Читать книгу Kommunalrecht Bayern - Tobias Weber - Страница 45
IV. Allzuständigkeit der Gemeinde
Оглавление44
Charakteristisch für die kommunale Selbstverwaltung ist damit die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung. Die Gemeinde entscheidet deshalb als Ausfluss von Art. 28 Abs. 2 GG regelmäßig frei über das Ob, Wann und Wie der Aufgabenerfüllung.[13] Hinsichtlich der Gemeinde ist weiter festzustellen, dass der Ansatz ein universaler ist. Die Gemeinde hat nämlich anders als Landkreis und Bezirk (die nur die Aufgaben in Selbstverwaltung erfüllen, die ihnen gesetzlich zugewiesen sind, Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 BV) sämtliche Angelegenheiten wahrzunehmen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln bzw. einen spezifischen Bezug zur Ortsgemeinschaft aufweisen.[14]
Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben der Menschen in der Gemeinde betreffen.
JURIQ-Klausurtipp
Denken Sie daran, dass bei Gemeinden von Ihnen in der Klausur stets erwartet wird, im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung darzulegen, warum die Angelegenheit eine örtliche ist. Bei Landkreisen und Bezirken haben Sie es insofern einfacher, da deren Aufgaben sämtlich qua Gesetz zugewiesen sind.
45
Das Gesetz stellt damit in Art. 1 GO die im Einzelfall widerlegbare Vermutung auf, dass die Gemeinde für die Wahrnehmung einer als örtlich zu qualifizierenden Aufgabe verbandskompetent ist.[15] Da eine Gebietskörperschaft nicht handlungsfähig ist, ist weiter in Klausuren darauf zu achten, beim Handeln einer Gemeinde im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit zwingend zwischen Verbands- und Organkompetenz zu unterscheiden.
46
Der Kreis der örtlichen Angelegenheiten ist offen und nicht für alle Zeit feststehend. Er variiert auch von Gemeinde zu Gemeinde.[16] Die Aufgabe besteht darin, im konkreten Einzelfall festzustellen, ob die Angelegenheit örtlich oder überörtlich ist. Hiervon hängt ab, ob die Gemeinde als unterste Stufe der Gebietskörperschaften überhaupt zu deren Bewältigung aufgerufen ist. Relevant wird diese Frage überdies bei der Bestimmung des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde (vgl. Art. 7 Abs. 1 GO). In Art. 7 Abs. 1 GO ist normiert, dass der eigene Wirkungskreis der Gemeinde alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfasst.
Beispiele
Wenn es in der Gemeinde zum Absturz von Gesteinsbrocken aus einer in der Mitte des Ortes aufragenden Felswand kommt, ist diese Gefahr eine streng örtlich begrenzte. Die Gemeinde nimmt insoweit eine rein ortsbezogene Aufgabe wahr, nämlich die der örtlichen Gefahrenabwehr aus Art. 6 LStVG (= Landesstraf- und Verordnungsgesetz).
Anders ist dies z.B. bei einer Maßnahme gegenüber einem frei laufenden Kampfhund. Da dieser sich auch außerhalb des Gemeindegebietes aufhalten kann und die Problematik der Kampfhundehaltung eine landesweite Problematik darstellt, ist die Aufgabe überörtlich. Da jedoch Landkreis und Bezirk in Art. 6 LStVG nicht genannt sind, ist die Gemeinde auch zur überörtlichen Gefahrenabwehr berufen.
Hinweis
Denken Sie an dieser Stelle nochmals an das Kommunalrecht als Querschnittsmaterie. Insbesondere in sicherheitsrechtlichen Klausuren ist es erforderlich zwischen örtlichen und überörtlichen Angelegenheiten zu differenzieren. Davon hängt auch die Zuordnung zum jeweiligen Wirkungskreis in Art. 7, 8 GO ab. Näheres dazu später.
47
Vergessen Sie nicht, sich den Art. 83 Abs. 1 BV neben Art. 57 GO zu kommentieren. In der Bayerischen Verfassung sind hier weitere Regelungsgegenstände der örtlichen Kommunalverwaltung genannt.
Zur Lösung der entscheidenden Frage, ob eine örtliche/überörtliche Angelegenheit in Streit steht, helfen nun die Bestimmungen in Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 GO und Art. 83 Abs. 1 BV. So enthält Art. 83 Abs. 1 BV eine exemplarische, nicht abschließende Aufzählung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft.[17] Ergänzend zu Art. 83 Abs. 1 BV wird regelmäßig die vom Bundesverfassungsgericht gewählte Formulierung der örtlichen Angelegenheit herangezogen.
48
Indizielle Bedeutung für die Frage, ob eine Angelegenheit als örtlich/überörtlich zu[18] qualifizieren ist, hat daneben die Größe und Struktur der jeweiligen Gemeinde. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist die Verwaltungskraft (praktische Bewältigbarkeit der Aufgaben) der Gemeinde nicht zu berücksichtigen, da ansonsten der Staat die Finanzausstattung der Gemeinde erhöhen könnte, um so deren Aufgabenspektrum zu erweitern.[19]
49
Sofern Schwierigkeiten bestehen, eine Aufgabe als örtliche oder überörtliche zu qualifizieren, ist der Schwerpunkt der Maßnahme zu ermitteln.[20] Kann ein solcher nicht festgestellt werden, spricht Art. 6 Abs. 1 S. 1 GO für die Vermutung einer örtlichen Angelegenheit (aber nur, sofern gesetzlich keine andere Aufgabenzuweisung ausgesprochen ist).[21]
2. Teil Verfassungsrechtliche Positionen der kommunalen Gebietskörperschaften › B. Selbstverwaltungsrecht › V. Zuständigkeiten von Landkreis und Bezirk als überörtlichen kommunalen Gebietskörperschaften