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RÜBEZAHL

Oktober 1992

Nur Rudi und ich waren diesmal unterwegs. Alle anderen Planungen waren fehlgeschlagen: Andorra wegen Schule und Österreich wegen Gamsblindheit. So wurde dann über Bundeswehr, Sippel und viele andere Kanäle und Verbindungen der Kontakt zu den neuen Bundesländern geknüpft und eine Jagdmöglichkeit im Erzgebirge organisiert.

Die Anfahrt war beschwerlich und zeitraubend. Nach fünf Stunden hatten wir endlich das Ziel erreicht: Forstamt Heinzebank, Hilmersdorf, 50 km. südlich von Chemnitz, am Rande des Erzgebirges.

Der zuständige Forstamtsleiter empfing uns freundlich bürokratisch und verdiente sich im Laufe unseres Aufenthaltes den Zusatztitel „Kanzleirat“. Viel Zeit durften wir mit den Formalitäten nicht verlieren, denn es war bereits 15: 00 Uhr und die Jagdführer erwarteten uns bereits in einer Dreiviertelstunde.

Also wurde nicht lange gefackelt und wir fuhren die sieben Kilometer zügig bis zum vereinbarten Treffpunkt an der „Bornwaldschänke“, einer mittelmäßigen Waldkneipe an einer einsamen Straße, die mitten ins Revier führt.

Dort warteten zwei Waidgesellen auf uns, deren Äußeres gegensätzlicher gar nicht hätte sein können: der eine ein pausbäckiger, glattrasierter und gutmütig dreinschauender Revierförster, etwa Mitte dreißig, mit typischem Sepplhütchen und einfacher Forstkleidung, der andere ein schwarzbärtiger, langhaariger Rübezahl mit grimmigem Blick und camouflagefarbenem Overall, an dessen rechter Seite ein furchterregender Revolver der Marke „Peace-Maker“ geschnallt war.

Letzterer war unverkennbar der weit über die Reviergrenzen hinaus bekannte und von allen ehrfürchtig genannte „Muffel-Uhlmann“, der das Muffelwild angeblich besser kennt als seine Frau.

Stefan, der Revierförster, nahm sich neben seinem Jagdkollegen aus wie ein braver Pensionatszögling neben einem kubanischen Guerillakämpfer. Es wurden deshalb auch nicht viele überflüssige Worte gewechselt und die Zuteilung, wer wen als Führer bekommt, von „Rübezahl“ mit knapper Geste entschieden: Rudi mit ihm, Stefan mit mir.

Rudi und ich ziehen uns neben unserem Wagen um, machen uns jagdfertig und schon fahren wir hinter den beiden in ihrem Lada ins Revier: 16: 00 Uhr Die Fahrt dauert nur knapp 10 Minuten, als wir uns dann am Ziel trennen und paarweise verschiedene Richtungen einschlagen. Wir gehen durch einen Mischbestand aus Buchen und Fichten leicht hangaufwärts. Dunst und Nebel wabern durch die mittelalten Bäume und die Sicht reicht gerade 50 Meter und wird zunehmend schlechter, je höher wir kommen.

Nach zwei drei Biegungen erreichen wir einen felsigen Abschnitt, der sich wie eine graue Theaterkulisse vor uns auftut. Rechts und links wird sie durch Fichtenkulturen eingerahmt, dazwischen stehen stämmige Altbuchen, die ihre reichhaltige Mast in das herbstbraune Laub werfen.

Wir steigen auf eine neue Kanzel, die zwei Leuten genügend Platz bietet und aus vier Fenstern ein perfekte Rundumsicht ermöglicht. Ich übernehme den rechten Teil, mein Begleiter die linke Seite; schusstechnisch wäre es für mich als Rechtshänder umgekehrt besser gewesen, dachte ich im Stillen, aber na ja, wer weiß wie`s kommt? Bei einem Probeanschlag stelle ich außerdem fest, dass die Gewehrauflage viel zu niedrig ist für ein Gelände, das vor uns deutlich ansteigt.

Die Zeit verrinnt, der Dunst nimmt zu, da zerreißt ein Schuss die gedämpfte Stille…Rudi!! 16: 35 Uhr…alle Achtung. Ein Blick zu Stefan und dessen Nicken bestätigt meine Vermutung. Der Schuss kam aus Rudi`s Richtung! Was war dort passiert?

An dieser Stelle gebe ich den Originalbericht meines Freundes wieder, der das Geschehen dokumentarisch festgehalten hat.

RUDI:

„Muffel Uhlmann“ und ich zogen gemeinsam los. Er ist seit Beginn der Muffelaussetzaktion vor zwölf Jahren dabei und kennt daher ihr Verhalten ganz genau.

Im lichten Buchenaltholz bei leichtem Nebel, –,,Näbbl“– wie die Sachsen sagen, ging`s um sechzehn Uhr auf eine Kanzel, ich links, er rechts. Schon nach 5 Minuten verdichtete sich der Nebel. Nach weiteren 10 Minuten erschienen auf seiner Seite ein Widderlamm, ein Schaf und etwas später zwei weitere Lämmer. Durch den Nebel war das auf Sicht sichernde Wild verunsichert und zog daher nur wenig umher. Die mehr als reichlich vorhandenen Bucheckern wurden aufgenommen. Weitere fünf Minuten später zogen noch drei einjährige Widder dazu.

Da kein stärkeres Stück dabei war, wurde nun der Abschuss eines Lammes für den Militärdekan Hahn ins Auge gefasst. Momentan wurde dies jedoch durch das offene Gelände verhindert, hinter dem ein Forstweg entlang lief, auf dem Pilzgänger zu vermuten seien. Also mussten wir warten, bis das Rudel sich mehr nach links vor eine Felswand bewegen würde. Diesen Gefallen tat es uns aber nicht.

Stattdessen wurde die Sicht durch den immer dichter werdenden Nebel ständig schlechter und reichte gerade mal bis 60 Schritt.

Urplötzlich, aus der dichten Nebelwand hinter dem Rudel, trat ein kraftvoller Widderkörper aus, er hatte die begehrten Trophäen auf. Die Schnecken ahnte man im Nebel mehr, als das man sie sah. Der Widder zog sofort zu dem Schaf und kontrollierte dessen Brunftbereitschaft, indem er es vor sich hertrieb und intensiv bewindete. Enttäuscht von ihrer Ablehnung drehte er ab, stellte sich spitz von vorn zu uns und äste in aller Ruhe die Bucheckern.

In unserer Bude pulste nun nicht mehr nur das Blut, nein, auch das Leben. Der sei gut, befand „Muffel Uhlmann“ und gab ihn frei, dachte aber keine Sekunde daran, mir auch nur einen Zentimeter Platz für den Anschlag zu machen. Das Glas vor den Augen, behielt er den Widder unter Kontrolle. Das war trotz der geringen Distanz von nur 60 Meter wegen der Nebelsuppe auch notwendig.

Mir blieb nichts anderes übrig, als neben ihm zu knien und nun auf dem zu hohen Fensterrand aufzulegen. Es ging mehr recht als schlecht. So einen langen Rücken hatte ich noch nie machen müssen, das Ehejoch hat ihn eher gekrümmt und verkürzt.

Ich musste den Widder überhaupt erst mal ins Glas kriegen. Ich sah nur „Näbbl“ und ein paar dicke Buchenstämme. Also war ich zu hoch. Noch länger den Rücken, die Wirbel knackten. „Rübezahl“ gab mir nun flüsternd Orientierungspunkte, indem er mir Buchen mit und ohne Zweige, links und rechts, sogar den Fallwinkel aufzählte ohne dabei zu berücksichtigen, dass sein Gesichtsfeld und meine Kniehaltung nicht übereinstimmten.

Endlich glaubte ich das Stück drin zu haben, zumindestens schien der Körper groß genug. Schnecken waren nicht mehr auszumachen. Na ja, ein Schaf kostete ja nur 20,- DM…

Mein Begleiter kommentierte jede Bewegung des Widders und, tatsächlich, der in meinem Glas tat dasselbe, also musste es der gleiche sein. Jetzt noch ein bisschen nach links und dann! Noch einmal streckte ich ächzend meinen Rücken, fasste das Ziel und die Sauer 200 schmauchte.

Nachladen, schrie „Muffel Uhlmann“ unnötigerweise. Der Widder zeichnete im Schuss, dreht sich auf seiner Achse und fiel in kurzen Fluchten die Talsenke an. Nach zwanzig Schritt hatte ihn der Nebel verschluckt. Uhrzeit: 16: 35 Uhr.

Alles ging so überraschend schnell. Vor dreißig Minuten hatten wir erst die Kanzel bezogen. Keine große Aufregung aber auch keine übermäßige Freude überfiel mich: zu schnell, zu früh, die Jagdatmosphäre konnte sich noch gar nicht richtig aufbauen.

Rübezahl hingegen war`s zufrieden. Glücklich paffte er eine nach der anderen weg, berichtete von der Freude des Führers, wenn`s geklappt hatte wie jetzt. Der Schuss müsse gut sitzen, meinte er, trotzdem nicht zu früh hinterher, wenn man ihn jetzt aufmüde, würde er noch lange und weit gehen.

Endlich, die Neugier hatte mich nun doch gepackt, zogen wir nach zwanzig Minuten zum Anschuss: starke Eingriffe, viel Schweiß im braunen Buchenlaub und eine deutliche Fluchtfährte.

Nach dreißig Schritten leuchtete uns die weiße Bauchdecke des fünfjährigen Widders entgegen…mein erster… Horrido!

Fortsetzung Udo

Nachdem wir das Wild versorgt hatten und Jens, der Schwiegersohn unseres Rübezahls, sich bereit erklärt hatte, es trophäenmässig zu präparieren, zogen wir unverzüglich in die „Bauernschänke“, wo man uns mit einem zünftigen „Glück Auf“ begrüßte.

Es entwickelte sich ein munteres Zechgelage mit grünem „Lauterbacher“ und frischgezapftem Rechenberger Bier, mehreren Gängen Schnitzel mit Ei und Beilagen und vielen Horridos und Waidmanns Heils. Auf jeden Fall hatten wir schön den Kanal voll und Mühe, unsere Herberge in Wolkenstein zu finden.

Endlich waren wir vor Ort und das freundliche Pensionspärchen wies uns in ein gemütliches Quartier mit westlichem Standard ein, das wir ganz für uns allein hatten. Während Rudi sofort bier-und jagdselig schnarchend einschlief, hatte ich noch Last mit den Mücken, die uns sirrend umschwebten. Dies war ein Jagdtag so recht nach unserer Mütze: erfolgreich, spannend, rustikal, regional authentisch, herzlich und ehrlich!!


TRIO INFERNALE

Die Nacht war kurz, der Wecker zu leise und ich gerade noch pünktlich am vereinbarten Treffpunkt mit Stefan. Es war ein schöner und sonniger Oktobermorgen, als ich mit ihm um 06: 00 Uhr auf der Kanzel saß, wo Rudi am Vorabend so glücklich zu Schuss gekommen war. Ich mach`s kurz, bei mir kam nichts!

Der Tag verging kurzweilig mit einem Besuch bei Herrn „Kanzleirat“ Funke, einem Ausflug und Treffen mit Bundesforstamtsleiter Clausnitzer in Marienburg und einem kleinen Erholungsnickerchen vor dem abendlichen Ansitz.

Heute Abend hatte ich den „Muffel Frank“ an meiner Seite, Rudi ging mit Stefan. Wir trennten uns an bekannter Stelle und wünschten uns gegenseitig Waidmannsheil.

Vorsichtig pirschend gingen wir etwa einen Kilometer einen Forstweg entlang, immer wieder links und rechts in die Schneisen der Jungfichten schauend, ob nicht im Bestand ein Rudel auszumachen war. Doch nichts!

So erreichten wir endlich eine geräumige Leiter, die zwei Leuten bequem Platz bot. Sie stand mitten im Buchenaltholz und gewährte einen freien Blick leicht hangaufwärts in ein übersichtliches Gelände. Im Umkreis von etwa zwei-bis dreihundert Meter war der Kessel von Nadelhölzern eingerahmt. Meistens schauten wir ohne unsere Gläser, denn jede Bewegung hätten wir mit bloßem Auge gesehen, denn heute war die Bühne nebelfrei.

Es verging fast eine Stunde, und die Uhr rückte auf halbsechs, da stupste Frank mich an: „Dort zieht ein Widder den Hang hinunter, links am Rande der Buchen.“ Was er mit freiem Auge sah, entdeckte ich nur mühsam mit meinem Glas. Doch dann machte auch ich das dazugehörige Rudel aus, mit drei weiteren jungen Widdern, Schafen und Lämmern. Doch welche Entfernung…! Weit über zweihundert Meter zogen sie meist verdeckt von Buchenstämmen in eine geläuterte Fläche, die von großen Reiserhaufen durchsetzt war, hinter denen sie immer wieder verschwanden.

„Willst du schießen?“, fragte er mich ganz einfach. Nun, so ganz viele Wahlmöglichkeiten hatte ich vielleicht nicht mehr. Aber auch wenn ich mich auf meine Weitschussfertigkeit verlassen konnte, dies schien mir dennoch ein Stück zu weit. Trotzdem machte ich mich fertig. Ich wollte ein Schaf oder Lamm und wartete, dass ein geeignetes Stück auf eine winzig freie Fläche zog… dort hätte ich eine klitzekleine Chance gehabt. Der Drilling lag eingestochen auf der weichen Unterlage meines Rucksackes und ich hatte halb sitzend, halb stehend eine einigermaßen stabile Position eingenommen.doch die Lichtung blieb leer!

„Wir müssen pirschen“, raunte mir mein Experte zu, „sonst sind sie weg“. Das schien mir die schwierigste aller Varianten zu sein, zumal mit einem ungleich höheren Risiko. Bei dem Untergrund des Weges und der Scharfsichtigkeit des Muffelwildes und dann möglicherweise noch stehend freihändig, na ja! „Muffel Frank“ war ja schließlich der Fachmann und nicht umsonst mit einem Widder leicht zu verwechseln. Allein sein Vertrauen in meine jagdlichen Fähigkeiten machte mich eher unsicher.

Wir waren schnell und leise von unserer Leiter runter und kamen auf einen Holzrückeweg, der uns relativ geräuschlos vorwärts kommen ließ. Während ich nur auf meinen Führer und den Waldboden achtete, sorgsam jedes Geräusch vermeidend, musste Frank noch das Rudel im Auge behalten. Inzwischen war es leicht dämmrig geworden und ich konnte von dem Wild schon kaum noch was sehen. Immer wieder pirschten wir uns 15 bis 20 Schritte vor, blieben stehen, sicherten und gingen langsam weiter. Hinter jedem Reiserhaufen konnten sie stehen und ich war erstaunt, dass er immer wieder sagte: „Sie sind noch da“.

Ich musste mich ganz auf ihn verlassen. Inzwischen waren höchstens fünf Minuten vergangen, die mir endlos vorkamen. Plötzlich blieb Rübezahl entgegen dem Pirschrhythmus stehen, blickt schräg nach links vorn und sagte durch fast geschlossene Zähne: „Da, ein Schaf, schießen, sofort, freihändig!“ Mir blieb das Herz stehen!

120 Schritt vor uns sichert ein Schaf direkt zu uns herüber; die inzwischen zugenommene Dämmerung lässt die Entfernung noch größer erscheinen, doch ich zögere keine Sekunde. Irgendwie ist mir klar, dass ich nur diese einzige Chance habe. Während der Drilling bereits an meiner Schulter liegt, suche ich mit den Füßen noch einen sicheren Stand. Jede Bewegung erfolgt ruhig und ohne Hast, dabei lasse ich das Stück nicht aus den Augen. Vielleicht habe ich noch drei Sekunden Zeit, bevor es seinen Warnpfiff abgibt, abspringt und das ganze Rudel auf und davon ist.

Der Zielstachel saugt sich wie gezogen auf das Blatt, kein Wackeln, keine Nervosität…Schuss!

„Nachladen, das Lamm!“, raunt er mir zu, das Glas nicht von den Augen nehmend. Mir läuft ein Schauer über den Rücken, während ich bereits wie automatisch den Drilling erneut lade, was deutlich langsamer geht, als das Repetieren einer Büchse, dafür aber umso geräuschloser ist. Vielleicht waren es diese Automatismen, die mir die Ruhe für den zweiten Schuss gaben.

Beide Detonationen noch in den Ohren, Franks „alle Achtung“ wie durch Watte dazu, überschlagen sich meine Gedanken wie eine Welle…getroffen, vorbei, krankgeschossen, Nachsuche? Alles wirbelt durcheinander, ebenso wie das Rudel, das jetzt Hals über Kopf in die angrenzende Dickung flüchtet.

Nur „Muffel Frank“ schien ganz ruhig zu sein. Ohne Worte geht er den Rückeweg weiter, der etwa parallel zur Schussrichtung verläuft. Mein Blick wandert immer nach links, dorthin, wo ich den Anschuss vermute. Da sehe ich einen weißen Fleck, das Schaf! Im gleichen Moment hüpft mein Herz in die Höhe…es liegt, ich habe getroffen! Eilig gehen wir darauf zu und ich merke erst später sein verschmitztes Lächeln, so als wollte er sagen, …“na, das war doch klar!“

Ich freue mich, als er bewundernd den Einschuss der Kugel kommentiert, besser hätte sie kaum sitzen können, welch ein Glück! Und als er dem Stück zur Altersbestimmung in den Äser greift und statt einer Zahnreihe nur noch den glatten Kiefer fühlt, da werden seine Freude und mein Stolz noch einmal dupliziert: ein Uraltschaf von ca. 15 Jahren, das den Winter nicht überlebt hätte. Wir können es beide nicht fassen.

Fast vergessen wir das Lamm. Keine zehn Schritt entfernt lag es ebenfalls im Knall und rundet unser beider Glück so richtig ab.

„Muffel Frank“ überreicht mir mit herzlichen Worten den Bruch, wir trinken Brüderschaft mit Bitterwurzen und sind hochzufrieden mit unseren Taten: er, weil er seinem sprichwörtlichen Widder-und Muffelinstinkt erneut gerecht geworden ist und ich, weil ich zwei so saubere Schüsse hingelegt habe, die mir selten wieder so gelungen sind.

Abends gibt`s Hirschwickel mit Klößen, die übliche Sause in der „Bauernstube“ und eine Einladung für den letzten Abend bei der Familie Uhlmann.

Bei der Frühpirsch am nächsten Morgen hatte ich noch einmal das Glück mit „Muffel Frank“ gehen zu dürfen. Die Ereignisse des Vorabends hatten schon eine große Befriedigung in mir ausgelöst, deshalb empfand ich diesen bewaffneten Spaziergang durch einen sonnendurchfluteten Herbstwald als einen willkommenen Abschluss einer wunderbaren Jagd mit meinem Freund Rudi, der mit seinem ersten Widder ja auch seinen glücklichen Erfolg hatte. Eine weitere Beute für mich kam mir gar nicht in den Sinn.

So in Gedanken glücksseliger Zufriedenheit vertieft, laufe ich Frank fast in die Hacken, als er abrupt vor mir stehen bleibt und wortlos nach links vorne in einen schattigen Winkel lichteren Altholzes blickt. Ich folge seinem Blick und sehe nichts. Nur sein leichtes Kopfnicken lässt mich genauer hinschauen und da entdecke auch ich den weißen Muffelfleck, den Widder, seine Schnecken und das leise Raunen von Frank: „Einwachser, schießen!“

Seine Aufforderung trifft mich wie ein Donnerschlag. Meint er das ernst? Seine Geste ist unmissverständlich. Ich wundere mich nur, dass der Widder sich nicht bewegt und auf achtzig Schritt neugierig zu uns rüber äugt…

Der Drilling gleitet langsam von der Schulter, ich gehe wie in Trance in Anschlag, habe das Stück schnell drin und nehme mir nicht mal die Zeit, ihn einzustechen, als der gekrümmte Zeigfinger nur ein „Klick“ auslöst. Was ist das denn? Ein fragender Blick zwischen Frank und mir, ein erneutes Spannen der Waffe, zweiter Anschlag, das gleiche Geräusch: „Klick“. Ich fasse es nicht! Welch eine Blamage, welch eine Schande!

Aber noch größer als meine Fassungslosigkeit ist die Tatsache, dass der Einwachser stehen bleibt und diesen ganzen Zirkus aushält. Unglaublich!! Während ich die Fehlpatrone aus dem Lauf nestele und eine neue einschiebe, bin ich mir sicher, dass da vorne nur eine Attrappe steht und mich zum Narren halten will. Der dritte Anschlag, diesmal steche ich ein, auf diese zwei Sekunden kommt`s jetzt auch nicht mehr an! Dann ist der Schuss endlich draußen und das Phantom verschwunden. Die Verwirrung ist komplett und meine Knie beginnen jetzt zu zittern.

Frank hat das ganze Drama mit dem Doppelglas wortlos verfolgt und auch jetzt keinen Kommentar gegeben, nur eine erste von drei Zigaretten angesteckt und die Aufforderung an mich, ihm mal die defekte Patrone zu zeigen. Wir schauen sie uns an: ein deutlicher Abdruck des Schlagbolzens auf dem Zündhütchen… eine Fehlzündung!

Seine Ruhe und Gelassenheit machen mich nervös. Er macht keinerlei Anzeichen, sich um den Widder, den Schuss oder dessen Folgen zu kümmern. Erst am Ende der dritten Zigarette klopft er mir auf die Schulter und fordert mich auf, ihm zu folgen. Nach hundert Metern stehen wir vor dem vierjährigen Einwachser, dessen Neugierde, Unerfahrenheit oder Leichtsinn ihm zum Opfer gefallen ist.

Frank und ich können es beide nicht fassen, dass diese unglaubliche Situation wirklich passiert ist…aber es war so und hat ein paar Jagdtage im Erzgebirge zum Abschluss gebracht, die man getrost als „Rübezahls Wunder“ bezeichnen kann. Horrido


…VERSTECKT

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