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6.2 Die mittelalterliche Vorstellung von der Welt
ОглавлениеEbstorfer Weltkarte
Um einen Eindruck von der mittelalterlichen Vorstellung der Welt, ihren Kontinenten samt den darauf lebenden, zum Teil für„merkwürdig“ gehaltenen Einwohnern zu gewinnen, ist ein Blick auf die größte mittelalterliche Weltkarte hilfreich. Dass die Welt auf der „Ebstorfer Weltkarte“ (um 1235) als Scheibe dargestellt wird (Oblate?), ist bestritten worden. Der Romanist Reinhard Krüger wies darauf hin, dass schon griechische Philosophen (Parmenides, Platon im 5. bis 4. Jh. v. Chr.) das Modell „einer unendlichen und sphärischen Welt“ lehrten. Viele Gelehrte vertraten im Mittelalter die Auffassung von der Kugelgestalt der Erde (Krüger 2007: 33): „Der Niedergang der antiken Kosmologie und des antiken Globuskonzepts im Mittelalter hat nicht stattgefunden. Es gibt folglich auch keine Wiederentdeckung der antiken Kosmologie und der antiken geographischen Konzepte in der Renaissance.“ Auf der „Ebstorfer Weltkarte“ ist die Welt von Wasser umgeben. Der Osten (oben) zeigt einen freundlich dreinblickenden Christuskopf mit langen Haaren. Am Rande des nördlichen (links) und westlichen Teils erkennt man die ausgestreckten Hände Christi. Im Westen befinden sich seine leicht nach links und rechts weisenden Füße. Im Zentrum liegt Jerusalem, und man erkennt den aus dem Grab auferstehenden Christus mit dem Siegeszeichen in der rechten Hand, die linke nach oben gerichtet.
Nach mittelalterlicher Vorstellung war der Erdkreis in die Kontinente Asien (doppelt so groß wie die beiden anderen zusammen), Afrika und Europa geteilt. Das empirische Wissen über die außereuropäischen Kontinente war damals gering, stammte aus antiken Quellen. Von Asien „wusste“ man, dass im fernsten Osten das Paradies mit den vier Paradiesströmen (Ganges, Euphrat, Nil, Tigris) lag. Jerusalem war „Nabel der Welt“. Hier, wo Christi Auferstehung stattgefunden hatte, erwartete man die Rückkehr des Messias. Fabelwesen, exotische Tiere, Tiermenschen bevölkerten die Peripherie des Erdkreises (Signori 2007: 12–21).
Sog. „Heiden“
Die Erforschung des christlich-mittelalterlichen Bildes von den „Heiden“ steht noch in den Anfängen (Zech 2012). Die Anhänger fremder Religionen wurden in den lateinischen Quellen emotionslos mit ihren ethnischen Bezeichnungen (Mauri, Arabes) bzw. daran angelehnt (Saraceni, Ismaelites, Agareni für Islam/Muslime) ohne religiöse Bezüge genannt. Gentiles und pagani waren übliche Begriffe für „heidnische“ Völker. Gentes („Völker“) konnte auch eine religiöse Bedeutung haben. Haeretici („Häretiker“) dagegen hatte einen deutlichen religiösen Inhalt, bezeichnete die von der religiösen Wahrheit, der christlichen Gemeinschaft Abgewichenen (Goetz 2012).