Freizeiten, wobei sich alle überall beteiligen können. Das Programm wird durch den Pastor bestimmt, „aber, wenn jemand Lust hat, irgendwas zu machen, dann kann er das auch, wenn es durch den Ältestenkreis geht“. Gemeinschaft mit ­anderen Christ*innen empfindet er auch als „ziemlich wichtig“ und er war „schon oft“ auf christlichen Freizeiten. Auch sonst engagiert er sich viel in seiner Gemeinde und macht im Lobpreisteam mit, aber er macht „auch viel Jugendarbeit“. Dort hat er „oft mit Leuten zu tun, die jetzt nicht so im Glauben stehen“. So ist es ihm wichtig, ihnen seinen Glauben weiterzugeben. Mit anderen Religionen hat er sich noch nicht so sehr auseinandergesetzt. „Also jetzt in Bezug auf den Islam habe ich gemischte Gefühle. Das Judentum ist dem Christentum ja viel ähnlicher, sag ich mal, und mit Buddhismus und Hinduismus hatte ich jetzt noch nicht so viele Berührungspunkte.“ Daher steht für ihn fest, dass nur das Christentum wahr ist.

Allgemeine Beschreibung „Ambivalenten“ (Typ 2)

Wie die „Höchstleister“ zeichnen sich die „Ambivalenten“ durch einen eher exklusiven Glauben und eine hohe und qualitativ gute Gemeindebindung aus. Im Gegensatz zu den „Höchstleistern“ erleben sie ihren Glauben aber eher nicht als unterstützend. Dies zeigt sich darin, dass sie seltener den Glauben als eine Hilfe im Alltag erleben, sich seltener in Gott geborgen fühlen und seltener angeben, dass Gott ihre Gebete erhört. Jedoch zeigt sich dies auch in anderen feinen Unterschieden. Wie die „Höchstleister“ stimmen auch sie überdurchschnittlich oft den Aussagen zu, dass Gott in ihr Leben eingreift, dass Jesus gesandt wurde, um sie zu erlösen, dass vor Gott ihre Sünden nicht verborgen bleiben, nicht aber, dass Gott einen Plan für sie hat und ihnen ihren freien Willen lässt. Man könnte sagen, dass die „Ambivalenten“ zwar fromm sind, zu ihrem Glauben und zu Gott aber ein deutlich zwiegespaltenes, ambivalentes Verhältnis haben.

Die „Ambivalenten“ stellen den zweitkleinsten Typus und haben den höchsten Männeranteil aller Typen. Im Verhältnis zu den anderen Typen haben sie in ihrer Werteorientierung weniger Affinität für Hochkultur und Reflexion. Das heißt, man kann sie kaum mit Kunst und Kultur, eher schwierigen und anspruchsvollen Büchern sowie anderen Dingen, die einen gedanklich stark herausfordern, begeistern. Bezüglich ihrer Werteorientierung gehören sie überdurchschnittlich oft dem sogenannten „Unauffällig zögerlichen Wertetyp“ an. Bei diesem sind alle drei Wertedimensionen unterdurchschnittlich ausgeprägt: Tugend und Sicherheit, idealistische Werte sowie hedonistische und materielle Werte. Die „Unauffällig Zögerlichen“ stehen in direktem Gegensatz zu den „Aufstrebenden Machern“, bei denen alle drei Wertedimensionen überdurchschnittlich ausgeprägt sind und die bei den von uns untersuchten ­Jugendlichen mit Abstand am häufigsten vorkommen (siehe Kapitel 1).

Als ein deutliches Muster zeigt sich bei den „Ambivalenten“ ein gewisses Verharren in sich selbst, eine gewisse Selbstbezüglichkeit und eine (trotz hoher Gemeindebindung) gewisse Isolation. Dies wird vor allem in folgenden Ergebnissen sichtbar: Im Gebet bitten sie überdurchschnittlich oft für sich selbst und unterdurchschnittlich selten für andere Menschen. Auch Dankbarkeit gegenüber Gott sowie Verehrung oder Lob Gottes kommen in ihren Gebeten unterdurchschnittlich oft vor. Von allen Typen kennen sie sich am wenigsten gut mit einer anderen Religion aus. Als einziger Typ schreiben sie der Kirche unterdurchschnittlich oft die Aufgabe zu, dass diese politische, soziale und interreligiöse Verantwortung übernehmen soll. Zudem nehmen sie deutlich seltener an Gottesdiensten anderer Gemeinden teil.

Wie erwähnt sind die Typen 1–4 alle tendenziell freikirchlicher, bei den „Ambivalenten“ ist die Zugehörigkeit zu einer FeG, einer anderen Freikirche oder dem EC besonders stark ausgeprägt. Sie sind der Typus, der nach den „Erlebnisorientierten“ am häufigsten angibt, noch zu der Gemeinde zu gehören, in der sie aufgewachsen sind (75 Prozent).

Was die ersten vier Typen ebenfalls gemeinsam haben, ist die überdurchschnittlich große Rolle, die der Glaube in ihrer Erziehung gespielt hat. Sehr ähnlich ist zudem ihre Sexualethik und das damit verbundene Bibelverständnis. Das bedeutet für sie mehrheitlich klar, dass in der Bibel Sex vor der Ehe (57 Prozent) sowie das Ausleben von Homosexualität (78 Prozent) eine Sünde sind. Ebenso fordern sie Einschränkungen für homosexuelle Menschen in der Gemeinde. Zwar wird selten gefordert, dass diese die Gemeinde verlassen sollen (maximal drei Prozent). Jedoch stimmt auch nur knapp jeder Fünfte zu, dass diese Person dann ohne jegliche Einschränkungen in der Gemeinde sein darf.

Bibellesen und Beten sind bei den „Ambivalenten“ zwar überdurchschnittlich ausgeprägt, aber nicht ganz so stark wie bei den „Höchstleistern“ und den „Erweckten“. Beim Thema Bibel bedeutet dies, dass sie tendenziell eher einmal pro Woche Bibel lesen und nicht einmal pro Tag wie die „Höchstleister“ und die „Erweckten“. Überdurchschnittlich ist auch der Besuch eines Gottesdienstes. Ca. drei Viertel von ihnen besuchen jede Woche mindestens einmal den Gottesdienst.

Mit Freunden tauschen sie sich überdurchschnittlich häufig über den Glauben aus, zugleich aber wieder deutlich seltener als die „Höchstleister“ und die „Erweckten“. Kein anderer Typus gibt an, so intensiv durch Predigten im Gottesdienst im Glauben gestärkt zu werden. Solche Stärkung des Glaubens erfahren sie aber auch überdurchschnittlich oft durch christliche Bücher, Bibellesen, Kleingruppen und Hauskreise.

Die „Ambivalenten“ sind überdurchschnittlich engagiert im christlichen Kontext

(zu 92 Prozent). Dies stellt den drittstärksten Wert dar. Und es gilt besonders für die Vorbereitung vom bzw. das Mitwirken am Lobpreis. Bezüglich ihrer Motivation geben sie seltener „Spaß und Freude am Engagement“, „Etwas mit anderen unternehmen“ oder „Neue Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben“ als Motive an. Bei den letzten beiden haben sie die niedrigsten Werte aller Typen. Das heißt, die „Ambivalenten“ sind sehr stark engagiert, ziehen aus diesem Engagement für sich aber scheinbar eher ­keinen Ertrag. Sie sind sehr fromm, sowohl in ihren Glaubensüberzeugungen, als auch in ihrer intensiven Glaubenspraxis, erleben ihren Glauben aber weniger als ­unterstützend. Hinzu kommt eine gewisse Selbstbezüglichkeit und die geringere Konfrontation mit Fremdem und Neuem (wie anderen Gottesdiensten, die Kenntnis über eine andere Religion etc.). Insofern stellen sich spannende Fragen an diesen ­Typus. Erleben diese im Gegensatz zu den „Höchstleistern“ ihren Glauben trotz ­hoher ­Gemeinde- und Glaubensbindung als weniger unterstützend, weil sie keine entsprechende Haltung haben?

Generation Lobpreis und die Zukunft der Kirche

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