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EINE HÜTTE – EINE FREUNDSCHAFT

1981

Es war Liebe auf den ersten Blick….

…ich wusste bei unserer ersten Begegnung, wir würden eine lange und wechselvolle Beziehung haben. Ihre einfache Schönheit erfüllte meine fast vergessenen Kindheits – und Jugendträume mit einem einzigen Wimperschlag.

Dies war keine Liebeserklärung an eine verehrte Person, dieses war die Beschreibung eines spontanen Glücksgefühls für eine Jagdhütte, die Anfang und Ursprung einer unendlichen Geschichte sein würde: die Jagdhütte im Sulinger Bruch, ein Kleinod in einer Naturlandschaft, deren Einsamkeit und Ruhe sich zu einer perfekten Idylle ergänzten.

Die mächtigen, hundertjährigen Eichen breiteten schützend ihr schattiges Blätterdach über ihre vermoosten Schindeln, deren spitzer Giebel kaum mehr als ein bescheidenes Quadrat von vier mal vier Meter Grundfläche bedeckte und sich mit seiner schlichten Holzfassade geduckt in der Nische zwischen Wald – und Wiesenkante versteckte.

Der kleine Vorbau und die hölzernen Fensterläden, das winzige Giebelfenster im oberen Teil, gaben der Hütte ein wenig den Anschein von Frau Holles Märchenhaus.


HIER FING ALLES AN

Die Schwengelpumpe und das marode Regenfass, die grobe Sitzbank vor dem schweren Eichentisch ergänzten das Bild einer vollkommenen Einheit von Himmel und Erde. Eine Dornröschenidylle, die nur der Ortskundige findet. Eingewachsen in die Natur, umgeben von den Stimmen der Vogelwelt, unter einem blauen Himmel, dessen Sonnenlicht von den Zweigen der Eichen gebrochen wird.

Der erste Schritt in das Innere der Hütte beansprucht alle Sinne: noch halb im Dunkel der geschlossenen Fensterläden dominiert der Geruch von kaltem Rauch und Pfeifentabak, gemischt mit dem Duft von trockenem Holz und abgebrannten Kerzen; akustisch wird das Zischen der Gaslampe und das Quietschen der Fensterriegel von dem Poltern der schweren Zugtreppe übertönt, deren Klappmechanismus den Weg in das obere Bettenlager freimacht.

Und wenn das Licht in den kleinen Raum fällt, erblicken die Augen endlich, was sich auf knapp 16 Quadratmeter für eine gemütliche Einrichtung verteilt. Unter den Eckfenstern steht die geräumige Eckbank und davor im Mittelpunkt der große Ausziehtisch, der nie ausgezogen wurde, aber mit drei gediegenen Armlehnstühlen aus dem Rittergutsmobilar Platz für 6 bis 16 Gäste bietet…

Der zweckmäßige Rest des Inventars besteht eher aus funktionalen Gegenständen, deren Gebrauchswert zwischen notwendig und überflüssig liegt und eine liebenswerte Mischung aus antiken und neumodernen Objekten ist. In der angedeuteten Küchennische aus einfachen Regalen steht der zweiflammige Campinggaskocher und daneben ein solider norwegischer Gussofen, dessen Heizqualitäten unübersehbar sind.

Ein paar Jagdbilder an den Wänden, Gardinen, Tischdecke und Stuhlkissen sind schon dekorativer Luxus, geben aber der Hütte ihren unverwechselbaren Charme und beweisen, mit wie wenig man wieviel Gemütlichkeit erreichen kann.

Mir war sofort klar, dies war der Beginn einer neuen Freundschaft und für mich gleichzeitig die Schulstube meiner jagdlichen Ausbildung, deren Anfang noch nicht einmal abzusehen war. Schließlich war dies mein erster Besuch in dieser Jagdhütte, verbunden mit einer Einladung zu einer kleinen Treibjagd, die mein Freund Rudi vorbereitet hatte und deren Verlauf den unumkehrbaren Weg vom Treiberanwärter zum Titel SCHMAUCH II einleitete und uns mit der Anrede „ALTER FREUND“ adelte.

40 Jahre liegen dazwischen und illustrieren eine Freundschaft, deren stille Zeitzeugin diese Jagdhütte geworden ist, und für uns zur zweiten Heimat wurde.


DAS HÜTTENGEDICHT

Ganz sicher hat eine Besonderheit die große Nähe zu dieser Hütte und ihrem Revier noch verstärkt: das war die Verbundenheit zu der Familie meines Freundes. Vier Generationen begleitete ich in dieser Zeit ein Kommen und Gehen, einen Wechsel von Trauer und Freude, aber immer eine Gegenwart, deren Herzlichkeit und Gastfreundschaft, Hilfe und Dankbarkeit Garanten für ein dauerhaftes Bündnis waren.

Und Dreh – und Angelpunkt war die Jagdhütte. Hier traf sich die Familie, von der hundertjährigen Seniorin bis zu ihren Urenkeln, hier nahm jeder den typischen „Stallgeruch“ mit in seinen Alltag und die Gewissheit, ein Teil des Ganzen zu sein.

Das galt auch für meine Familie: von Helga über Sohnemann Florens bis zur Enkeltochter Lilli holte sich jeder seine Portion Jagdhüttenromantik ab, die unvergessen bleibt. Die kurzen Momente ihrer Begegnung hinterlassen vielleicht bleibende Bilder in ihren Herzen.

Unsere Kerntruppe war und blieb ein Jagdtrio, das die Anfänge machte, die Entwicklung bestimmte, die Maßstäbe setzte und die Atmosphäre prägte: Rudi, Fivos und Udo!


JUNG UND ALT

Der erweiterte Kreis unterlag einer sorgfältigen Auswahl und wurde eingeteilt in übernachtungsfähig, wochenendtauglich oder Treibjagd geeignet. Und diese Selektion bestimmte vor allem die Größe der Hütte, die Anzahl der Betten, die Veranlagung zur Improvisation, vor allem aber die Gütesiegel Traditionsbewusstsein, Einsatzbereitschaft, Trinkfestigkeit und Freude an der Jagd.

Manche blieben Eintagsfliegen, einige waren Pflichtfiguren, andere erhielten eine zweite Chance, etliche kegelten sich selbst raus und nur ein harter Kern hatte die Hoffnung auf Einladungsgarantie und war zu Recht stolz darauf, aber nur eine Handvoll erreichte Kultstatus, der sie immer willkommen hieß.

So erzählt die Hütte von Treibern, Anwärtern, Jungjägern, Profis, Hasardeuren, Rüdemännern, Sonntagsjägern, Naturverliebten und Waidmännern jeder Couleur, deren Namen, Profile, Charaktere und Arten so vielfältig sind wie ihre Hüte, Büchsen und Flinten. Nur eins vereint sie allesamt: sie haben eine Hütte kennengelernt, die die Zeit verändert hat, aber die doch gleich geblieben ist in ihrer Einmaligkeit, und sie haben in einer Natur gejagt, wie es sie heute kaum noch gibt.

Hier wurden Traditionen gepflegt und Rituale geboren, Überlieferungen weitergegeben und Prüfungen zelebriert, Reden gehalten, wie sie Hermann Löns nicht besser hätte formulieren können. Hier wurden Jungjäger gestählt und Altjäger zu Tränen gerührt, hier erhielt jeder seinen Ritterschlag, wenn er ihn verdient hatte und sein Jagdgericht, wenn es nötig war. Die Hütte war Herberge, Kultstätte, Gourmettempel, Kaderschmiede, Bierfass und Märchenbuch zugleich. Ich fühlte mich als ein Teil von ihr.

Eine symbolische Geschichte ganz am Anfang war der Auslöser: in kleiner Besetzung hatten wir die Hütte im November bezogen, Rudi und Fivos mit mir. Ich war noch weit von jeglicher jagdlicher Erfahrung entfernt, geschweige denn zu einer Ausbildung entschlossen, aber bereit, alles zu versuchen und mich vor nichts zu fürchten.

„Leise“, flüsterte Rudi mir zu, „draußen auf der Eiche, eine Taube“, und drückte mir seine Flinte in die Hand. Auf eine Blechdose hatte ich zwar schon mal ein paar Probeschüsse gemacht, aber auch nicht mehr. Mit wichtigen Gesten, unterstützt von Fivos, öffneten sie vorsichtig die Tür und deuteten die Richtung an, wo sich das Ziel befand. Entschlossen trat ich raus, die Waffe im Anschlag, die Taube im Auge und den Schuss hinaus. Plums, lag sie auf dem Eichenlaub und stolz schaute ich meine beiden Lehrmeister an, die mir anerkennend auf die Schulter klopften. „Waidmannsheil“, riefen sie, während ich flugs zur erlegten Beute lief…und eine Gummilocktaube in der Hand hielt!

Dieses war nur der Anfang meiner harten Ausbildung, die mir meine Freunde zuteilwerden ließen, aber meinen Ehrgeiz damit mächtig anstachelten. Ein halbes Jahr später hängte ich die Prüfungsurkunde des bestandenen Jagdscheins an die Hüttenwand, mein erster Beitrag zur liebevollen Erweiterung der Hüttendekoration und der nächste Schritt einer tiefen Verbundenheit zwischen meiner „neuen Liebe“ und mir.

Was sich dann in den folgenden Jahrzehnten in ihrem liebevollen Charme, ihrer vertrauten Umgebung und mit ihrer unwiderstehlichen Anziehungskraft abspielte, sind Kapitel einer Freundschaft, Erinnerungen an Tagträume und die Gewissheit, das Wichtigste erlebt zu haben.


EIN WINTERMÄRCHEN

Jagd mit Freunden

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