Читать книгу Operation Jerusalem - Trauboth Jörg H. - Страница 13

1.2

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Sie blickten sich in Lauerstellung an. Verharrten wie eingefroren. Plötzlich griff Thomas mit beiden Armen zu, zog Marc mit einer blitzschnellen Bewegung über seinen Rücken und ließ ihn mit einem Tai-otoshi-Körpersturz auf den Boden krachen. Marc rappelte sich hoch.

Wieder standen sie sich gegenüber. Der schlanke durchtrainierte Marc wehrte den Angriff vom dem im Kraftraum gestählten Hünen Thomas ab, indem er dessen Handgelenk griff, ihm einen Schlag auf die Brust versetzte, sich unter Thomas Schulter schob und ihn mit einem perfekten Jiu-Jitsu-Schulterwurf zu Boden brachte.

Es krachte gewaltig in der Halle.

Marc zog seinen Freund nach oben.

Beide verneigten sich.

Die anderen vier Männer, allesamt ehemalige Elitesoldaten der deutschen Spezialkräfte, klatschten.

„Schluss für heute, Männer! Das war ein langer Tag. Nächstes Mal mit Waffen!“

Sie gingen unter die Dusche und waren wenig später auf dem Weg durch das dunkle Hamburg nach Hause. Doch sie blieben in Abrufbereitschaft.

Marc Anderson, der ehemalige Hauptmann des Kommandos Spezialkräfte (KSK) war mehr als zufrieden. Seitdem er als Chef seiner eigenen Firma Maritime Security Services (MSS) weltweit mit diesen Männern unterwegs war und MSS zu einer Marke unter den Reedereien werden ließ, ging es ihm in jeder Hinsicht gut. Fast so wie damals, als er mit seinen beiden KSK-Brüdern Thomas und Tim noch am Hindukusch gegen die Taliban gekämpft hatte.

Doch sie waren nur noch zwei. Tim lag nur wenige Kilometer weiter auf einem Hamburger Friedhof.

Marc hatte lange gebraucht, um die traumatischen Ereignisse mit Tim zu verkraften. Das Bild an der algerischen Felsenküste hatte sich derartig eingebrannt, dass er nachts oft hochschreckte. Er sah Tims Gesicht, den entsetzten Blick vom zögernden Thomas, die wirbelnden Geldscheine und Tims hilfeschreiende Augen unter Wasser. Immer und immer wieder.

Aber jetzt war es gut. Er half Thomas, den Verlust zu verarbeiten und Thomas ihm. Für Tim war Hermann, der ehemalige Hauptfeldwebel des Kommandos Spezialkräfte ins Team gekommen. Marc hatte ihn in Spanien wiedergefunden und ihn nach Deutschland geholt. Die neue Brüderschaft bewährte sich bestens.

Die drei hatten sich auf Schiffssicherheit spezialisiert. Aber anders als die Konkurrenz, fuhren sie eher selten auf den Schiffen mit, die auf gefährlichen Routen operierten wie in Südostasien und im Golf von Guinea und besonders in den Gewässern vor Nigeria. Sie wurden gerufen, wenn der Ernstfall eingetreten war. Der Trupp hatte sich darauf spezialisiert, gekaperte Schiffe zu entern, aus der Luft, aber am liebsten vom Wasser aus. MSS hatte damit ein Alleinstellungsmerkmal in der ohnehin sehr überschaubaren Branche.

Die Einsätze wurden so gut bezahlt, dass sich die Gruppe logistisch und personell auf einem Stand befand, den man eher nur bei den U.S. Navy SEALs kannte oder den Spezialkräften der Deutschen Marine. Bei denen hatte sich der Ruf der Hamburger MSS unter Leitung des legendären Marc Anderson so weit herumgesprochen, dass regelmäßig Bewerbungen eintrafen.

Inzwischen waren sie zu sechst. Die anderen drei kamen aus dem Kommando Spezialkräfte Marine (KSM) Eckernförde zu Marc. Ehemalige Kampfschwimmer (KS), die über zwölf Jahre stolz den Fisch, das Abzeichen der Kampfschwimmerkompanie, getragen hatten und aus Strukturproblemen eher ungern ausgeschieden waren.

Die drei Marinesoldaten waren hervorragende Schwimmer und Taucher und, wie die drei anderen Kameraden, herausragende Einzelkämpfer.

Fachlich verfügte die Maritime Security Services über Spezialisten für Tauch- und Waffentechnik, Kommunikation und medizinische Grundversorgung. Jeder war neben seiner spezifischen Aufgabe in der Lage, die Aufgabe des anderen zu übernehmen.

Marc hatte großen Wert darauf gelegt, dass in der MSS die modernste Ausrüstung und Waffentechnik sowie eine umfassende Kenntnis über neueste Einsatztaktik vorhanden waren, denn die Piraten lernten schnell. Ziel von MSS war es, ihnen immer ein Stück voraus zu sein. Da alle sechs im Großraum Hamburg wohnten, konnten sie innerhalb weniger Stunden ausrücken.

Einmal in der Woche war Übung unter härtesten Einsatzbedingungen angesagt. So wie heute Nacht, als sie im sieben Grad kalten Wasser blasenfrei tauchend mit dreißig Kilogramm Gepäck am Körper ein in der Elbmündung havariertes Containerschiff enterten. Das Entern erfolgte relativ zügig, aber dieses Mal hatte Marc eine „Feinddarstellung“ an Bord gebracht, die es zu überwinden galt. Hier zeigte sich das ganze Können des Teams.

Und trotzdem hätten zwei es nicht überlebt.


Als Marc in die Garage einfuhr, stand Karina Marie bereits in der Haustür, zog ihre langen schwarzen Haare nach hinten und breitete die Arme einladend aus.

„Komm rein“, sagte sie geheimnisvoll, „es gibt Neuigkeiten.“

„Marie, du wirst doch nicht das Schiff wechseln?“

„Ja, Marc, ich habe eine Anfrage der Hamburg Executive Lines bekommen, drei Monate als Hotelmanagerin zu arbeiten.“

Marc hob ihr Kinn, sah in ihre strahlend braunen Augen und strich ihr liebevoll über die Stirn. In ihrer weißen Bluse und sieben Achtel-Hose sah sie bezaubernd aus.

Karina Marie war inzwischen auf verschiedenen Schiffen als Hotel- und Kreuzfahrtdirektorin gefahren. Sie liebte diese Arbeit auf See, und sie erinnerte sich, wie schwer die Entscheidung für diesen Job gewesen war, nachdem sie eine Entführung auf der Princess Charlotte überstanden hatte. Das war inzwischen lange her und auch kein Thema mehr, zumal ihr Leben sich völlig verändert hatte.

„Und was treibt dich auf dieses Schiff?“, wollte er wissen.

Sie gingen durch das Wohnzimmer und schauten durch die Sprossenfenster auf die Elbe hinunter. Unten fuhr elbabwärts majestätisch die schwarz-rot bemalte Queen Mary 2, sicherlich wieder unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, in den Hamburger Hafen. Zwei Containerschiffe kamen ihr entgegen. Karina Marie liebte diesen Ausblick. Sie war Hamburgerin, entstammte einer Kapitänsfamilie, und sie liebte das Wasser.

„Ganz einfach, dreitausend Menschen und mehr sind mir einfach zu viel. Ich organisiere vierundzwanzig Stunden durch und lerne niemanden kennen. Meine Gäste kennen mich überwiegend nur von Lautsprecherdurchsagen. Die Zusammenarbeit mit der Crew ist wunderbar, meine Kapitäne waren bisher einsame Spitze, sofern ich sie gesehen habe, aber ich bin schon länger bereit für etwas Kleineres“, sagte sie.

„Um welches Schiff geht es?“

Sie zog ihn ins benachbarte Esszimmer zum gedeckten Abendtisch und nahm im Vorbeigehen aus dem kleinen Kapitänsschreibtisch ihres Vaters einen Prospekt aus der Schublade.

Er sah das Bild einer Megayacht mit einer unglaublich eleganten Linie.

„Wow! Das ist doch die brandneue deutsche SUNDOWNER der Hamburg Executive Lines! Der angeblich aktuell aufregendste private Schiffsbau der Welt! Mega!“

„Genau das Richtige für deine Mega-Frau!“

Marc las die technischen Daten:

140 Meter lang,

18 Meter breit,

25 Knoten,

40050 PS,

zwei Propeller,

bis zu 35 Mann Besatzung.

Räume für 20 Gäste, sechs Decks, Pool, Kino, Disco, Jet-Ski, vier mitgeführte Motorboote, Hubschrauberlandeplatz mit Hangar, Tendergarage mit Klein-U-Boot und ein All Around Security System. Wird nur pro Woche vermietet, so der Text.

Er schaute sich die Zeichnungen unter dem Sicherheitsaspekt genauer an. Viel wurde nicht verraten, aber vermutlich verfügte das Schiff über gepanzerte Bullaugen. Außerdem Scheinwerfer unter der Wasserlinie, um Taucher in der Nähe erfassen zu können. Weiter hieß es noch kurz und knapp im Kleingedruckten:

U-Boot und das Raketenabwehrsystem wurden von einer französischen Werft nachgerüstet. Nutzung jedoch aufgrund des deutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes auf einer Privatyacht nicht möglich. Alle militärischen Komponenten für Charter deaktiviert.

„Meine Güte, das ist ja ein Zerstörer mit Wellness-Ambiente!“

„Richtig, Marc, und das ist ziemlich wichtig für meine Entscheidung. Auf diesem Schiff darf ich mich auf einen Top-Ser-vice für exklusive Gäste konzentrieren.“

Er legte den Prospekt zur Seite.

„Du willst es also wirklich, Liebes?“

„Ja, ich will!“

„Warum kommt mir dieses ICH WILL irgendwie bekannt vor?“, grinste er, „und warum weiß ich, dass das bei dir endgültig ist?“

„Weil ich hier bei dir bin, Marc“, lachte sie zurück, „komm lass uns das in Ruhe beim Abendessen besprechen.“

Im Gehen schaltete er über sein Smartphone die Surround-Anlage ein.

„Magst du etwas spanische Gitarrenmusik hören?“

Sie überlegte kurz:

„Noch lieber etwas von unserer Fado-Musik.“

„Fado, heute Abend? Das hat bestimmt einen Grund.“

„Ja, die SUNDOWNER wird in Lissabon für den nächsten Einsatz vorbereitet. Ich möchte mich schon einmal einstimmen“, bemerkte sie betont gelassen. Sie mochte kaum zeigen, wie sehr sie das Angebot freute, auf der weltbesten Megayacht die Hotelmanagerin zu sein.

„Wann soll es eigentlich losgehen?“

„Die Reederei sagt, wenn ich den Job möchte, soll ich mich ab sofort für einen Einsatz in den nächsten Wochen bereithalten. Die Kern-Crew sei schon in Lissabon. Sobald ein neuer Charter unter Vertrag sei, will man mich informieren.“

Er blickte zu ihr hinüber. Ihre Wangen waren leicht gerötet, die Augen strahlten. Mit ihren knapp dreißig Jahren wirkte sie jetzt wie ein kleines Mädchen, das das ganz große Los gezogen hatte.

Karina Marie war dankbar, dass Marc so vorbehaltlos hinter ihr stand. Bevor sie zusammenzogen waren, hatten sie vereinbart, dem anderen größtmögliche berufliche Freiheit zu lassen. Vor allem so lange sie noch kinderlos waren, auch wenn sie bereits auf ihr erstes Kind hofften.

Operation Jerusalem

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