Читать книгу Pfarrer Gustav und das Inferno von Mainz - Tommi Tunker - Страница 10

Kapitel 1.6.

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Und genau dabei hatte Pfarrer Gustav eines nachts jenes grandiose Erlebnis.

Jenes Erlebnis, das die Welt verändern sollte. Zumindest die Welt in Mainz.

Jedenfalls die Welt des Pfarrers Gustav, und das war schon weltbewegend genug.

Immer schon hatte sich bei dieser Übung ein starkes Sirren in seinem Kopf eingestellt, das immer harmonischer wurde, je mehr er sich an den perfekten Xu Lim herangrinste. Das allein war schon schön, aber das Sirren wurde zu einem Akkord, und dieser Akkord wurde immer harmonischer, je mehr er seine Maske perfektionierte - und irgendwie auch immer himmlischer. Deshalb machte Pfarrer Gustav diese Übung oft und mit besonderer Inbrunst.

Bis eines Tages plötzlich etwas Sensationelles passierte: Der Akkord baute sich gerade auf, wurde harmonischer und intensiver, er war gerade auf dem Gipfel der Glückseligkeit - dies zeichnete sich auch in Form einer wachsenden Ausbuchtung unter der Soutane deutlich ab - als sich plötzlich eine donnernde Stimme in seinem Kopf meldete:

"HALLO, PFARRER GUSTAV!"

Vor Schreck brach seine ganze schöne Maske zusammen, um ein Haar wäre er beim Umfallen aus der Wu Jong Hocke in den Spiegel gefallen, so fiel er aber nur gegen den Stuhl, den er mitriss und dabei mit den hochschnellenden Füßen die Tischdecke herab zog mit allem, was sich gerade so darauf befand: Der halb leeren Weinflasche, dem halb leeren Glas etc. Aber sonst war nichts passiert. Beim Aufrappeln sortierte er sich und sah sich um, doch es war niemand da. Er wischte hastig die Flüssigkeiten auf, die Rote und auch die Gelbe, und begann dann, zu sinnieren und vor allem sich umzusehen. Doch es war nach wie vor niemand da!

"Wer spricht denn?" fragte er vorsichtig, ein paar schüchterne "Hallos" rufend - doch niemand antwortete.

Er sah sich dann noch in seiner ganzen Wohnung um - es war niemand da! Er sinnierte und grübelte, das alles ging nach der dritten Flasche Messwein an diesem Abend schon erheblich langsamer, aber fand keine Erklärung. Er beschloss also, wieder in die Maske des Xu Lim zu gehen und dabei weiter nachzudenken.

Wieder stellte sich das Sirren ein, der Akkord baute sich auf, als er gerade die Zunge einrollte, da fühlte er schon irgendwie, dass dieser Akkord und die Stimme wohl zusammengehörten. Und tatsächlich: Der Akkord erreichte den vollen Umfang, die volle Harmonie, und die Stimme ertönte:

"HALLO, PFARRER GUSTAV!"

Diesmal zuckte er nur ein klein wenig, bemühte sich aber, die Maske zu halten. "Wer spricht denn da?" versuchte er zu sagen, aber wegen der angespannten Maske kam nur ein

"EEÄÄ IIKK EÄÄ AA" heraus.

"DU MUSST SCHON ETWAS LAUTER SPRECHEN!“ donnerte die Stimme.

Wahnsinn!

Die Stimme antwortete!

Er brüllte also noch einmal, den Spiegel vollspukend: "EEÄÄ IIKKK EÄÄÄ AA!"

Diesmal war es richtig laut, Pfarrer Gustav freute sich darüber, aber verständlicher wurde es nicht. Das schien aber die Stimme nicht zu stören, denn Sie antwortete fast feierlich:

"NUN KANN ICH DICH GUT VERSTEHEN! ICH WERDE MICH NUN DIR OFFENBAREN, UND NUR DIR: ICH BIN DER ENGEL IRIEL!"

Wieder fiel Pfarrer Gustav komplett aus der Wu Jong Hocke, ganz zu schweigen von der Xu Lim-Maske, die komplett auseinanderfiel und nahtlos in die Pfarrer-Gustav-schau-mal-blöd-Maske überging.

Die kam häufiger vor, die konnte er auch ohne Spiegel.

Wahnsinn! Ein Engel hatte zu ihm gesprochen! Wahnsinn!

Aber wer war denn der Engel Iriel? Gabriel, den kannte er, und Uriel, den auch, und Ariel, den Waschpulverengel... aber Iriel? Sofort ging er zu seiner kleinen klerikalen Bibliothek, und sucht das Nachschlagewerk, wo etwas über Engel drinstand, um seinen neuen Kontakt wenigstens besser zu kennen.

Aber er fand nirgends einen Engel namens Iriel.

Selbst im Internet suchte er, aber auch hier fand er keinen Hinweis auf einen Engel Iriel

Also beschloss er, ihn zu fragen.

Wieder ging er in die Xu Lim-Maske und in die Wu Jong Hocke, der Akkord stellte sich ein und auch gleich die Stimme.

"DA BIST DU JA WIEDER! BLEIB MAL LÄNGER IN DER LEITUNG, DAMIT ICH DIR WAS ERZÄHLEN KANN!" begann die Stimme in einem für Engel recht schnodderigem Tonfall, wie er fand.

"ES IST WICHTIG, DASS DU VON MIR INFORMIERT WIRST, DENN UNSER KONATKT IST NICHT ZUFÄLLIG ENTSTANDEN! DU BIST EINER DER AUSERWÄHLTEN!"

Wieder hatte Pfarrer Gustav Mühe, die Xu Lim zu halten, aber es gelang ihm einigermaßen und so hörte er die Geschichte des Engels Iriel.

Er fand deshalb in der offiziellen klerikalen Literatur nichts über einen Engel Iriel, weil dieser Engel mit seinen Heerscharen eine Art Geheimdienst war, vermutlich mit Schulterhalfter unter dem weißen Flügelkittel. Und selbst andere Engel wussten darüber nichts Das konnte Pfarrer Gustav gut verstehen, denn auch die hiesigen Geheimdienste wissen bekanntermaßen nichts übereinander, so war das eben. Und vermutlich wusste nicht einmal die gesamte Heilige Römische Erzkatholische Kirche von Iriel, so jedenfalls drückte er sich geheimnisvoll und indirekt aus. Auch war natürlich Iriel nur ein Deckname. Und dieser Geheimdienst suchte wie jeder andere Geheimdienst auch Informanten, und so einer war Pfarrer Gustav gerade eben geworden. Und er war ein begeisterter Bodendienstler geworden, wie Iriel Leute wie ihn nannte. Was Pfarrer Gustav durchaus logisch fand: Die oben, die waren quasi die fliegende Truppe, und er und die anderen unten, das waren die Bodentruppen. So ähnlich hatte es ihm Iriel auch einmal erklärt.

Und so hatte er zwischenzeitlich viele Treffen mit Iriel, er musste ihn informieren, was so in den Zeitungen stand, vor allem in den Kirchenzeitungen, und was er über den Papst so fand.

Wobei sich Pfarrer Gustav manchmal schon fragte, warum der große himmlische Geheimdienst so Banales nicht aus anderer Quelle erfuhr. Und er fragte sich auch, ob der Papst davon wußte. Aber er wagte nicht danach zu fragen, er wollte den Kontakt nicht gefährden.

Allerdings waren die meisten Aufträge schon komisch. Denn schon die "Dienstkleidung" war streng vorgeschrieben: Pfarrer Gustav musste diese Aufträge immer gekleidet mit seiner Soutane erledigen, das war ja ganz in Ordnung, aber drunter ging es drunter und drüber, denn da war vorgeschrieben: Ein Stringtanga, Netzstrümpfe und die roten Pumps mit 10 cm High Heels.

Natürlich war es nicht ganz einfach, die Uniform-Zutaten zu besorgen, aber mit Hilfe von Pater Pedestrius und Pater Beatus Usus schaffte er es schließlich. Und ebenso natürlich war es ungewohnt und schwierig, auf den High Heels zu laufen, abgesehen davon guckten sie immer knallerot unter der Soutane vor. Also übte er das Gehen in seiner Pfarrerswohnung und bastelte sich gleichzeitig Überzieher, die so ähnlich aussahen wie schwarze Gamaschen. Allerdings war der erste Versuch etwas misslungen, die Gamaschen verrutschen immer, was zur Folge hatte, dass entweder die roten Pumps hervorlugten oder er sogar über die Gamaschen stolperte. Das Ganze konnte er auch nicht so einfach "Fuß bei Fuß" zurechtrücken, denn erstens kamen da die Pumps voll zum Vorschein und zudem meistens auch die Netzstrapse. Er musste ja die Soutane leicht lüpfen, um etwas zu sehen.

Nie würde er vergessen, wie er beim ersten öffentlichen Versuch - gottseidank weit außerhalb seiner Gemeinde und mit Sonnenbrille und Hut, er lobte sich heute noch ob dieser planerischen Weitsicht! - über exakt jene Gamaschen gestolpert war. Dummerweise gerade dann, als er ein Straßencafe passierte, wo einige Tische besetzt waren und auf anderen Tischen noch Geschirr vergangener Gäste stand. Er stolperte, fiel, riß natürlich einen dieser Tische samt Geschirr mit sich, dennoch rollte er sich zwar relativ kunstvoll ab, aber inmitten dieser Übung standen zwangsläufig sowohl die roten Pumps als auch die Netzstrumpfhosenbeine senkrecht nach oben, während die Soutane gemeinerweise wie verhext von der Erdanziehung nach unten gerissen wurde. Und so ragten vielleicht für einen winzigen Augenblick, für Pfarrer Gustav aber eine Ewigkeit zu lang, diese pikanten Details seiner himmlischen Geheimdiensttätigkeit senkrecht emporgereckt und vermeintlich ewig lang in den strahlend blauen Sommerhimmel. Nie würde er vergessen, wie er sich unter fragenden Blicken und beginnendem Gekichere wieder aufraffte, wobei dies durch die Stöckelschuhe und dank des mittlerweile abgebrochenen rechten Stöckels auch nicht ganz so einfach war.

Den abgebrochenen Stöckel bekam er übrigens von einer älteren Frau nachgetragen....

So war es nicht ganz einfach, Engel Iriels Vorgaben zu erfüllen, schon was die Kleiderordnung betraf - aber die Aufträge waren noch seltsamer.

Pfarrer Gustav und das Inferno von Mainz

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