Читать книгу Generation Lobpreis und die Zukunft der Kirche - Tobias Faix - Страница 19

Оглавление

Typ 3: Die Erweckten

Portrait Stefanie*

* Das Foto zeigt nicht die interviewte Person; Foto © Markus Mainka | Fotolia.com


Stefanie ist eine 22 Jahre alte Auszubildende aus Herne. Sie macht eine Ausbildung zur PTA, ist ledig und wohnt in einer WG. Sie ist evangelisch getauft und kommt ursprünglich aus einer evange­lischen Kirche, besucht aber seit ihrer Jugendzeit immer häufiger eine charismatisch geprägte Freikirche. Sie ­beschreibt sich als „die einzige Gläubige“ in ihrer Familie. „Ich finde, man muss immer ­unterscheiden zwischen Glaube und Religion. Ich bin zwar ­getauft und ich bin auch in der evangelischen Landeskirche konfirmiert worden, aber ­abgesehen von den Gottesdiensten an Weihnachten und Ostern hat der Glaube bei uns irgendwie nie eine Rolle ­gespielt. Und mit 17 habe ich Jesus ganz persönlich ­kennengelernt. Deshalb ist Glaube für mich eben dieses Persönliche, eben dieses im Austausch mit ihm zu sein und so. Und meine Familie findet das interessant, aber die können es, glaube ich, nicht wirklich verstehen.“

Glaube bedeutet für sie vor allem die „persönliche Beziehung mit Gott“: „Alles, was ich mache, da ist er dabei. Ob ich in der Schule bin, ob ich in der Gemeinde bin, ob ich in meiner Familie bin, ich hab ihn irgendwie immer an meiner Seite und weiß, ich habe den Heiligen Geist als meinen Helfer und Berater dabei.“ Der Heilige Geist ist für Stefanie „irgendwie auch so Botschafter und kann mich dann sensibel machen für bestimmte ­Atmosphären und er kann auch dann – also dass Gott durch ihn, über ihn durch mich sprechen“. Sie hat mehrere konkrete Erlebnisse gehabt, wo sie die Führung durch den Heiligen Geist direkt im Alltag erlebt hat. Für sie ist klar: „Ich bin Gottes Bodenpersonal und es ist meine Aufgabe, sensibel zu sein, wenn er mit mir was machen will. Aber es gibt halt auch Tage, wo er mich nicht so braucht, wo ich merke: Ich bin ein Hammer und meine Aufgabe ist, ich muss in der Werkzeugkiste liegen, wenn Gott einen Hammer braucht. Aber vielleicht braucht er jetzt im Moment grad ’ne Wasserrohrzange.“

In der Zeit, in der sie zum Glauben gekommen ist, war es vor allem ein Jugendpastor, der sie „sehr stark geprägt hat“. Zugleich spielte aber auch ihr Freundeskreis eine entscheidende Rolle: „Ich bin in die 11. Klasse gekommen und dann kamen aus einer anderen Schule noch ein paar Leute dazu. Und dann hat sich so eine Clique formiert, von denen sind zwei im christlichen Glauben aufgewachsen und wir anderen vier hatten damit bis dato gar nichts am Hut. Und dann haben die uns immer eingeladen zu so Jugendgottesdiensten und inzwischen sind halt drei von uns zusätzlich noch Christen geworden, also das hat unsere Freundschaft auch so total bereichert, richtig cool.“ Als wichtiges Vorbild nennt sie aber auch noch ihren Gemeindepastor: „Der hat nicht mehr so viele Jahre, bis er berentet wird, aber der ist einfach noch so frisch und so jung geblieben, und du spürst ihm seine Liebe für Jesus einfach sowas von ab. Der hat teilweise wirklich Predigten gehalten und da stand er vorne, und er hat sich wirklich auf eine Stufe mit der Gemeinde gestellt und hat auch gesagt: ‚Hey ich hab auch Sachen falsch gemacht.‘ Also, der schämt sich dafür nicht, sondern der steht auch dazu, dass er eben auch nur ein Mensch ist wie wir alle. Und das finde ich einfach absolut authentisch und cool.“

Stefanie bezeichnet sich als „Beziehungsmensch“ und Gemeinde und Gemeinschaft sind ihr ziemlich wichtig: „Also, dass wir eben Wesen sind, geschaffen aus der Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist heraus, um wiederum in Gemeinschaft

zu ­leben. Mit Gott, aber auch eben mit unseren Mitmenschen. Ein Glaube ohne die ­Gemeinschaft ist ein ziemlich armer Glaube, weil da einfach irgendwie was fehlt.“ Dies ist aber nicht nur eine theoretische Überzeugung, sondern etwas, das sie konkret in der ­Gemeinde erfährt: „Ich erlebe das auch immer wieder, dass ich halt in die Gemeinde ­komme und nach dem Gottesdienst ist bei uns immer noch so Bistro, wo man dann einfach beim Kaffee gemütlich zusammensteht und sich unterhalten kann. Wo dann auch einfach Leute im Alter meiner Eltern auf mich zukommen und sagen: ‚Ach Stefanie, wie geht es dir eigentlich? Wir haben länger nicht mehr gesprochen.‘ Und dann sag ich: ‚Ach ja, ist grad ein bisschen stressig. Klausurenphase, blablabla.‘ Und eine Woche später kommt dann: ‚Und wie war deine Klausur, geht es dir jetzt besser?‘ Also, wo ich dann richtig ­merke: ­Leute wollen auch Anteil an meinem Leben haben.“

An der christlichen Gemeinschaft schätzt sie besonders Folgendes: „Du kannst viel offener auf Leute zugehen, viel ehrlicher mit ihnen umgehen, ohne halt jetzt irgendwelche Hintergedanken zu haben, wie ‚Was denkt der jetzt von mir?‘ oder so. So kann man ohne Maske man selber sein.“ Für die intensive Gemeinschaft ist ihr der Hauskreis am wichtigsten: „Es ist dort halt wirklich so, dass, wenn man mich fragt: ‚Stefanie, wie geht es dir?‘ und es geht mir scheiße, dann sag ich auch: ‚Es geht mir grad’ scheiße.‘ Und das kann ich dann auch da so offen und so ehrlich sagen, egal, wen ich vor mir hab. Und das find ich total geil.“

Ansonsten wirkt sie in einer Gemeinde beim Lobpreis mit: „Also ich bin ja auch im Lobpreisteam aktiv und sing da mit.“ Im Alltag empfindet Stefanie sich als „Gottes ­Bodenpersonal“ und betet „dann oft zum Heiligen Geist“. Sie betet generell sehr häufig für sich und für andere. Dabei ist ihr wichtig, Gott mitzuteilen, dass sie ihm sehr dankbar und er das Größte für sie ist. „Ich merk’ auch selber, dass ich so eine Sehnsucht danach hab, ihn einfach intensiver in meinem Alltag zu erleben.“ Neben ihrer Familie sowie der regelmäßigen privaten Glaubenspraxis wie Bibellesen und Beten prägten sie auch viele internationale Autor*innen. Da sie demnächst mehr mit dem Auto fahren muss, ist sie in Bezug auf Gott gespannt, „wie das nochmal meine Beziehung zu ihm verändern wird. Aber ich geh davon aus, dass es das Ganze nochmal intensiviert“, weil „Autofahren ist halt für mich Zeit mit Gott. Ich hab dann kein Radio an, sondern ich bete dann oder singe Lieder und sag ihm einfach das, was ich auf dem Herzen hab oder wir schweigen zusammen oder so“.

Wenn Stefanie in einen traditionelleren Gottesdienst geht, in dem aus einem alten Liederbuch gesungen wird, dann findet sie es „unheimlich schwer, mich darauf einzulassen, ich versuch’s schon immer mal wieder, aber ich merk’ einfach, das ist nicht meine Art, Gott zu loben, was jetzt auch nicht schlimm sein muss, weil wir sind ja alle unterschiedlich geschaffen, aber das ist halt einfach so ’n Spannungsfeld irgendwie“. Etwas ganz anderes ist es auf großen Events, wo Stefanie „gemeinsam mit 500 bis 600 Leuten“ Worshiplieder singt. „Das ist halt einfach krass, dann mitten in der Menge zu stehen und dann Lobpreis zu machen.“

Wie das mit anderen Religionen ist, findet sie „sehr herausfordernd“: „Ich finde, man darf über der Religion an sich den Menschen nicht vergessen. Das ist vielleicht schon so ein bisschen krass zu sagen, weil ich glaube, dass mein Glaube der einzig wahre Glaube ist.“ Sie findet es trotzdem interessant, mit anderen über ihren Glauben zu sprechen, „aber wenn es dann am Ende ausartet und jeder nur recht haben will, finde ich das total schrecklich“. Trifft sie Personen, die nicht an Gott glauben, empfindet sie es als Privileg, dass sie von ihrem Glauben erzählen darf „und ich warte dann einfach ab, was zurückkommt als Reaktion und wenn es die Person interessiert, dann wird sie Nachfragen stellen“. „Aber wenn ich dann merke, dass jemand gar kein Interesse daran hat oder ich jemanden nerve, dann kann ich es auch lassen, weil dann ist das Herz von der Person hart – so hart, dass ich da eh nicht durchkomme.“ Gelassener kann sie an dieser Stelle mittlerweile sein, weil sie irgendwann durch eine Predigt erkannt hat, dass sie nicht „der Hauptakteur“ ist, „damit jemand anderes zum Glauben kommt“. „Wenn wir uns jetzt einfach vorstellen, die Strecke, bis jemand zum Glauben kommt, ist eine Skala von null bis zehn, dann ist meine Aufgabe vielleicht nur, den von 1 auf 1,025 zu bringen, oder von 7

auf 7,2. Und das hat bei mir einfach total viel Druck rausgenommen, weil ich eben nicht denke, ich muss dem jetzt alles, ich muss dem jetzt nicht die Bibel um die Ohren hauen oder so.“ Ein Thema, über das sie gerne mehr in der Gemeinde erfahren würde, ist das Thema Beziehung: „Also zwischen Männern und Frauen und dem Umgang mit dem anderen Geschlecht? Und wie gehe ich vernünftig in eine Beziehung rein, ohne den anderen auszunutzen – also halt so dieser ganze Komplex. Aber es ist ja auch eine Frage, die halt ganz oft gestellt wird: ‚Wie weit kann ich gehen, wo sind die Grenzen?’ Vielleicht ist das schon der ganz falsche Denkansatz, weil, wenn ich frage: ‚Wo ist die Grenze?’, dann guck ich ja nur, wie weit kann ich gehen, um meine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, und dann steht schon nicht mehr die andere Person im Mittelpunkt. Und das find’ ich halt ­äußerst schwierig. Also ich bin auch Single, aber bevor ich zum Glauben gekommen bin, hatte ich einige sehr destruktiven Beziehungen, vielleicht liegt mir das deshalb jetzt auch so auf dem Herzen.“

Allgemeine Beschreibung der „Erweckten“ (Typ 3)

Mit den „Unauffälligen“ zusammen sind die „Erweckten“ der im Durchschnitt älteste Typus, fast zwei Drittel sind junge Erwachsene (20–29 Jahre). Wie die „Höchstleister“ zeichnen sich die „Erweckten“ durch einen exklusiven sowie zugleich unterstützenden Glauben aus. Sowohl in der Art und Weise als auch in der Intensität ihres persönlichen Glaubens ähneln sie sehr stark den „Höchstleistern“. Wie diese bestehen die „Erweckten“ fast ausschließlich aus Hochreligiösen (98 Prozent). Nach den „Höchstleistern“ ist dies der zweitstärkste Wert. Das gleiche Muster zeigt sich bezüglich des Bibellesens und des Gebets. Sie lesen annähernd so häufig in der Bibel wie die „Höchstleister“ (über 87 Prozent lesen mindestens einmal pro Woche, 42 Prozent mindestens einmal pro Tag). Und auch bei der Häufigkeit des Gebets liegen sie mit

89 Prozent mindestens einmal täglich an zweiter Stelle.

In einem weiteren Punkt kommen sie nahezu an die „Höchstleister“ heran. Nach diesen sind sie am ehesten auskunftsfähig über den Glauben. Nicht zuletzt ähnelt auch ihr Gottesbild sehr stark den „Höchstleistern“. Wie diese sind sie überdurchschnittlich der Überzeugung, dass Gott einen Plan für sie hat, in ihr Leben eingreift, Jesus gesandt hat, um sie zu erlösen und dass vor Gott ihre Sünden nicht verborgen bleiben. Der einzige Unterschied zu den „Höchstleistern“ liegt darin, dass sie der Aussage nicht überdurchschnittlich zustimmen, Gott lasse ihnen ihren freien Willen.

Was sonst unterscheidet die „Erweckten“ von den „Höchstleistern“? Es gibt mindestens einen deutlichen Unterschied. Im Gegensatz zu den „Höchstleistern“ weisen die „Erweckten“ eine eher unterdurchschnittliche Gemeindebindung aus, das heißt, sie fühlen sich in ihrer Gemeinde weniger wohl und sind dort schlechter vernetzt als der Durchschnitt der befragten Jugendlichen. Interessant ist zudem, dass sie sich zwar überdurchschnittlich häufig einer Pfingstgemeinde oder charismatischen Freikirche zugehörig fühlen, jedoch überdurchschnittlich häufig an Gottesdiensten teilnehmen, die sie als eher „traditionell“, „liturgisch-rituell“, „lebensfern“ und „für Ältere ­passend“ bezeichnen. Dies klingt zunächst wie ein Widerspruch. Sieht man jedoch den Befund, dass sie deutlich häufiger als der Durchschnitt den Gottesdienst mehrerer Gemeinden besuchen – fast zwei Drittel von ihnen geben das an –, dann ergibt sich ein schlüssiges Bild. Es ist anzunehmen, dass die „Erweckten“ größtenteils aus einer traditionellen Gemeinde (ob Kirche oder Freikirche) kommen, aber gewissermaßen „charismatisch erweckt“ wurden und nun zumindest teilweise zu einer ­charismatischen Freikirche oder Pfingstkirche gewechselt sind bzw. deren Gottesdienste besuchen, zugleich aber ihrer Herkunftsgemeinde verbunden bleiben.

Was sonst ist über die „Erweckten“ zu sagen? Gemeinsam mit den „Ambivalenten“ sind sie der Typus, in deren Erziehung der Glaube die stärkste Rolle gespielt hat. Wie bereits erwähnt, ähneln sich die Typen 1–4 insgesamt stark, auch im Hinblick auf die Haltung zur Sexualethik.

Der oben schon beschriebene hohe Wert von Bibel und Gebet zeigt sich auch darin, dass kein anderer Typus so häufig angibt, persönliches Gebet (70 Prozent) und Lesen der Bibel (62 Prozent) stärke seinen Glauben.Überdurchschnittlich viele lesen zudem christliche Bücher und christliche Zeitschriften, welche (bei ihnen) jedoch einen ­geringeren Stellenwert haben als die Bibel.

Mit Freunden tauschen sie sich häufig über den Glauben aus. 63 Prozent der „Erweckten“ tun dies oft oder sehr oft, was insgesamt den zweithöchsten Wert darstellt. Auch hier lässt sich erneut die Nähe zu den „Höchstleistern“ erkennen. Trotz schlechterer Gemeindebindung sind sie demnach nicht isoliert, sondern gut vernetzt. Auch ihr Gottesdienstbesuch fällt überdurchschnittlich aus. Insgesamt 72 Prozent der ­„Erweckten“ besuchen mindestens einmal pro Woche den Gottesdienst, dies ist aber ein geringerer Wert als bei den „Höchstleistern“ und den „Ambivalenten“.

Ihr Engagement in der Gemeinde ist im Vergleich zu allen befragten Jugendlichen „nur“ durchschnittlich, damit insgesamt aber nicht gering. Bezüglich der Art ihres Engagements stechen die zwei Bereiche Lobpreis sowie Mission/Evangelisation mit überdurchschnittlichen Werten heraus. Bei beiden bilden sie mit den „Höchstleistern“ die Spitzenwerte. Fragt man sie nach den Motiven ihres Engagements, stechen ihre Antworten nur in einem Aspekt heraus: Sie sind überdurchschnittlich dadurch motiviert, aus Verantwortung als Christ zu handeln. Hier bilden sie wieder gemeinsam mit den „Höchstleistern“ den am stärksten ausgeprägten Wert.

Noch viel überraschender ist jedoch, dass sie sich trotz schlechterer Gemeindebindung und lediglich durchschnittlichem Engagement auch überdurchschnittlich häufig vorstellen können später als Pfarrerin oder Pfarrer, Pastorin oder Pastor als auch in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit zu arbeiten. Zu Ersterem sagt knapp ein Fünftel, zu Letzterem knapp zwei Drittel, dass sie sich das vorstellen können. Eine spätere Tätigkeit in der Diakonie können sich viele hingegen überdurchschnittlich oft nicht vorstellen. Bei den Aufgaben der Kirche stimmen sie allen Aspekten überdurchschnittlich häufig zu. Nur bezüglich der Suche nach einem „Gespräch mit Vertretern anderer Religionen“ suchen viele dieses nicht bzw. lehnen es sogar überdurchschnittlich oft ab.

Generation Lobpreis und die Zukunft der Kirche

Подняться наверх