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DER BIRKHAHN RUFT

Oktober 1985

Aus den Erfahrungen der beiden letzten Tage haben wir gelernt und beschlossen, unseren Ansitz auf den Bereich zwischen „Spielhahnwiese“ und den „Elchkamm“ zu konzentrieren. Eine Strategie, die sowohl die Geländeformationen, Windrichtung und Deckungsbedingungen, als auch Sicht – und Sicherungsaspekte berücksichtigte.

Wir – das sind fünf verwegene „Jagersmanen“ aus „Tüskeland“, die sich zu einem verschworenen Quintett zusammengetan haben, um in der Einsamkeit Südnorwegens auf Birkwild zu jagen. Ein Vorhaben, das nach langer Planung und Vorbereitung nun endlich wahr wurde.

Ausgangspunkt war – wie so häufig – Rudis Angebot und Einladung zu einer Jagdreise, deren Ziel ihm seit vielen Jahren schon vertraut und durch häufige Familienurlaube ans Herz gewachsen war…sozusagen seine zweite Heimat: ein einsam gelegener, alter Bauernhof mit einem traumhaften Panoramablick auf einen kristallklaren See, inmitten einer norwegischen Urlandschaft, die von der Eiszeit geformt und von der Sonne gemalt wird: geschliffene Felspartien durchsetzt von Birken – und Kieferwäldchen, in den Tälern liegen moorige Feuchtwiesen mit kniehohem Riedgras, hier und da plätschert ein silbernes Bächlein über Felskaskaden in kleine versteckte Seen, und die grünen Blaubeerbüsche wechseln sich mit dem lila Heidekraut ab. Eine Augenweide für den Betrachter und ein Genuss für die Sinne, eingebettet in eine unfassbare Ruhe.

Und die fünf Jagdfreunde ? – eine Mannschaft der Verwegenen – jeder für sich ein Original. Sie und ihre Eigenarten zu beschreiben würde allein eine umfangreiche Charakterstudie füllen. Hier bleibt das Bild auf ihre jagdlichen Fähigkeiten und ihre outdoortüchtigen Qualitäten beschränkt, deren Herausforderungen ohnehin groß genug sind.

Wir hatten schon drei erlebnisreiche Tage hinter uns und uns mit der Umgebung auf bewaffneten Spaziergängen vertraut gemacht. Dazu gehörte auch eine zünftige Fahrt mit dem Kanadier über den See zu dem einsamen Nachbarn Arne Bjorvatn, der uns mit seinen drei Hasenhunden freundlich empfing und sich mit Rudi auf Espestjölplatt „fließend“ unterhielt.

Im Haus hatten wir uns gemütlich eingerichtet und die Bettenverteilung nach Schnarchgewohnheiten berücksichtigt. Die herbstliche Kühle wurde durch die gewissenhafte Befeuerung des Kamins mit der Erfahrung unseres Oberförsters Klaus dauerhaft beherrscht…sogar nachts.

Meine Aufgaben bestanden im Wesentlichen in der Organisation des Unterhaltungsprogramms und der notwendigen Ergänzungseinkäufe für die Sicherung der weiteren Nahrungs – und Verpflegungseinheiten.

Fivos – unser Grieche – kam mir mit seinen kretischen Kochkünsten dabei zur Hilfe, sodass wir die Truppe auf`s Feinste verköstigten.

W.P. – unser Feingeist, beschränkte sich hauptsächlich auf die Einhaltung seiner rituellen Waschungen und die telefonische Kontaktaufnahme mit seiner frischvermählten Verlobten.

So war jeder eingespannt in den täglichen Ablauf unserer Abenteuer, deren Höhepunkte natürlich die gemeinsamen Jagdeinsätze waren, die dann unsere totale Konzentration erforderten.

Rudi – unser Jagdherr und Revierkenner – hatte bereits vorgelegt und am Abend vorher seinen jagdlichen Instinkt unter Beweis gestellt: während wir anderen unsere Ansitze bei einbrechender Dämmerung bereits aufgegeben hatten, folgte er seinen über Jahre erworbenen Kenntnissen der südnorwegischen Birkhahngewohnheiten und harrte noch aus. Diese Geduld wurde belohnt, als er im letzten Flintenlicht liegend und blitzschnell aus einem Viererschoof einen “Kullerjahn“ herauspickte, der ihm direkt vor die Füße fiel…alle Achtung und Waidmannsheil.

Nun, heute Morgen sollten auch wir anderen die Gelegenheit bekommen, unsere Jagdtauglichkeit zu zeigen. In einem ausgeklügelten Schlachtplan gingen wir strategisch diszipliniert die „Fünferriegel “ die 1.an.

Fivos wird etwa 400 m. vorher abgesetzt und soll abstreichende Hähne abfangen. Klaus, Rudi und ich bilden einen Sperrriegel. W.P. sollte ab 9: 30 – nach seinen rituellen Waschungen - auf dem Felshügel warten, wenn wir beim Rückmarsch die östliche Seite des Weges durchdrücken würden.

Klaus hält sich in der Nähe der Spielhahnwiese auf, ich auf einen schmalen Riegel mit Blick auf einen Kamm, der von einer markanter Kiefer gekrönt wird. Rudi bezieht rechts von mir eine geniale Stellung, die ihn in einer kleinen Wacholdergruppe vor den scharfäugigen Blicken der Hähne deckt.

Gegen 8: 00 Uhr haben alle ihre Positionen bezogen. Langsam geht die Sonne auf und bescheint die Szene mit ihren wärmenden Strahlen. Es tut sich lange Zeit nichts, als plötzlich ca. 10 Birkhähne vom Elchkamm hinunterstreichen, direkt über Rudi hinweg den gegenüber liegenden Hang hinauf und sage und schreibe in die hohe Kiefer einfallen. Es sind genau die gleichen Vögel, die wir am ersten Tag der Anfahrt ins Revier gesehen haben: ein Einzelner, eine Dreiergruppe, die am Vorabend vor Rudis Meisterschuss noch aus vier bestand und ein Sechserschoof.

Doch alles ging so schnell, dass selbst Klaus, der am dichtesten dran war nur noch einen Verzweiflungsschuss hinterher werfe konnte. Nun saßen sie alle verdeckt in der Kiefer, jeder konnte sie sehen, aber keiner kam ran, nicht zu fassen.

Später berichtet Klaus, dass er mit seiner Bockbücksflinte 20 Minuten lang einen genau im Visier hatte, aber die Unsicherheit wegen der Treffgenauigkeit seiner Kugel hielt ihn vom Schuss ab.

Ich lag ziemlich ungedeckt auf meinen Riegel und gab sofort jeden Gedanken an ein Heranpirschen auf. Allein der heranbrechende Tag, dessen Sonnenstrahlen die Landschaft jetzt zum Leben erweckte, das schlaue Verhalten des Birkwilds, die Freunde um mich herum, all das erfüllte mich mit einer inneren Zufriedenheit, die jede Jagdnervosität vergessen ließ.

Inzwischen hatte Fivos seinen vereinbarten Platz aufgegeben und sich in seiner typischen Unruhe – neugierig gemacht von Klaus` Schuss – unerlaubter Weise in die Gefahrenzone begeben. Auf ein Zeichen von uns ließ er sich erschöpft und nassgeschwitzt wie ein Maikäfer auf den Rücken fallen und blieb bewegungslos im Heidekraut liegen.

Da, plötzlich und völlig unvermittelt streicht der erste Hahn aus der Kiefer ab und zieht durch die Senke genau auf Rudi zu. Die anderen folgen ihm direkt hinterher, direkt über Rudi`s getarnten Platz. Jeden Augenblick erwarte ich seinen Schuss, und der Jagdfreund enttäuscht mich nicht! Schuss und hörbarer Aufschlag seines zweiten Hahns sind fast eins. Und wieder liegt die Beute keine 10 Meter in dem von ihm bevorzugten Radius.

Welch ein Erfolg, welches Jagdglück, aber auch welche Treffsicherheit. Seine vor Stolz geschwellte Brust kann er bei aller Bescheidenheit kaum verbergen. Obwohl fast alle seine Heldentat gesehen haben, wird er nicht müde, bei einem ausgiebigen Frühstück jedes Detail noch einmal ausgiebig zu schildern und die anderen zu ermutigen, ihm diese Kleinigkeit nachzumachen.

Um dieses Vorhaben für alle plastisch zu verinnerlichen, inszenierten Rudi und W.P.an dem feuchtfröhlichen Horridoabend den Ablauf der Erlegung vom Morgen noch einmal in schauspielerischer Vollendung: Rudi – rückseits auf dem Boden liegend – mit schnellem Griff zur Flinte in den Anschlag gehend, und W.P. mit beiden Armen wie mit Flügeln schlagend, hüpfend um ihn herum den Spielhahn imitierend und dann das „bum“ aus Rudis Mund als Schuss und einen zusammenbrechenden W.P. der das Ende des Spielhahns vortrefflich wiedergab.

Noch viele Fässchen Bier und mancher Bittern waren vonnöten, um diese Schauspielkunst zu würdigen.

Noch einen vollen Jagdtag und einen Abschiedsvormittag hatten wir vor uns und schon so eine pralle Tüte schönster Erlebnisse und Stunden konserviert… mehr ging fast nicht, und dennoch gaben wir nicht auf, auch die Beutelosen noch zu Schuss kommen zu lassen. So verfeinerten wir den „Fünferriegel“ ein weiteres Mal und bauten all unsere bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen ein. Das Ergebnis lässt sich auf der Skizze erkennen:

Vier Eckschützen wurden auf die zwei Kämme verteilt, nördlich Fivos und Udo, südlich Rudi und Klaus, und W.P. wurde als zentraler Jagersmann im diagonalen Mittelkreuz postiert, sozusagen auf dem Kaiserplatz.

Für den morgendlichen Ansitz müssen Fivos und ich zuerst auf die Läufe, weil wir den Elchkamm abriegeln sollen. Die Sonne versteckt sich noch hinter einem leichten Dunstschleier, als wir vorsichtig unsere Plätze einnehmen. Fivos 100 m. rechts von mir bei den 3 Espen, aber wegen des dichten Holzes nicht zu sehen. Ich wähle mir eine kleine Kieferngruppe aus, die mich nach links zum Tal hin und gegen einige Birken abschirmen, in die gestern nach Rudi`s 2. Schuss die restlichen 9 Hähne eingefallen sind. Nach vorn baue ich mir aus Kiefernzweigen einen provisorischen Schirm und bin so bestens gedeckt. Zufrieden werde ich eins mit der Natur und bereite mich auf einen schönen Sonnenaufgang und hoffentlich auf einen guten Anflug vor.


DER FÜNFERRIEGEL

Inzwischen mussten wohl auch die anderen ihre Plätze eingenommen haben: Klaus und Rudi gegenüber auf dem Kiefernriegel zwischen Moorwiese und Birkhahnwiese. W.P. im diagonalen Schnittpunkt in unserer Mitte.

Leicht verträumt von der Lieblichkeit der Landschaft schaue ich routinemäßig in die Runde und traue meinen Augen nicht: links von mir durch einen Wachholderbusch entdecke ich auf den hellen Zweigen einer Birke einen Birkhahn! Sein schwarzes Gefieder und seine rote Haube glänzen in der Sonne. Dahinter der strahlendblaue Morgenhimmel gibt der Silhouette eine unwirkliche Schönheit. Die Faszination dieses Augenblicks lässt mich die wahre Absicht dahinter fast vergessen. Ich wage kaum zu atmen, geschweige denn mich zu bewegen, nur 60 m. von mir entfernt sitzt das Ziel meiner Wünsche…wirklich?

Ich schiebe alle Zweifel beiseite und greife mit der rechten Hand im Zeitlupentempo zum Drilling. 60 Meter, für die Schrote zu weit, die große Kugel zu dick, es muss der kurze Einstecklauf schaffen. Er ist zwar mit dem kleinen Kaliber geladen, aber wann habe ich das letzte Mal damit geschossen?

In eiserner Konzentration bringe ich den Schieber auf die richtige Position, steche den vorderen Abzug ein und gehe behutsam in Anschlag: sitzend auf meinem Dreibein, angestrichen am Zielstock suche ich ein winziges Loch im Wacholderbusch, durch das die Kugel muss.

Der Hahn bewegt sich leicht auf dem schwankenden Birkenzweig. Ich muss eine ruhige Sekunde abwarten und kontrolliere noch einmal die Einstellung der Waffe, bevor ich entsichere. Es ist vielleicht meine letzte, ja vielleicht einzige Chance.

Im nächsten Augenblick ist der Schuss raus…und vorbei? Anstatt zu fallen streicht der Vogel mit einigen Flügelschlägen nach rechts ab und verschwindet in den dicht stehenden Kiefern. Ein letztes Klatschen und dann ist Ruhe…Mist! Später bestätigen mir die Freunde, die einen Teil des Geschehens beobachtet haben, dass der Hahn tatsächlich im Wald verschwunden und nicht mehr zu sehen war.

Auch Fivos, der ja im „Fünferriegel“ nicht weit von mir an den Espen sitzt konnte mir auch keine bessere Nachricht geben. Also klammere ich mich an den letzten Strohhalm und suche nach Beendigung der Ansitzaktion an der Stelle, wo ich den Hahn im Wald habe einfallen sehen. Doch in dem Gewirr von Pollgras, Zweigen, trockenen Blättern, Kiefernadeln, Kraut und Farn gleicht das der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Nach zwanzig Minuten gebe ich resigniert auf.

In der Hütte verbreitet sich kurzfristig eine gedrückte Stimmung, bevor wir uns nach dem Frühstück durch sinnvolle Tätigkeiten und lustige Spielchen ablenken. Irgendjemand kam auf die Idee, mit ein wenig Fantasie und Geschick eine provisorische Anlage für einen „Laufenden Keiler“ zu bauen. Dafür waren Klaus, Fivos und ich sofort begeistert.

Als Zugseil wurde eine lange Reepschnur aus dem Schuppen gefunden, die zwischen dem Kirschbaum und einer niedriger stehenden Kiefer gespannt wurde. Auf dem natürlichen Gefälle sollte ein leeres, kleines Bierfässchen als Keilerersatz an zwei glatten Haken auf dem Spannseil hinunterrutschen und mit einem dünnen Rückholseil wieder in die Ausgangsposition gebracht werden. Ein Schusstisch in 25 m. Entfernung komplettierte diese geniale Anlage und fand auch die Begeisterung von Rudi und W.P., als sie von ihrer Einkaufstour zurückkamen.

Begleitet von Jagdhörnern, Bier und Fotoapparaten begann das fröhliche, norwegische Schießen auf den „laufenden Blechkeiler“. Ein Gaudi für die ganze Mannschaft.

Die Meisterleistung gelingt Fivos, der nach fünf Fehlschüssen das Seil trifft und nur noch dessen Seele stehenlässt; die anderen hatten das Bierfässchen schon mächtig durchsiebt.

Um seine Schande auszugleichen bietet er an, mit seiner Büchse durch das Spundloch des Fasses zu schießen. Ohne zu zögern bereitet er dieses Kunststück vor und verblüfft uns allesamt mit einem Meisterschuss, der an Präzision nicht zu übertreffen ist: In der Tat war am Ende nur der Ausschuss zu erkennen, der Einschuss ging mitten durch das pfenniggroße Spundloch!! Bravo Fivos!

Mit einem zünftigen Kaminabend krönen wir den Tag und trösten uns über den letzten und erfolglosen Ansitz am Nachmittag mit einer deftigen Sause hinweg. Als uns Rudi dann noch zur Erinnerung an diese wundervollen Jagdtage mit wohlgesetzten Worten jedem von uns ein schwedisches MORA Messer überreicht, sind alle Fehlschüsse vergessen und nur noch die Heldentaten werden mit lauten Horridos begleitet.

Der letzte Tag bricht an, die Woche ging viel zu schnell vorbei und dennoch wollen wir die allerletzte Gelegenheit nutzen, um uns doch würdevoll aus dem Traumrevier zu verabschieden. Ein ultimativer Frühansitz sollte uns den Abschied leichter machen.

Um 6: 30 Uhr sind die drei Unentwegten auf den Läufen: Klaus, Fivos und ich. W.P. wollte sich erst seinen rituellen Waschungen widmen, um dann mit Rudi für die Jäger das Frühstück vorzubereiten.

Dichter Nebel verhängt den Himmel, wie ein Schleier deckt er alles zu. Dennoch beziehen wir hoffnungsvoll unsere Plätze: diesmal geht Klaus auf den Elchkamm und setzt sich an meinen Platz von gestern hinter den provisorischen Schirm. Ich bleibe diesmal in der Nähe der Hohen Kiefer und Fivos postiert sich zwischen uns im Talgrund auf Rudi`s bewährten Beuteplatz.

Als sich der Nebel etwas lichtet, sehe ich den Griechen Anschlagübungen mit seiner Büchse machen; wahrscheinlich will er der Spundlochschuss wiederholen. Doch der erste Schuss fällt bei mir, eher als Hebeschuss auf ein keckes Häherpärchen, das meinen Posten kreuzt.

10 Minuten später ein weiterer Knall und ich vermute bei Fivos, doch der Ton scheint mir für eine Büchse zu hell. Na, das ist ja heute Morgen ein munteres Eröffnungsschießen und hebt die Stimmung kolossal.

Langsam gewinnt die Sonne die Oberhand und taucht die ersten Kiefernspitzen auf dem Elchkamm in ein zartes Licht. Dann leuchten die weißen Birkenstämme wie kunstvolle Malerstriche am noch dunklen Gegenhang, bevor die Sonne auch den Rest des Nebels vertreibt und die volle Farbenpracht die späte Herbststimmung entfaltet. Es ist, als wolle sich die Natur für uns zum Abschied noch einmal so richtig herausputzen.

Da sehe ich Klaus und Fivos im Tal zusammen kommen und gemeinsam treten wir schweigsam den Rückweg zur Hütte an und wählen einen kleinen Umweg durchs Gelände. Auf dieser Streife entdecken wir per Zufall das eigentliche Zentrum des Hahnenvolkes, den „Birkhahnkopf“, eine erhöhte Felsplatte mit leckerster Äsung, bester Deckung und einem herrlichen Rundumblick. Über ein Dutzend Hähne machen wir hoch, aber alle stehen sie zu früh auf und keiner kann sie fassen. So haben sie sich aber gebührend von uns verabschiedet und wir sind dankbar für den letzten Anblick.

Das veranlasst Klaus dann auch noch zu dem kurzen Hinweis, dass er den zweiten Schuss abgegeben hätte, aber eher als flüchtigen Versuch, um nicht gänzlich mit blanken Läufen nach Hause zu fahren.

Rudi und W.P. haben das Frühstück zubereitet und warten gespannt auf unseren Bericht. Enttäuscht erzählen Fivos und ich von unserem Misserfolg und Klaus schließt sich mit niedergeschlagenem Gesicht mit der folgenden Geschichte an:

„Kaum habe ich Udo`s Platz hinter dem gebauten Schirm eingenommen und es mir halbwegs bequem gemacht, als ein frecher Althahn keck vor mir auf 15 m. über die kahle Felsplatte stolziert und mich misstrauisch anäugt. Völlig überrascht und mit klopfendem Herzen drücke ich den Sicherungsschieber meiner Flinte, die Gott sei Dank griffbereit auf meinem Schoß lag, nach vorn. Schon das leise Klicken lässt den Vogel blitzartig abstreifen.

Im gleichen Augenblick reiße ich die Flinte hoch und schwinge sie erst rechts dann links – so wie der Vogel fliegt – und schicke ihm die Schrote hinterher. Schon bin ich auf den Beinen und sehe nur eine einsame Feder in der Luft kreiseln, von der Beute keine Spur“

Man sieht ihm seine tiefe Enttäuschung an und wir leiden mit ihm, auch als er zum Beweis für sein Pech eine verknickte Feder aus seiner Tasche zieht.

Ein Schluck heißer Tee und ein hungriger Biss in sein Frühstücksbrot untermalen wirkungsvoll seine unglückliche Stimmung und leiten bei allen eine nachdenkliche Pause ein…wir leiden mit ihm.

Plötzlich strafft er sich, hebt seinen Kopf und fährt mit aufgeregten Worten fort:

„Verdammt, das gibt´s doch gar nicht, der muss doch liegen, ich bin doch einigermaßen abgekommen! Also suche ich weiter in dem heillosen Unkraut und Gebüsch. Da entdecke ich zehn Meter vor mir einen Haufen Federn zwischen Krüppelkiefern und Blaubeersträuchern. Mit hohem Puls stürze ich darauf zu und traue meinen Augen nicht: da liegt der Hahn!!! Ich fasse es nicht, also doch getroffen, mein erster Birkhahn!“

Wir brechen spontan in lautes Jubeln aus und klopfen ihm ordentlich auf die Schultern, sodass er sich fast verschluckt. Na also, beim letzten Ansitz doch noch einen Hahn für unseren Förster, wir gönnen es ihm von ganzem Herzen.

Welch eine unerwartete Pointe und wie geschickt von ihm in Scene gesetzt, ein Meister der Dramaturgie. Mensch Klaus – ein Waidmannsheil auf deinen Hahn. Eine Runde Ouzo und ein zusätzlicher Schuss Rum in den Tee und die Runde nimmt das „Warm-up“ dankbar an.

Überrascht sind wir allerdings, als Klaus seine Hand hebt und um weitere Aufmerksamkeit bittet. Sofort schweigen alle still, um nur ja nichts zu verpassen.

„Stellt euch vor, wie ich den Vogel hochnehme, merke ich, der ist ja eiskalt, wie kommt das denn? Verwundert drehe ich ihn in den Händen hin und her und kann es mir nicht erklären“

Klaus schaltet eine kleine Kunstpause ein und schaut in die Runde, blickt jedem ins Gesicht, einem nach dem anderen und erntet nur ratlose Mienen. Bei mir bleibt er hängen und ein heißer Strom durchflutet meine Adern, eine unglaubliche Ahnung nistet sich in mein Bewusstsein…da erlöst mich der Freund von allen Zweifeln und sagt:

“Udo, es ist dein Hahn, dein Birkhahn von gestern!“

Ich kann`s nicht fassen. Ungläubig für den Moment muss ich wohl wie ein Froschkönig geguckt haben, ehe sich ein unbeschreiblicher Jubel in mir breitmacht und mich schier überwältigt. Mein lieber Freund, was hast du mir da für eine Freude bereitet, uneigennützig und mit einer ehrlichen Überzeugung…das ist Freundschaft!

Der nächste Ouzo wird eingeschenkt, aus dem Tee wird bald ein Grog Das Publikum applaudiert und Klaus hebt beschwichtigend die Hände und dämpft in seiner Bescheidenheit den allgemeinen Jubel, ehe er geheimnisvoll fortfährt:

„Und was soll ich Euch sagen, ich rätsele noch über die Erklärung nach und habe den Vogel noch in meinen Händen, da bewegt sich etwas, keine zwei Meter vor mir hinter einem dicken Heidekrautbüschel. Ich stürze drauf zu und sehe einen zweiten Birkhahn – meinen – Birkhahn! Er ist noch in Bewegung, kann mir aber nicht mehr entkommen. Mit Rudi`s neuem Mora Messer gebe ich ihm den letzten Ritterschlag und halt zwei „Kleine Ritter“ in meinen Händen.“

Wir sind völlig sprachlos! Sekundenlang bringen wir keinen Ton heraus, ehe ein wildes Gejohle bis zum See zu hören ist und Klaus in unserer Mitte sich kaum noch der Umarmungen und Schulterschläge erwehren kann!

Jeder weitere Kommentar ist an dieser Stelle überflüssig. Wenn der Lügenbaron von Münchhausen diese Geschichte erzählt hätte, oder man von dem sprichwörtlichen Jägerlatein noch nichts gehört hätte, spätestens jetzt müsste jedem klar sein, diese Story kann keiner erfinden, die ist einfach nicht zu glauben…und doch entspricht sie der vollen Wahrheit, erzählt und meisterhaft inszeniert von einem Künstler der Dramaturgie, der sie selbst erlebt und seinen Freunden geschenkt hat. Danke Klaus.

Zum wahrhaft krönenden Abschluss holt er die beiden Birkhähne aus seinem Rucksack und gemeinsam bereiten wir ihnen ein würdiges Stillleben für ein Foto der ewigen jagdlichen Erinnerung an ein unvergessliches Abenteuer. HORRIDO!


EINE WAHRE GESCHICHTE

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