Читать книгу Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K. - Torben Stamm - Страница 15

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„Und, warst du nochmal bei Opa?“ Friedrichs Mutter klang sehr neugierig. Friedrich saß am Küchentisch und schmierte sich ein Brot, während er den Hörer zwischen Schulter und Ohr einklemmte. Sehr bequem. Einfach perfekt, um Abendbrot zu essen.

„Nein. Im Moment habe ich halt viel zu tun und er ist schon seltsam.“

„Ich weiß...“

Friedrich biss in sein Brot: „Er ist etwas... schrullig. Er will immer, dass ich ihn Sieze.“

Seine Mutter lachte: „Ja, er hat so seine Marotten. Aber ganz ehrlich: Haben wir die nicht alle? Dein Vater ist auch nicht immer so einfach.“

Friedrich nahm den Hörer in die Hand: Er würde mit dem Essen warten: „Naja, aber Papa hat auch sehr viele liebevolle Seiten. Ich weiß nicht, wie der eine Frau finden konnte. Bei dem Charme.“

Stille am Ende des Hörers. Friedrich stutzte: Seine Mutter war nicht gerade für Wortfindungsstörungen bekannt, sondern für ihre Schlagfertigkeit.

„Was ist?“, fragte er. Hatte er einen wunden Punkt erwischt?

„Ach, nichts.“

„Was ist denn?“

Seine Mutter zögerte. Dann sagte sie langsam: „Du solltest über Oma nichts sagen. Zumindest solange nicht, wie er von sich aus mit dem Thema anfängt.“

„Warum?“

„Das möchte ich dir ehrlich gesagt nicht sagen. Er sollte selbst entscheiden, ob er dir davon erzählen möchte.“

Friedrich legte seine Stirn in Falten: Das war seltsam.

Nach dem Telefonat machte Friedrich es sich auf dem Sofa bequem und schaltete den Fernseher ein, während er mit seinem Handy im Internet surfte. Seine Entspannung wurde allerdings unterbrochen, als es an der Tür klingelte.

„Was soll das denn?“, fragte er sich selbst, während er auf die Uhr sah. Neun Uhr! Er ging zur Tür und drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage: „Ja?“, fragte er.

„Ich bins“, kam die Antwort - aber nicht aus der Gegensprechanlage, sondern von der anderen Seite der Tür! Friedrich sah durch den Spion: Vor seiner Wohnungstür stand sein Großvater und schaute grimmig auf das Guckloch. Friedrich verdrehte die Augen: Der Kerl hatte nicht nur irgendwelche Marotten, sondern ernsthafte Probleme.

„Wenn du mich noch länger durch das Loch anguckst, musst du einen Euro dafür zahlen“, sagte der Alte. Friedrich öffnete die Tür: „Was willst du hier?“

„Was wollen SIE hier!“, verbesserte Bernd seinen Enkel. Der schüttelte den Kopf: „Dann eben Sie. Aber eine Antwort schulden SIE mir trotzdem.“

„Stimmt“, gab Bernd zu. „Aber das sollten wir in der Wohnung besprechen.“ Er warf einen Blick über die Schulter.

Friedrich trat einen Schritt zurück und ließ seinen Großvater eintreten. Der marschierte zielsicher durch den Flur, bog in das Wohnzimmer ab und setzte sich in den Sessel, neben den er eine abgewetzte Ledertasche stellte.

„Ich sehe, Sie haben es sich schon bequem gemacht“, stellte Friedrich fest.

Bernd nickte. Dann runzelte er die Stirn: „Was ist das denn?“, fragte er und zeigte auf das Fensterbrett.

Friedrich folgte seinem Blick und antwortete irritiert: „Meine Smartwatch.“

„Was für ein Ding?“

„Das ist eine Uhr, die ich mit meinem Handy verbinden kann. Dann kann ich mit ihr telefonieren, Mails lesen und so weiter.“ Er sah seinen Opa an: „Haben Sie ein Handy?“

Bernd schüttelte entschlossen den Kopf: „Ich hasse die Dinger! Die machen nur Stress. Und man ist jederzeit erreichbar! Wer will denn sowas?“

Friedrich zuckte mit den Schultern: „Ist ja auch egal. Ich denke, Sie möchten nicht mit mir über die Vor- und Nachteile des digitalen Zeitalters diskutieren. Zumindest hoffe ich das, denn ich bin ziemlich kaputt und würde gerne mal abschalten.“

„Werden Sie nicht frech! Und wenn Sie abschalten wollen, sollten Sie dieses Uhren-Teil als Erstes wegschmeißen.“

„Frech ist es, um diese Zeit unangemeldet aufzutauchen.“

„Sie hatten sich auch nicht angemeldet.“

„Da war es mittags. Jetzt ist es neun.“

Bernd schüttelte den Kopf: „Junge. Sie sind noch jung. Neun ist doch keine Zeit!“

Friedrich nahm seufzend auf dem Sofa Platz.

„Möchten Sie mir nichts zu trinken anbieten?“, fragte Bernd. Friedrich schaute kurz zur Decke, dann fragte er: „Was möchten Sie denn trinken?“

„Nichts.“

„Warum soll ich Ihnen dann was anbieten?“

„Weil man das so macht. Ich hätte ja Durst haben können. Bei mir haben Sie auch einen Kaffee bekommen.“

Friedrich lehnte sich auf dem Sofa vor: „Was wollen Sie? Ich hatte den Eindruck, Sie haben bei unserem letzten Treffen sehr deutlich gemacht, dass Sie kein Interesse an einem weiteren Treffen haben.“

Bernd schüttelte den Kopf: „Das stimmt so nicht. Ich habe Sie nur darum gebeten, mich nicht spontan zu besuchen.“

Friedrich starrte ihn fassungslos an: „Und was ist das dann hier? Wo ist der Unterschied?“

„Naja: Ich habe Sie jetzt unangemeldet besucht. Dadurch konnte ich mich entsprechend einrichten und vorbereiten.“

„Vorbereiten? Ich würde sagen, Sie kommen jetzt mal zur Sache.“

Bernd nickte: „Gute Idee. Sie haben gesagt, dass ein gewisser Dorfler die Untersuchung bei dem Diebstahl leitet. Ich hatte mal mit ihm zu tun und er ist ein sehr unangenehmer Zeitgenosse.“

„Woher kennen Sie ihn?“

„Ich bin überfallen worden. Sehr unschöne Sache. Ich habe ja gesagt, dass ich nur U-Bahn fahre. Ich war abends in der Kneipe, weil der FC gespielt hat. Derby! Hat gegen die verdammten Fohlen ordentlich Prügel kassiert. Auf jeden Fall habe ich aus Frust ein paar Kölsch zu viel gehabt und das haben sich ein paar Kerle zunutze gemacht. Dorfler sollte den Fall bearbeiten, allerdings hat er nur das Nötigste getan und die Kerle natürlich nicht bekommen. Hat mir unterstellt, ich wäre ein alter Säufer und wäre selbst schuld gewesen.“

Friedrich sah seinen Opa misstrauisch an: Die Geschichte wirkte nicht sehr glaubhaft, allerdings kannte er diesen Mann nicht und er hatte keine Ahnung, was der Alte in seiner Freizeit so trieb.

„Und das war so wichtig, dass Sie jetzt hier auftauchen mussten?“

„Sie sind mein Enkel und ich war in der Gegend.“

„Spielt wieder der FC und Sie waren in der Kneipe?“

Opa Bernd erhob sich: „War wohl ein Fehler. Wollte nur helfen.“ Er verließ das Wohnzimmer und ging zur Haustür. Hier blieb er stehen und drehte sich zu Friedrich um, der ihm gefolgt war.

„Seien Sie vorsichtig“, sagte Bernd. „Passen Sie auf, was Sie bei Dorfler sagen und machen. Geben Sie ihm nichts Schriftliches. Auch wenn es noch so unwichtig zu sein scheint, er wird es gegen Sie benutzen, wenn er kann.“ Damit drehte er sich um, öffnete die Tür und verschwand. Friedrich machte sich nicht die Mühe, so zu tun, als würde er ihn aufhalten wollen. Er schloss einfach die Tür hinter ihm. Dann ging er nachdenklich wieder ins Wohnzimmer zurück.

Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K.

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