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3. Teil Aufgaben kommunaler Gebietskörperschaften › A. Gesetzliche Differenzierung zwischen eigenem und übertragenem Wirkungskreis

A. Gesetzliche Differenzierung zwischen eigenem und übertragenem Wirkungskreis

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Jegliches Handeln der kommunalen Gebietskörperschaften lässt sich in Handeln im eigenen Wirkungskreis oder im übertragenem Wirkungskreis unterscheiden, vgl. Art. 6 Abs. 2 GO, Art. 4 Abs. 2 LKrO, Art. 4 Abs. 2 BezO (dualistische Aufgabenstruktur).[1]

3. Teil Aufgaben kommunaler GebietskörperschaftenA. Gesetzliche Differenzierung zwischen eigenem und übertragenem Wirkungskreis › I. Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (am Beispiel der Gemeinde)

I. Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (am Beispiel der Gemeinde)

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Die Aufgaben der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis sind gekennzeichnet durch das Prinzip der Allzuständigkeit. Es besteht ein grundsätzlich offener Kreis der gemeindlich eigenen Aufgaben, während bei Landkreis und Bezirk die eigenen Aufgaben (vgl. Art. 10 Abs. 2 BV) gesetzlich an die Gebietskörperschaft zugewiesen werden (Art. 51 Abs. 1 LKrO, Art. 48 Abs. 1 BezO).[2]

Der eigene Wirkungskreis der Gemeinden wird beherrscht durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV.[3]

Hinweis

Prägen Sie sich an dieser Stelle die gedankliche Verbindung von eigenen Angelegenheiten der Gemeinde und der verfassungsrechtlichen Bestimmung der Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV ein. Die Angelegenheiten, die Ausprägung kommunaler Selbstverwaltung sind, werden einfachgesetzlich dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinde zugerechnet.

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Handelt es sich um eine in der örtlichen Gemeinschaft wurzelnde Angelegenheit, so liegt eine Aufgabe kommunaler Selbstverwaltung vor, die zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde zu rechnen ist. Überwiegend sind dies in der Praxis Aufgaben der Daseinsvorsorge, d.h. die Bereitstellung von Leistungen zur Versorgung der Bevölkerung in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht (z.B. Trink- und Brauchwasserver- und -entsorgung, Bildungseinrichtungen, Verkehrsbetriebe, Freizeiteinrichtungen etc.).

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Maßgebliche Bestimmungen für den eigenen Wirkungskreis der Gemeinde sind Art. 7 Abs. 1, 57 Abs. 1 GO, Art. 83 Abs. 1 BV. Bitte beachten Sie, dass die getroffene Regelung in Art. 57 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GO, wonach die Belange des Natur- und Umweltschutzes zu berücksichtigen sind, nicht geeignet ist, neue Zuständigkeiten der Gemeinde zu begründen.[4] Solche bestimmen sich beispielsweise nach den Vorschriften des BayNatschG.

Wesensmerkmal der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises ist weiter nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 GO, dass die Gemeinden in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises nach eigenem Ermessen handeln. Die Gemeinde entscheidet hier grundsätzlich frei hinsichtlich des „Ob“, „Wann“ und „Wie“ der Aufgabenerfüllung.[5]

1. Pflichtaufgaben

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Im eigenen Wirkungskreis nimmt der Gesetzgeber noch eine weitere Differenzierung vor. Eine Einschränkung des grundsätzlich freien Ermessens bei der Erfüllung der eigenen Aufgaben nach Art. 7 Abs. 1, 2 GO erfahren die Gemeinden im Bereich der gesetzlichen Pflichtaufgaben.[6] So schreibt Art. 57 Abs. 2 S. 1 GO den Gemeinden vor, dass sie (in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit) verpflichtet sind, die aus Gründen des öffentlichen Wohls erforderlichen Einrichtungen zur Versorgung mit Trinkwasser herzustellen und zu unterhalten. Der Gesetzgeber ist also befugt, hinsichtlich gewisser gemeindlicher Aufgaben das Ermessen der Gemeinde zu beschränken. Das Entschließungsermessen der Gemeinde wird in Art. 57 Abs. 2 S. 1 GO beseitigt. Der Gemeinde verbleibt hier insoweit lediglich ein Auswahlermessen.

Weitere gesetzliche Pflichtaufgaben der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis finden sich in Art. 34 Abs. 1 S. 1 BayWG (Abwasserbeseitigung) und Art. 6 LStVG (örtliche Gefahrenabwehr; „örtliche Polizei“).[7]

Hinweis

Prägen Sie sich die drei Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis „Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung und örtliche Gefahrenabwehr“ gut ein. Im letztgenannten Fall verläuft wiederum eine Schnittstelle zum Sicherheitsrecht (die Gemeinde als unterste Sicherheitsbehörde nach LStVG).

2. Sollaufgaben

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Außerhalb der gesetzlich festgelegten Pflichtaufgaben verbleibt es für die sog. Sollaufgaben dabei, dass die Gemeinde sowohl über ein Entschließungs- wie ein Auswahlermessen verfügt. Sie bleibt außerhalb von Art. 57 Abs. 2 GO frei hinsichtlich der Aufgabenerfüllung im eigenen Wirkungskreis.[8]

Hinzuweisen ist abschließend darauf, dass sofern eine Pflichtaufgabe die Leistungsfähigkeit der Gemeinde übersteigt, diese nach Art. 57 Abs. 3 GO zwingend in kommunaler Zusammenarbeit nach dem KommZG (s. unten Rn. 344 ff.) zu erfüllen ist.

Hinweis

Beachten Sie, dass Art. 57 Abs. 3 GO die Schnittstelle zu den Vorschriften über die kommunale Zusammenarbeit darstellt. Wenn die Gemeinde nicht in der Lage ist, eine gesetzliche Pflichtaufgabe sachgerecht zu erfüllen, so muss sie sich insoweit des Instrumentariums der kommunalen Zusammenarbeit bedienen. Diese ist insoweit milderes Mittel zu einer Eingemeindung in eine leistungsfähigere Gebietskörperschaft.

3. Teil Aufgaben kommunaler GebietskörperschaftenA. Gesetzliche Differenzierung zwischen eigenem und übertragenem Wirkungskreis › II. Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises

II. Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises

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Von den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zu unterscheiden sind die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises.


Bei übertragenen Angelegenheiten handelt es sich inhaltlich um materiell-rechtlich staatliche Angelegenheiten, die der Staat nicht durch eigene Staatsbehörden wahrnimmt, sondern aus Zweckmäßigkeitsgründen der bürgernahen Versorgung den Gemeinden zuweist.[9]

Der Unterschied zur eigenen Angelegenheit liegt damit zum einen darin, dass es sich inhaltlich um eine Staatsaufgabe handelt (also keine Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinde) und der Gesetzgeber die Aufgabendelegation vornimmt, vgl. Art. 8 Abs. 1 GO. Der Kreis der übertragenen Angelegenheiten ist damit geschlossen.[10]

Hinweis

Achten Sie darauf, dass anders als bei den eigenen Angelegenheiten der Gemeinde, der Gesetzgeber bei übertragenen Aufgaben stets in den Zuständigkeitsvorschriften die Zuordnung zum übertragenen Wirkungskreis kenntlich machen muss.

Beispiel

Sofern die kreisfreie Stadt eine Baugenehmigung erteilt, tritt sie an die Stelle des fehlenden Landratsamtes. Sie nimmt nach Art. 9 Abs. 1 GO die Aufgaben der Kreisverwaltungsbehörde im übertragenen Wirkungskreis wahr. Art. 54 Abs. 1 Hs. 2 BayBO bestimmt dies noch einmal ausdrücklich.

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Bei den Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises kann die Staatsbehörde der Gemeinde Weisungen erteilen, Art. 8 Abs. 2 GO. Damit steht der zuständigen Staatsbehörde hier das Recht zu, gegenüber der Gemeinde Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen.[11] Dies ist insofern konsequent, als inhaltlich-materiell eine Staatsaufgabe vorliegt, bei der der Staat Direktiven zur jeweiligen Erfüllung geben darf.

Keine praktische Bedeutung hat Art. 8 Abs. 3 GO. Der Gesetzgeber hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.

Beispiel

Im oben (Rn. 64) genannten Beispiel (Erteilung einer Baugenehmigung durch eine kreisfreie Stadt) kann folglich die Regierung als Aufsichtsbehörde (Art. 115 Abs. 1 S. 1 GO, Art. 53 Abs. 1 BayBO) der kreisfreien Stadt Vorgaben zur Erfüllung der Aufgaben als untere Bauaufsichtsbehörde machen.

3. Teil Aufgaben kommunaler GebietskörperschaftenA. Gesetzliche Differenzierung zwischen eigenem und übertragenem Wirkungskreis › III. Klausurrelevante Auswirkungen der Differenzierung nach Wirkungskreisen

III. Klausurrelevante Auswirkungen der Differenzierung nach Wirkungskreisen

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Die Unterscheidung des Gesetzes in Angelegenheiten des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises wirkt sich in folgenden Rechtsbereichen aus:

Relevant wird die gesetzliche Differenzierung im Bereich des nicht mehr prüfungsrelevanten Widerspruchsverfahrens, §§ 68 ff. VwGO. Sofern eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises in Streit steht (Fallbeispiel: Kreisangehörige Gemeinde A erlässt gegenüber B einen Gebührenbescheid nach Art. 8 KAG. B macht von seinem, ihm in Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 AGVwGO eingeräumten fakultativen Widerspruchsrecht Gebrauch und strengt ein Vorverfahren an) bestimmt sich die Widerspruchsbehörde nach § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO, Art. 119 Nr. 1, 110 S. 1 GO; die Widerspruchsbehörde prüft insofern nur die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids; die Zweckmäßigkeit wird zuvor im Abhilfeverfahren nach § 72 VwGO durch die Ausgangsbehörde geprüft. Bei einer Angelegenheit im übertragenen Wirkungskreis bestimmt sich die Widerspruchsbehörde hingegen über § 73 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, Art. 119 Nr. 2 GO; zuständig ist hier nun die Fachaufsichtsbehörde nach Art. 115 GO, die nach Art. 119 Nr. 2 GO die Recht- und Zweckmäßigkeit prüft (Art. 109 Abs. 2 S. 2 GO findet keine Anwendung).

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Weitere Relevanz besteht im Bereich der staatlichen Aufsicht über die Gemeinde. Da der Staat der Gemeinde im übertragenen Wirkungskreis inhaltliche Weisungen zur Aufgabenerfüllung vorgeben kann (Art. 8 Abs. 2 GO), während die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis nach eigenem Ermessen handeln (Art. 7 Abs. 2 S. 1 GO) muss ein Unterschied in der staatlichen Kontrolle der gemeindlichen Aufgabenerfüllung bestehen.

Hinweis

Prägen Sie sich an dieser Stelle die Unterscheidung der gemeindlichen Tätigkeit in eigene und übertragene Angelegenheiten gut ein. Sie benötigen die Differenzierung in die jeweiligen Wirkungskreise erneut, wenn Sie sich die Thematik der Staatsaufsicht über die Gemeinde erarbeiten.

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Der Gemeinde steht nur im eigenen Wirkungskreis eine Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO zu. Nur insoweit kann sich die Gemeinde auf eine Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV berufen. Im übertragenen Wirkungskreis nimmt die Gemeinde eine materiell-inhaltliche Staatsaufgabe wahr. Eine Verletzung eigener Rechte scheidet regelmäßig aus.

Beispiel

Soweit das Landratsamt von der kreisangehörigen Gemeinde die Aufhebung eines Gebührenbescheids verlangt (Art. 112 GO), kann die Gemeinde grundsätzlich gegen diesen rechtlichen Akt klagen, da sie möglicherweise in ihrer gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV verletzt ist. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass der Bescheid des Landratsamtes in rechtswidriger Weise in die Finanzhoheit der Gemeinde eingreift.

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Hinzuweisen ist aber darauf, dass die Frage der Wirkungskreise für die Bestimmung der Passivlegitimation nach § 78 VwGO irrelevant ist. Die Gemeinde bleibt auch bei Wahrnehmung einer inhaltlichen Staatsaufgabe stets ihr eigener Rechtsträger und ist als solcher zu verklagen. Eine Gemeinde wird niemals zur Staatsbehörde, sondern nimmt allenfalls funktional deren Aufgaben wahr (übertragener Wirkungskreis).[12]

JURIQ-Klausurtipp

Die Relevanz der Wirkungskreise sollten Sie gedanklich in der Klausur im Hinterkopf behalten. Sie sollten deren Bedeutung nur dann ansprechen, wenn es tatsächlich für die Lösung des Falles relevant wird. Und stets berücksichtigen: Wenn eine Gemeinde gehandelt hat, ist immer die Gemeinde selbst zu verklagen, niemals der Freistaat Bayern. Die Gemeinde bleibt stets ihr eigener Rechtsträger und nimmt nur funktional Staatsaufgaben im übertragenen Wirkungskreis wahr. Eine Gemeinde wird auch bei Wahrnehmung einer Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis nie zur Staatsbehörde.


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