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5. Religionswissenschaft in nicht-europäischen Ländern und Kulturen

5.1 China

Der buddhistische Mönch Fa-Hsien (Fa-Hien, chin. Fǎxiǎn, um 337–422 n. Chr.) reiste um 399 zusammen mit vier anderen Mönchen von China nach Nepal. Die Gruppe benötigte sechs Jahre, um die Geburtsstätte Buddhas in Kapilavastu („ein Ort weitläufiger Trostlosigkeit“) aufzusuchen, sich mit dem gelebten Buddhismus zu beschäftigen und die vollständige Ausgabe des Vinayapitaka („Korb der Ordensregeln“) nach China zu bringen. Fa-Hsien studierte mehrere Jahre vor Ort Sprachen, sammelte Texte, bereiste berühmte Stätten. Auf seiner Rückkehr machte er zwei Jahre Halt auf Sri Lanka. 414 betrat Fa-Hsien wieder chinesischen Boden – im Gepäck Texte und Kunstgegenstände. Sein restliches Leben verbrachte er damit, die Schriften ins Chinesische zu übersetzen. Sein Reisetagebuch enthält Schilderungen des Buddhismus in Indien, auch Informationen über den damaligen Hinduismus.

Der wohl beeindruckendste Reisebericht vor dem Marco Polos stammt von Hsüan-tsang (Xuanzang, 602–664). Als Dreizehnjähriger konvertierte der aus einer konfuzianischen Gelehrtenfamilie stammende Hsüantsang zum Buddhismus. Unzufrieden mit einem Buddhismus, wie er in seinem Heimatland widersprüchlich gelehrt und praktiziert wurde, machte er sich 622 für 16 Jahre auf die Suche nach dem „wahren“ Buddhismus. An der buddhistischen Mönchsuniversität Nalanda kritisierte Hsüantsang zwei hinduistische Lehrrichtungen (Samkhya und Vaisheshika) und den atheistischen Monismus der Jainas und debattierte in religiös-philosophischen Zirkeln. Angeblich widerlegte Hsüantsang 500 Brahmanen und heterodoxe Buddhisten.

5.2 Islam

Seit den Zeiten des Korans, der neben „Schriftbesitzern“, insbesondere Juden und Christen, noch Sabier und Zoroastrier unterscheidet, beschäftigten sich islamische Theologen mit diesen und anderen Religionen. Weil sich die islamischen Reiche nach Süd- und Zentralasien, Nordafrika und Europa ausbreiteten, nahm die literarische Auseinandersetzung mit den politischen und religiösen Verhältnissen rasch zu. Theologisch dominierten apologetische und polemische Studien, die sich an „islamischen Häresien“ abarbeiteten, zugleich aber religionskundliches „Wissen“ vermittelten. Während des „Goldenen Zeitalters“ des Islam (8.–13. Jh.) wurde Bagdad nach Babylon zur Verkörperung von orientalischem Multikulturalismus und Wissenstransfer. Diese Metropole spielte eine wichtige Rolle für die Überlieferung hellenistischen und östlichen Wissens in Naturwissenschaft, Mathematik, Philosophie, Geographie, Astronomie, Literatur und Religion/en. Weltrang hatte das „Haus der Weisheit“ in Bagdad. Hier arbeiteten 90 Gelehrte (darunter 37 Christen, acht Sabäer, neun Juden) an wissenschaftlichen Übersetzungen (Galen, Hippokrates, Platon, Aristoteles, Ptolemäus, Archimedes) hauptsächlich aus dem Griechischen ins Arabische. Ähnliche Einrichtungen wurden später in Córdoba und Sevilla nach dem Muster von Bagdad geschaffen.

Pioniere islamischer Religionswissenschaft

Der große Reisende Al-Mas’udi (um 890–956), der Pakistan, Indien, Ostafrika, evtl. Zanzibar, Kaspisches Meer, Kaukasus, Ägypten, Syrien und den Jemen bereiste, rezipierte die ihm zugänglichen Schriften über Naturwissenschaften, Erdkunde, Geschichte, kannte Aristoteles, Ptolemäus und Platon. Außerdem stand er in Verbindung mit den Gelehrten vieler religiöser Richtungen. In seinem „Buch der Goldwäschen und Edelsteinfundstätten“ (943–947) schilderte er die Geschichte der Welt seit der Schöpfung. Im zweiten Teil stellte er die Geschichte des Islam vom Ende des 6. Jh. bis 947 dar. Im ersten Teil informierte er auch über religiöse Gedanken der Inder, Chinesen, Perser, Griechen, Römer, Byzantiner, Franken, Galicier und Langobarden.

In die erste Reihe islamischer Religionswissenschaftler gehört der persisch-islamische Naturwissenschaftler al-Bīrūnī (973–1048). Seine Methode war empirisch ausgerichtet. „Einen gestörten Eindruck“ machten auf ihn diejenigen, „die nur Autoritäten folgen und ihre Prinzipien dem entnehmen, was ihnen gesagt wird, ohne dass damit eine Methode der Überprüfung einher geht“. Al-Bīrūnī trat als Astronom hervor, war Geograph und Übersetzer, Mathematiker, Physiker – und Religionswissenschaftler. Er war eng mit dem Philosophen und Mediziner Ibn Sīnā (Avicenna) befreundet. Al-Bīrūnī begleitete Sultan Mahmoud von Ghazna auf dessen Eroberungszügen in Nordwestindien (Afghanistan) und schrieb darüber ein ausführliches Werk. In seinen Tagebüchern hielt er seine Beobachtungen über die Lebensweise der Menschen, ihre Kulturen und Religionen (Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, auch Christentum und Judentum), Tiere und Pflanzen, Kosmologie und Astronomie fest. In einer Zeit, als die islamische Theologie damit beschäftigt war, Christen aufgrund der „Fälschungshypothese“ eine Verzerrung des Evangeliums anzulasten und polemische Auseinandersetzungen die Superiorität des Islam beweisen sollten, befasste sich al-Bīrūnī und der aus Sharistan in der persischen Provinz Chorazan stammende asharitische Theologe und Religionshistoriker asch-Schahrastānī (1086–1153) in seinem „Buch der Religionsparteien und Philosophenschulen“ u.a. mit Al-Hind (Indien) und dem Manichäismus. Auch asch-Schahrastānī gehört zu den Pionieren der Religionswissenschaft im Islam. Sein Werk war ein Versuch, andere Religionsgemeinschaften und Philosophien fair darzustellen.

Al-Bīrūnī legte eine differenzierte Darstellung der Religionen vor, etwa der hinduistischen Bhakti-Frömmigkeit. Seine Erkenntnisse gewann er aus Textstudien und eigener exakter Beobachtung. Wie wichtig für ihn das empirische Vorgehen vor Ort war, zeigte sich daran, dass er frühere, nicht auf seiner eigenen Anschauung beruhende Literatur nicht erwähnte. Al-Bīrūnī schrieb über die Kastenordnung, Ethik, Kühe, Schöpfungsvorstellungen (Weltei), unterschiedliche Religionsformen (populare Religiosität/Religiosität der Eliten). Dabei bezog er auch Position, indem er die Einstellung der gebildeten Hindus gegenüber der bilderfrohen Frömmigkeit popularer Religiosität, einschließlich der islamischen, favorisierte. Auch reflektierte er seine eigenen Vorurteile bei der Begegnung mit Hindus. Seiner eigenen religiösen Position als Muslim war er sich bewusst. Kam ihm in anderen Religionen etwas „merkwürdig“, schwer verständlich vor, nutzte er den systematischen Religionsvergleich als Verstehenshilfe.

Al-Ghazalis (1095–1111) vierbändiges Werk „Ihya’ ulum al-din“ („Wiederbelebung der Religionswissenschaften“, wie sein Titel fälschlich übersetzt wird) war keine Religionswissenschaft in welchem Sinn auch immer, sondern ein Kompendium islamischer Theologie und Ethik („ulum ad-din“: „Wissen[schaften] der [islamischen] Religion“). Der Autor polemisierte gegen ismailitische Esoteriker und Philosophen im Allgemeinen.

Der als „Religionswissenschaftler von Rang“ (Singer: 292) bezeichnete Theologe, Philosoph und Dichter Ibn Hazm (994–1064) aus Córdoba war ein guter Kenner nicht-islamischer Traditionen. Er verließ sich nicht auf Sekundärliteratur, sondern arbeitete empirisch. Auch wenn seine Qualitäten als Historiker nicht zu bestreiten sind, so war sein Hauptwerk nicht allein historisch ausgerichtet, sondern verfolgte theologische Zielsetzungen. Ibn Hazm bemühte sich nicht – wie etwa al-Bīrūnī –, andere Religionen aus sich selbst heraus zu verstehen. Stattdessen setzte er fremde religiöse Inhalte in Beziehung zu Lehren der eigenen Religion und kritisierte sie auf dieser Grundlage.

Ibn Khaldun verbrachte seine frühen Jahre in Tunis, Marokko und Granada. Ibn Khaldun bekleidete hohe politische Ämter, war zum Beispiel Premierminister des hafsidischen Sultans (Algerien). Berühmt gemacht hat ihn neben der Schrift Kitab al-Ibar (Buch der Beispiele) seine Al-Muqaddima („Die Prolegomena“), entstanden in den Jahren 1374 bis 1377. In Europa wurde es erst Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt. Mit seiner Muqaddima legt Ibn Khaldun ein empirisches Werk vor mit einer auf Tatsachen basierenden Analyse der islamischen Geschichte. Seine letzten Jahre verbrachte Ibn Khaldun in Ägypten: als Professor, als oberster malikitischer Qadi und Lehrer an verschiedenen Medresen. Ein zentraler Begriff seines Werkes ist Asabiyya („Stammeszugehörigkeitsgefühl, Blutsbande, Sippensolidarität, Gruppengefühl“). Es ist die wesentliche Voraussetzung für die Gründung und den Erhalt der weltlichen Macht (mulk) in jeder Epoche der Geschichte. Bei den immer dekadenter und korrupter werdenden Städtern wird Asabiyya schwächer. Nach mehreren Generationen ist die auf der Asabiyya gründende Macht der städtischen Dynastie derart geschrumpft, dass sie Opfer eines aggressiven Stammes vom Land mit starker Asabiyya wird, der nach Eroberung und teilweiser Zerstörung der Städte eine neue Dynastie stellt.

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