Читать книгу Operation Jerusalem - Trauboth Jörg H. - Страница 17
Оглавление„Genau so, Herr Ministerpräsident. Es wird nicht einfach werden, aber ich bin überzeugt, wir schreiben hier Geschichte, die am Ende allen helfen wird. Ich werde sehen, was ich machen kann. Doch wir dürfen nichts überstürzen. Mein Vater ist, wie Sie wissen, ein gläubiger Jude, aber das heißt erst einmal gar nichts. Die Chancen für den Plan stehen gut, doch alles hängt, wie schon mit Quarto besprochen, ganz davon ab, wie sehr wir hier wirklich akut bedroht sind. Die unmittelbare Gefährdung unserer nationalen Sicherheit muss glasklar erwiesen sein. Das ist die unabdingbare Voraussetzung für jegliche militärischen Optionen, wie immer die aussehen mögen.“
„Das ist mir klar. Wir werden sehr bald liefern. David, Sie haben hervorragende Arbeit gemacht. Der Erfolg ist greifbar nahe. Jetzt wünsche ich Ihnen Glück im Weißen Haus für unsere gemeinsame Sache. Bis auf bald!“
„Bis auf bald, Herr Ministerpräsident!“
Die Bildschirme wurden dunkel. Sekunden später erhielt Quarto eine verschlüsselte Textnachricht von seinem amerikanischen Freund mit der finalen Version des Plans.
Der Ministerpräsident schaute zur Profilerin herüber.
„Ist der Mann okay?“
„Ich denke, David G. Summerhill ist authentisch. Da ist nicht der geringste Hinweis, dass er mit gezinkten Karten spielt. Der Mann hat eine Vision. Er ist vollkommen auf unserer Seite. Und zwar so sehr, dass er eher überziehen könnte. Nur darin sehe ich eine Gefahr bezüglich seiner Person. Quarto muss ihn also ganz eng führen.“
„Das passiert bereits“, sagte Quarto Storch, „aber was ist, wenn er im Weißen Haus scheitert und womöglich Nachteile erfährt?“
Er blickte dabei in die Runde.
Einen Moment lang war Schweigen.
Der Mossad war bekannt dafür, dass er für seine Agenten und Informanten im Ausland sorgte, wenn diese Probleme bekamen. Und David G. Summerhill war einer von ihnen.
„Sein Problem“, antwortete Ministerpräsident Ehud Strauss kühl. „Wir schaffen Fakten. Wir ziehen unsere Sache durch, notfalls allein. Jetzt oder nie. Der Sohn des Präsidenten ist wichtig, aber er steht nicht auf unserer Gehaltsliste.“
Strauss war als ein Mann mit zwei Gesichtern bekannt. Verbindlich nach außen, innen eiskalt. Er war ein Siegertyp, der Kompromisse hasste. Er machte auch keinen Hehl daraus, dass der innere Zirkel sein zweites eiskaltes Gesicht kannte. Denn mit Angst ließ sich am besten führen.
1.5
David schaute auf sein Smartphone. Die Textnachricht war angekommen.
Wow! Was für eine Entwicklung! Die USA sind bedroht! Doch wie weit wirklich? Werde ich für innenpolitische Gründe benutzt oder ist das uneingeschränkt wahr? Warum haben unsere eigenen Quellen noch nichts gemeldet? Die CIA, Homeland Security, das Pentagon? Irgendwas kann daran nicht stimmen. Muss ich Vater konsultieren? Besser ja, sonst mache ich mich strafbar. Doch ist das auch der richtige Augenblick für die Vision des Staates Israel? Vater hält Ehud Strauss für einen gefährlichen Scharfmacher. Ich brauche einen günstigen Augenblick.
Dabei schaute er auf das Kairos-Steinrelief an der Wand, den altgriechischen Gott für den richtigen Augenblick.
Er ging zum Relief, nahm es von der Wand und drehte es um, um zu verinnerlichen, was dort stand:
Suche stets für Dein Handeln den günstigsten Zeitpunkt einer Entscheidung, dessen ungenutztes Verstreichen nachteilig sein kann. Dein Freund Quarto.
David hatte das Gefühl, seinen Vater sehen zu müssen. Vielleicht war der günstige Augenblick nahe.
Er verließ sein Büro und schlenderte ohne konkretes Ziel durch den Westflügel, die Machtzentrale des Weißen Hauses. Er durchquerte den Kabinettsaal und sah vom Flur aus Journalisten in den Presseraum strömen. David stutzte, eine Pressekonferenz stand heute nicht auf der Agenda. Als Sonderberater sollte er eigentlich über Abweichungen durch das Presseamt informiert sein. David sah die hübscheste und wahrscheinlich auch fähigste Pressesprecherin, die das Weiße Haus jemals vorzuweisen hatte, direkt auf sich zulaufen in Richtung Presseraum. Ihr brauner Pferdeschwanz wippte von einer Seite zur anderen.
„Sally, was ist los, dass ihr den Hühnerhaufen einbestellt habt?“
„Sorry, David, du warst telefonisch nicht erreichbar und deine Tür war verschlossen. Wir haben ein Problem, es geht um deine Mutter. Weißt du, wer der Mann ist, mit dem sie sich bei einem Skiurlaub aufhält?“
„Ich weiß von ein paar Tagen Skifahren in Vail, aber nichts von einem Mann. Das wird natürlich jemand vom Secret Service sein.“
„Hm, schau dir mal das Foto an, was die Washington Post gleich veröffentlichen wird. Der Mann, der die First Lady Marion Summerhill liebevoll auf die Wange küsst, ist …“
„… wow, sicherlich nicht vom Secret Service. Kennt ihr den schon?“
„Das hätte ich gern von dir gewusst, denn jetzt wird mich die Horde da drüben gleich fragen, ob die Ehe des Präsidenten vor dem Aus steht.“
„Und was sagt mein Vater dazu?“
„Nicht erreichbar.“
„Arme Sally, was wirst du denen erzählen?“
„Ein enger Freund der Familie und überhaupt kein Anlass, an der ausgezeichneten Ehe des Präsidentenpaares zu zweifeln.“ Sie zwinkerte ihm zu, eilte in den Presseraum und begrüßte strahlend und empathisch wie immer das Rudel Wölfe.
David dachte an Kairos.
Das ist doch die Gelegenheit, mit Vater ins Gespräch zu kommen. Ich muss ihn finden!
Als David nach leichtem Klopfen die nordöstliche sogenannte geheime Tür des Oval Office öffnete, war ihm klar, dass es wahrscheinlich wie so oft leer sein würde. Wohl auch ein Grund, warum sich Vaters Sekretärin gerade nicht in ihrem anliegenden Büro aufhielt.
Der Raum war leer.
Er schloss die Tür hinter sich und war wie so oft benommen von der Atmosphäre dieses Raumes, der üblicherweise von den Präsidentengattinnen nach ihrem Geschmack eingerichtet wurde.
Seine Mutter hatte das als Geldverschwendung abgetan, und Vater gefiel ohnehin die vorhandene Einrichtung. Es passte zu ihm, dass er überhaupt nicht daran dachte, Gerald Fords berühmte Standuhr – die Tall Case Clock – zu entfernen. Ebenso wenig wie das Porträt von Thomas Jefferson rechts neben ihm an der Wand. Sogar die beiden Sofas und das dunkelrote Gardinenarrangement an der Fensterfront hinter dem Schreibtisch, dem „Resolute Desk“, hatte er behalten.
David schaute über den Boden mit dem Wappen des Präsidenten und über den Schreibtisch hinweg auf die beiden Fahnen der präsidialen Macht und der Nation, weiter auf die Telefonanlage, mit der der wichtigste Mann der Welt sofort mit jedem Punkt der Erde verbunden werden konnte.
Seine Gedanken kreisten in einer Mischung von Ehrfurcht und Neugierde.
Die zarten Farben und Dekorationen täuschen … ich stehe in einer Festung … dem wahrscheinlich sichersten Büro der Welt … schiebe ich nur einen gewichtigen Gegenstand zur Seite, löst das Alarm aus und Security Agents stehen sofort mit einer Waffe im Anschlag hinter mir … unter mir: sieben Stockwerke mit atomsicheren Räumen, der Notfallkommandozentrale, eigener Luft, Strom- und Wasserversorgung … Shopping Mall eingeschlossen … Platz für alle Mitarbeiter des Weißen Hauses … der Rosengarten da draußen und der Jacqueline Kennedy Garden vor dem Ostflügel dürften wohl die weltbeste Tarnung für eine unterirdische Festung sein … über mir eine Absicherung wie auf einem Flugzeugträger einschließlich Kampfdrohnen.
David strich fast zärtlich über das Holz des mit dem Siegel des US-Präsidenten verzierten Schreibtisches, an dem dicht die beiden schlichten Stühle standen, wenn der Präsident diktierte oder das ganz nahe Gespräch suchte.
Fast magisch zog es ihn zu dem schweren Holzstuhl seines Vaters. Vorsichtig schaute David, ob die Türen tatsächlich verschlossen waren. Er setzte sich aufrecht auf den Stuhl, legte die Hände auf den Resolute Desk und blickte über die Sitzgruppe hinweg geradezu auf das Bild von George Washington über dem Kamin, an dem er seinen Vater einmal entdeckt hatte, als er vor seiner ersten Rede vor dem Kongress aus einem ledernen Buch Shakespeare las. Nicht sein Redemanuskript, sondern Shakespeare.
David erinnerte sich.
Vater war aufgestanden und hatte ihn gefragt:
„Was führt dich zu mir?“
„Mr. President, ich wünsche Ihnen alles Glück dieser Welt für diese wichtige Rede. Es wird ein großartiger Auftritt!“
„Ich hoffe, David. Danke, mein Sohn. Du weißt, das Amt habe ich nicht erkämpft, es ist mir praktisch zugefallen. Jetzt muss ich mich wohl oder übel in dieser ungewohnten Rolle ganz neu aufstellen.“
„Was liest du, Dad?“
Sein Vater zitierte aus dem Buch:
„Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage, Hamlet, dritter Akt.“
David wunderte sich nicht mehr.
Das war typisch Vater. Der ewige Sich-infrage-Steller. Und am Ende war er großartig. Aber ich werde es auch sein.
Langsam fühlte David mit beiden Händen unter dem Schreibtisch. Irgendwo musste der Auslöser sein, der diese Falltür aufklappte. Nicht, dass er das beabsichtigte, er wollte nur wissen, wo das verdammte Ding war.
„Üben Sie schon einmal, David?“, fragte der plötzlich eingetretene Stabschef John F. Martin mit leicht spöttischem Blick. David hätte mit einer derartigen Überraschung rechnen müssen. Er errötete, doch seine Verunsicherung wich schnell.
„Da bringen Sie mich auf eine Idee, Sir. Und ich kann Ihnen sagen, es fühlt sich verdammt gut an.“
„Mit dem Gefühl ist es nicht getan, Mr. Next President. Der Weg zu diesem Stuhl ist eine Schlammschlacht, und der Inhaber sitzt auf einem Schleudersitz ohne Fallschirm.“
David erhob sich und gab ihm gewinnend die Hand.
„Danke für die Warnung, John. Der Fallschirm des Präsidenten ist im Weißen Haus ein Stabschef wie Sie. Wo ist eigentlich mein Vater? Er sollte doch hier sein?“
Der Stabschef sah kurz auf den Schreibtisch, ob es irgendetwas gab, was David nichts anging. Aber da war nichts.
„Ich nehme an, er ist oben. Entschuldigen Sie mich, die Arbeit ruft.“
Damit eilte John in sein Office.
Wenige Augenblicke später stand David auf der Suche nach dem günstigen Augenblick vor dem Fahrstuhl. Sein Ziel war im zweiten Stock der Lincoln Sitting Room, in dem sein Vater am liebsten arbeitete.
Die Tür stand offen, der Raum war leer.
David durchquerte den Westflügel und ging zum President’s
Dining-Room.
Keine Spur vom Vater.
Er wird sich hingelegt haben?
David zögerte, bevor er die gegenüberliegende Tür des President’s Bedroom öffnete. Doch er hatte einen triftigen Grund. Er musste die Berichterstattung über seine Mutter klären.
Keine Spur vom Präsidenten. Das Zimmer war eigentlich traditionell für die First Ladies vorgesehen, doch in dieser Präsidentschaft hatte der Präsident das Zimmer für sich ausgewählt. Seine Frau Marion hatte hier nur wenige Male übernachtet.
Er wird das Weiße Haus doch nicht verlassen haben?
David ging zurück zum Fahrstuhl und wollte gerade Tobias Hunter, den persönlichen Sicherheitsbegleiter seines Vaters, anrufen, als er aus dem Lincoln Bedroom ein leises Geräusch hörte. Er öffnete besorgt und behutsam die Tür. Sein Blick ging durch den abgedunkelten Raum – und er erstarrte augenblicklich.
Im berühmten Rosenholzbett unter dem mit einer Goldkrone geschmückten tiefbraunen Baldachin erfasste er trotz der Dunkelheit etwas, das ihn vollkommen aus der Fassung brachte und schockierte.
Das darf nicht wahr sein!
Er musste aufpassen, kein Geräusch zu machen. Leise wieder ’raus – oder? Er überlegte nur wenige Sekunden.
Kairos, das war er, der günstige Augenblick!
Der Präsidentensohn zog behutsam sein Smartphone hervor, stellte geistesgegenwärtig sicher, dass Blitz und Ton deaktiviert waren und fing ein Bild ein, das, wie er hoffte, die amerikanische Politik vollkommen ändern würde.
Seine eigene Zukunft eingeschlossen.