Читать книгу Operation Jerusalem - Trauboth Jörg H. - Страница 14
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ОглавлениеDer Präsidentensohn blickte vom Eingang des Weißen Hauses auf die Machtzentrale. Immer noch bekam er eine Gänsehaut.
Was für ein Bau, dachte der Präsidentensohn David wieder einmal, als er vor dem Eingang des Weißen Hauses stand. Von außen schlicht kolonial aber darunter eine atombombensichere Festung.
Die Flagge auf dem Dach wehte im steifen Wind und jemand draußen vor der Absperrung meinte, dieses sei ein untrügliches Zeichen, dass der Präsident im Haus sei, so wie bei der englischen Queen, die vor Ort sei, wenn die Flagge über dem Buckingham-Palast wehte.
David wusste, dass Vater heute tatsächlich anwesend war. Aber nicht wegen der riesigen Flagge, die immer gehisst war, sondern wegen des Terminkalenders des Präsidenten, den nur wenige Auserwählte zu Gesicht bekamen.
Überhaupt sein Vater. George F. Summerhill war vom Typ her nie der geborene Führer, aber der beste zweite Mann im Weißen Haus, den man sich als Präsidenten und auch als Kongress wünschen konnte. Klug, gebildet, wirtschaftlich versiert, parteilos und loyal. Deswegen wurde er zum Vizepräsidenten berufen. Aber nie hatte er auch nur im Entferntesten die Absicht, einmal für die Präsidentschaft zu kandidieren. Die täglichen Kämpfe im politischen Washington waren ihm zuwider. Er verstand sich als Dienender und nicht als Herrschender.
Doch wie so oft, wuchs auch er mit der neuen Aufgabe, und er hatte sich im Politikbetrieb erstaunlich gut zurechtgefunden. Privat kam er im Weißen Haus auch ohne Marion zurecht. Die First Lady wohnte am Familiensitz in Savannah und reiste nur zu offiziellen Anlässen zum Ehemann nach Washington. Vater hatte das Weiße Haus als seinen neuen persönlichen Lebensraum akzeptiert, doch arbeitete er lieber in seinen privaten Räumen im zweiten Stock als im Oval Office. Sein Stab hatte sich längst darauf eingestellt.
George F. Summerhill gehörte auch nicht zu der Kategorie von Präsidenten, die sich mit der schier unglaublichen Machtfülle des Amtes veränderten. Viele seiner Vorgänger hatten die Bodenhaftung verloren und vergessen, woher sie kamen und wer sie einst waren.
Nicht er.
George F. Summerhill war ein Romantiker geblieben. Er liebte klassische Musik, Bücher von französischen Philosophen und von deutschen und englischen Dichtern. Vor allem liebte er über alles die beiden Kinder seiner Tochter Jane, den zehnjährigen William und die achtjährige Florence. Beide Enkelkinder durften, wenn sie einmal im Weißen Haus waren, ungehemmt durch das ganze Gebäude toben, auch durch das Oval Office. Zum Vergnügen der amerikanischen Öffentlichkeit, die angesichts der bezaubernden und geschickt gestreuten Fotos kurzfristig verdrängte, dass die Präsidentenfamilie nicht komplett im Weißen Haus lebte.
David musste schmunzeln, wenn er daran dachte, dass der Präsident im Oval Office hinter seinem Schreibtisch, dem historischen Resolute Deck, eine Falltür hatte, mit der sich der Präsident bei Gefahr nach unten absetzen konnte. Schmunzeln, nicht wegen der geheimnisvollen Falltür, sondern wegen der wahrscheinlich sehr unsanften Landung seines stattlichen Vaters unten und wegen der verdutzten Gesichter oben. Klappe auf und der Präsident war verschwunden.
David wollte ohnehin bei nächster Gelegenheit diskret prüfen, wo der Auslöser für diesen Abgang war. Wahrscheinlich hatte der Secret Service auch für diesen Knopf einen Namen, womöglich Resolute Panic Button.
Ohnehin war der Secret Service mit seinen über vierzig Kräften in der Vergabe von Code-Wörtern für die Präsidentenfamilie sehr einfallsreich. Selbstverständlich durfte man als Betroffener Vorschläge machen, wenn die Wörter kurz waren.
Vater nannte sich EAGLE. Er selbst hatte sich GOLIATH ausgesucht, was wiederum zu einem Lachanfall in der Familie geführt hatte, weil David eher schmächtig gebaut war. Er wollte aber partout nicht SHARK genannt werden, den sah er täglich beim Rasieren im Spiegel. Als strenggläubiger Jude hatte er durchgesetzt, dass seine Frau Susan RACHEL hieß.
Seine Schwester Jane hatte sich für RAINBOW entschieden. Sie nahm die Kinder gleich mit in die RAINBOW-Familie, und so hieß William RAINBOW WILL und Florence RAINBOW FLO.
Janes Ehemann Robert, den sie bei ihrem Vater als Berater für Special Affairs durchgesetzt hatte, wollte nicht RAINBOW genannt werden, sondern hatte sich für BULLET entschieden. Keiner wusste, warum ihn gerade dieser Name begeisterte. Vielleicht, weil er ein Jäger und Waffennarr war. Den meisten blieb zudem verborgen, mit welchen Spezialangelegenheiten BULLET befasst war. Für ein Büro im Weißen Haus hatte seine Durchschlagskraft bisher allerdings nicht gereicht. Der Schwiegersohn kam nur, wenn der Präsident ihn wünschte, und das geschah zu seinem Bedauern eher selten. Wenn Robert vor Ort war, warf er sich allerdings so sehr ins Feuer, dass er dem Stabschef schon wieder überzogen und eigentlich auch lästig erschien.
David machte ein paar Streck- und Dehnübungen, und als er beim letzten Aufrichten auf die im ersten Sonnenlicht gleißende Fassade des Weißen Hauses blickte, musste er wieder schmunzeln.
„Alles Fake hier“, dachte er, „die Farbe ist so wenig reinweiß, wie die Stimmung hier in der Machtzentrale angeblich gut ist.“
In der Tat war das Weiße Haus eher cremefarben gestrichen, im Fachjargon Whisper White, wusste David, eine Silikatfarbe aus der Produktion eines deutschen Herstellers.
Und die Stimmung war angesichts der internen Machtkämpfe im Weißen Haus angespannt, wenngleich sie unter dem neuen Präsidenten ganz allmählich besser wurde.
Aber auch mit den wenigen Machtkämpfen konnte man leben, man musste einfach genau hören, was der Flurfunk meldete, und wer auf welcher Seite stand.
David hatte den Vorteil, dass ihm, als Sohn des wohl mächtigsten Mannes der Welt, Informationen von vielen Menschen zugeführt wurden, die sich dadurch einen persönlichen Vorteil erhofften. Er war abseits der etablierten Organisation so etwas wie eine mächtige Spinne im Netz, von der man hoffte, dass man nicht zerbissen würde, wenn man ihr zu nahe kam. David hatte noch nie zugebissen, sondern wartete auf den ganz großen Happen.
Die Zeit dafür schien gekommen.
Der Sohn des Präsidenten wusste, dass man sich mit einem besser nicht quer stellen sollte, dem Stabschef des Weißen Hauses, John F. Martin. Ein ehemaliger Vier-Sterne-General und NATO-Oberbefehlshaber in Europa, auf den sich der Präsident vollkommen verließ. John F. Martin, eine starke freundliche Persönlichkeit, sollte im Weißen Haus für Ordnung sorgen, die Flügelkämpfe und die für den Präsidenten unangenehmen Leaks beenden. Das hatte er bereits fast geschafft. Außerdem hatte er inzwischen auch die Kontaktpflege zu anderen Regierungen übernommen, so dass der Präsident keine Veranlassung sah, den Posten des Nationalen Sicherheitsberaters zu besetzen. Der 66-jährige John F. Martin galt nach dem Präsidenten inzwischen als der zweitwichtigste Mann in Washington, was nur wenigen vor ihm gelungen war.
Den Sohn des Präsidenten akzeptierte er zwangsläufig, aber er schätzte ihn nicht. Wie er überhaupt keine Menschen mochte, die illoyal agierten, wussten seine ehemaligen Mitarbeiter aus dem NATO-Hauptquartier zu berichten. Und David, der nach Informationen der CIA nicht abgestimmte Beziehungen zu den politischen Spitzen Israels führte, gehörte dazu. Aber der Stabschef wusste nicht, ob diese Verbindung eventuell vom Vater geduldet oder sogar gebilligt war. Der ganze jüdische Clan mit seinen besonderen Ritualen war ihm als Soldat ohne jegliche kirchliche Bindung ohnehin suspekt. So hielt er sich grundsätzlich aus den Familienangelegenheiten von POTUS heraus.
„GOLIATH im Anmarsch“, gab der Body Guard Agent durch, bestätigt auf den Monitoren in der Überwachungszentrale und mitgehört durch die Scharfschützen auf dem Dach.
Der Präsidentensohn dankte den beiden Mitläufern kurz mit einem Daumen hoch, nickte dem Special Agent an der Pforte freundlich zu und begab sich zu seinem Büro.
Schon bei der Übernahme seiner Beratungstätigkeit hatte er dafür gesorgt, dass er im Westflügel die Zimmer des Deputy Chief of Staff bekam, inklusive einer Schlafgelegenheit und Dusche, was zur Verärgerung des Vorbesitzers führte wie auch des Pressestabes, weil dieser in der Folge einen Raum verloren hatte.
Doch David saß nun praktisch in Reichweite des Oval Office. Kurze Wege und physisch präsent sein, vor allem, wenn Vater im Hause war. Das Ziel hatte er erreicht.
David steckte den USB-Stick in seinen privaten Laptop, der nicht am Netz des Weißen Hauses angeschlossen war und vertiefte sich die nächsten Stunden in sein Projekt. Er hatte es generalstabsmäßig aufbereitet. Die Zielsetzung seines Konzeptes war es, auf Überraschung zu setzen und die seiner Ansicht nach beherrschbaren Risiken, bewusst in Kauf zu nehmen. Der Präsident der Vereinigten Staaten (POTUS) müsste ohne diplomatische Vorbereitung durch eine einzige Botschaft Fakten schaffen, und Israel müsste zeitgleich militärisch im Land handeln. Die Hölle würde los sein, aber am Ende würde die Welt den Coup schlucken, so wie die Welt die Annexion der Krim vor Jahren durch Russland geschluckt hatte.
David strich geradezu liebevoll über seine Landkarte, die Israel endlich den allseits anerkannten offiziellen Status eines Staates bringen würde, speicherte die letzten Änderungen des Plans, überspielte ihn auf sein Smartphone und löschte alle Spuren auf seinem Laptop. Der Mossad hatte ihm ein Smartphone geliefert, mit dem eine verschlüsselte Sprach- und Bildübertragung möglich war. Niemand in der Kommunikationszentrale des Weißen Hauses würde diese Kommunikation identifizieren oder gar verfolgen können.
Er schaute auf die Uhr, nur noch wenige Minuten bis zum letzten entscheidenden Telefonanruf aus Tel Aviv. David verschloss die Tür und legte in angespannter Erwartung sein Smartphone auf den Tisch.