Читать книгу Pfarrer Gustav und das Inferno von Mainz - Tommi Tunker - Страница 6

Kapitel 1.2.

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Seine Familie und er waren ja nicht unbedingt geborene Weinkenner, kamen sie doch aus einer Güllefabrik in Fallingbostel aus Niedersachsen in der Nähe der Großstadt Hannover, die ebenso krampfhaft wie erfolgreich versuchten, das Abfallprodukt "lebendes Schweinefleisch" über Spanienimporte und Frankreichsubventionen in Sizilien günstig zu entsorgen. Man munkelte scherzhaft, es werde mit EG-Subventionen im Ätna verbrannt, deshalb rauche der so und stinke so nach...

"Na ja, ist ja egal... ist ja auch kein Wunder, bei dem was wir den Viechern alles verfüttert haben!" dachte Pfarrer Gustav bei der Gelegenheit schmunzelnd.

Immerhin hatte Pfarrer Gustav bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr am Hof der Eltern gelebt und natürlich auch im Stall mitgeholfen, wie es bei ländlichen Betrieben üblich war. Allerdings war er unter seinen drei Brüdern immer der schmächtigste und auch irgendwie immer der ungeschickteste; wenn einer der Jungs einen Zinken der Heugabel im Fuß hatte, dann war mit Sicherheit er es. Seine Eltern konnten da unzählige Geschichten dieser Art erzählen. Sie beschlossen schließlich, dass er derjenige unter den vier Söhnen sein sollte, der der heiligen Kirche zur Verfügung gestellt wird. Das Mönchstum war ja nicht mehr so modern, also musste Gustav Pfarrer werden. Auch in Fallingbostel war man diesbezüglich ähnlich konservativ wie in Sizilien: Eines der Kinder musste Pfarrer werden oder ins Kloster gehen, um für die Sünden der Restfamilie geradezustehen.

Das ist der alte Brauch, den die Italiener schlauerweise eingeführt haben: Solange einer aus der Familie bei der Kirche war, war es auch OK, wenn alle anderen bei der Mafia waren. Das hat sich sozusagen aufgewogen und alle haben gegenseitig profitiert. Die Mafiamitglieder profitierten dahingehend, dass sie regelmäßig in verschwiegener Umgebung die Beichte abgelegen konnten, und deshalb konnten sie ungestraft ihren Geschäften nachgehen - sie kamen aufgrund dieser Beichte am Ende ihres meist kurzen Lebens ohnehin alle sofort und garantiert in den Himmel, obwohl: So genau hat dies auch noch keiner bestätigen können.

Aber es war einfach so. Es musste so sein! Basta!

Und von solcher Art des "Gentlemans Agreement" hat immer schon jede Partei profitiert: Im Himmel flogen jetzt vermutlich die Engel mit Schulterhalftern und Sonnenbrillen herum, und am Boden hatte die Kirche immer gesicherten Nachwuchs für den unbeliebten, weil theoretisch frauenlosen Job. Und so war es überall auf der Welt, auch in Fallingbostel in Niedersachsen.

Allerdings war der Hof von Pfarrer Gustavs Familie schon lange nicht mehr der gleiche, den seine Eltern damals geführt hatten. Mittlerweile hat sein großer Bruder den Hof übernommen und ihn radikal nach EU-Richtlinien umgestrickt. Schweinefleisch bekam man nämlich nicht mehr so leicht los, wegen dem Überangebot.

Und genau deshalb hat er die Schweinehaltung mit EU-Empfehlungen und letztendlich auch mit EU-Subventionen konsequenterweise radikal aufgestockt: von ehemals 76 Schweinen auf dem Hof seiner Eltern auf heute über siebentausend Viecher in einem vierstöckigen Stall, und zudem fuhr er nun eine ganz andere, wesentlich profitablere Schiene:

Schweinescheiße.

Das Geldverdienen mit dieser sogenannten Gülle war da schon einfacher, die wurde einfach mit EU-Subventionen in der Nordsee versenkt, da man mit der Masse an Scheiße der subventionierten Gigahöfe vor allem im Norden Deutschlands an Land gar nicht wusste, wohin damit. Deshalb hat man erst die Höfe subventioniert, damit sie größer wurden und dann logischerweise die Güllebeseitigung, weil die ja auch größer wurde. Und das mit der Gülle-Nordseeversenkung brachte richtig Profit, und deshalb tat sich auch schnell der Bruder von Pfarrer Gustav mit spanischen und italienischen Olivenbauern und einem ostfriesischen Reeder zusammen. Die Südländer wiederum bekamen nämlich auch viel Subventionen, wenn sie die Oliven vernichteten, und die vernichteten sie dadurch, indem sie sie dem niedersächsischen Bauern für die Schweine lieferten. Wofür der spanische und der griechische Transportunternehmer dann auch und höchst gerecht seine Subventionen für den Transport bekam. Der Bauer wiederum verfütterte die Oliven an die Schweine, die waren das ölhaltige mediterrane Futter natürlich nicht gewohnt und hatten Dünnschiss ohne Ende. Was auch gewollt war, denn das erhöhte die Produktivität am Edelprodukt Schweineschiss. Und dieser wurde dann ertragreich in der Nordsee verklappt. Dafür sorgte der ostfriesische Reeder, der hatte nämlich mit EU-Subventionen ein Schweinegüllespezialverklappungsschiff bei einer EU-bezuschussten ehemals ostdeutschen Werft, nun unter dänischer Führung, bauen lassen.

Die Schweine wiederum wussten von all dem nichts. Deren einziges Problem war, dass sie durch den andauernden Olivendünnschiss meistens so geschwächt waren, dass sie die Fahrt bis zur Entsorgung in Südsizilien teilweise nicht mehr lebend schafften.

Das mussten sie aber lebend schaffen, wegen den Subventionen! Sie wurden in Sizilien ja zu absolut sauberem Tiermehl verarbeitet, das dann wiederum den anderen Schweinen unter die Oliven gemischt wurde. Also gab es auch dafür Lösungen. Viele Schweine wurden einfach - subventioniert durch das Amt für Agrarwirtschaft - in Narkose gesetzt und so transportiert, in Härtefällen wurde schon das einzelne Schwein im Sanitätswagen mit Blaulicht und mit einem Zivi, der einen Schweinetropf mit Olivenöl drin hält, von Fallingbostel nach Südsizilien gebracht.

Das Schwein trug dabei übrigens Windeln, wegen des Durchfalls. Und diese Windeln wiederum waren ein Spezialprodukt aus Belgien. Die herstellende Firma hat auf der letzten landwirtschaftlichen EU-Leistungsschau auch höchst konsequent den landwirtschaftlichen EU-Leistungspreis bekommen, denn diese Windeln hatten einen außerordentlichen Nebeneffekt: Sie wurden nämlich anschließend mit einem prämierten Spezialshredder (von einer Firma in Holland, EU-prämiert) zerschreddert und dann mit der Gülle vermischt. Auf diese Weise wurde das entstehende Edelprodukt schwerer und sank damit schneller auf den Nordseeboden, ohne dass ein ganzer Güllesee auf der Wasseroberfläche bis an die Küsten und mitten in die Badegäste von Helgoland trieb.

Obwohl - die Touristen und die Reiseveranstalter hatten sich schon darauf eingestellt. Man bot das Ganze zum Gesundheits-Spezialangebot als "Moorbad in der Lagune" an.

Und im Übrigen schmückt den kleinen Ort seit einigen Jahren der Zusatz "Bad", der Bürgermeister ist ganz stolz auf sein "Bad Fallingbostel": Man hat sich auf Moorbäder spezialisiert, die besonders heilsam sein sollen.

Noch am Ankunftsort in Sizilien bekam das hoffentlich noch ein bißchen lebende Schwein dann den Bolzen, denn abgerechnet wurde mit den EU-Kommissaren in Südsizilien nach verbrauchten Bolzen (an denen zwecks der Abrechnung noch etwas Schweinehirn dranhängen sollte), die Krankenfahrt mit Blaulicht wurde abgerechnet mit der Krankenkasse und der Pflegeversicherung der jeweiligen Ortskrankenkasse des Startortes, hier Fallingbostel, die Kadaverentsorgung geschah nach sizilianischem Recht, wobei jeder Kadaver entsprechend bezuschusst wurde, je nachdem, ob er zwei Beine hatte oder vier. Und schließlich wurde die Windel mit Barcode zwecks Registrierung und anschließender Abrechnung erfasst und zum Zwecke des Zerschredderns entfernt.

Und so hatte in ganz Europa schließlich jeder was davon, dass die Hochleistungswerfersau aus Fallingbostel mittlerweile drei mal im Jahr einen Rekordwurf von 22 Ferkeln hat, die dann eurokratisch gewinnbringend scheißend in Kraft treten können, bevor sie irgendwo in Sizilien ebenso gewinnbringend auf den Müll geworfen werden.

Pfarrer Gustav musste schmunzeln über die Clevernis seines großen Bruders, der das alles perfekt in Szene setzte. Er hatte den kleinen elterlichen Hof ausgebaut in eine moderne Schweinescheißegüllefabrik, die über siebentausend Mitglieder der produzierenden Klasse waren untergebracht in vierstöckigen Ställen mit Aufzug, Klimaanlage und Videounterhaltung. Besonders beliebt war übrigens das Dschungelcamp wegen der leckeren Maden und „Marienhof“, da war der Gülleertrag am höchsten, wie man in einer aufwändigen Studie - EU-finanziert - eindeutig nachweisen konnte. Und letztens bekam der Hof sogar Besuch vom amtierenden EU-Kommissar, und der lobte dann auch den nach EU-Normen mustergültig geführten Hof.

Das war übrigens jener EU-Kommissar, der den Lappen und den Samen per EU-Beschluss vorschrieb, die Rentiere für den Eigenbedarf in Südsizilien schlachten zu lassen, weil diese nicht wie bisher, auf offenem Feld, sondern in einem EU-zertifizierten Schlachthaus geschlachtet werden mussten. Denn das offene Feld konnte dummerweise den Hygienebestimmungen der EU-Richtlinien nicht entsprechen. Dafür hatte ein findiger Unternehmer gleich Stall-Kühlzüge für den Lebendtransport von Rentieren bei minus zehn Grad nach Südsizilien bauen lassen. Und auch dieser Unternehmer hatte den Innovationspreis der Eurokraten redlich verdient für „außerordentliche, eminent praxisgerechte landwirtschaftliche Neulösungen“. Diesen Preis hatte übrigens der EU-Kommissar ins Leben gerufen.

Allerdings konnte es schon einmal passieren, dass bei der Abrechnung ein Rentier aus Lappland mit einem Schwein aus Fallingbostel verwechselt wurde – aber das waren Kleinigkeiten und dieser Fehler wurde spätestens beim Abrechnen des Geweihs bemerkt.

In Fallingbostel hatten nämlich die EU-Schweine keine Geweihe, so einfach war das!

Außer, man hatte eine Ausnahmegenehmigung vom EU-Kommissar.

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