Читать книгу Lerntherapie – Geschichte, Theorie und Praxis (E-Book) - Ueli Kraft - Страница 11
Arbeiten zu Lese- und Schreibstörungen
ОглавлениеAlfhild Tamm – die erste Psychiaterin in Schweden – schreibt in einem längeren Beitrag über angeborene Wortblindheit und verwandte Störungen. Dieser befasst sich offensichtlich mit dem, was wir heute Legasthenie nennen und gibt reiche Hinweise zur Behandlung (1926). Die Autorin beschreibt aber auch Kürzestanalysen von Schülerinnen und Schülern mit Lese- und Schreibstörungen: Die Fallgeschichten belegen, dass solche nach analytischen Deutungen biografisch-symbolischer Hintergründe auch sofort und nachhaltig verschwinden können (1929).
Hans Zulliger, der Volksschullehrer und Kindertherapeut, berichtet in einer kurzen Fallgeschichte, wie er mit einem analytischen Pausengespräch mit einer Schülerin eine (Vor-)Lesestörung zum Verschwinden brachte. Das Mädchen scheitert – zum Unmut der Klasse – aus Angst vor einer bevorstehenden Geburt ihrer Mutter überall dort, wo in der Geschichte aus dem Lesebuch die Begriffe «Tod» und «Krankheit» vorkommen. Nach der Pause ist der Zusammenhang aufgedeckt, das Mädchen beruhigt und es liest die Passage ohne Probleme (1930, S. 432–433).
Die Kinderanalytikerin Steff Bornstein stellt einen Erstklässler vor, den sie «in möglichst kurzer Zeit schulfähig» machen sollte. Die Arbeitsstunden konzentrieren sich aufs Lesen und Schreiben, nach und nach werden sie ergänzt durch analytische Gespräche. Aufgefordert, zu einem D irgendetwas hinzuzufügen, malt er ein zweites, seitenverkehrtes D, die senkrechten Striche beieinander. Die Analytikerin deutet ihm diese als Popo-Backen, was der noch in der analen Phase verharrende Kleine begeistert aufnimmt: «ja, b-p, d-t, k-g das sind alles Popo-Buchstaben» – um sie von dieser Stunde an nicht mehr zu verwechseln. Die Autorin betont, dass diese Schwierigkeiten allein weder mit den Arbeitsstunden noch mit der analytischen Arbeit hätten behoben werden können (1934, S. 143ff.).