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1.3.3 Die psychoanalytische Pädagogik im Schweizer Exil

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Der Faschismus der 30er- und der Kriegsjahre haben es mit sich gebracht, dass die Psychoanalyse nach der Flucht der Familie Freud aus Wien schwierige Zeiten durchlebte. Verschwunden ist sie allerdings auch in Deutschland nicht, die Schriften Sigmund Freuds blieben zugänglich und an den Hochschulen beachtet (vgl. Peglau, 2019). Die zentralen Konzepte wurden allerdings teilweise modifiziert verwendet – Wininger fragt im Titel seines Buches zur Rezeption der Psychoanalyse durch die akademische Pädagogik zwischen 1900 und 1945: «Steinbruch Psychoanalyse?» (vgl. 2011, S. 262). Der von der ZfpP gepflegte psychoanalytisch-pädagogische Austausch kam aber zunächst einmal zum Erliegen. Ernst Federn – Psychoanalytiker und Gewaltforscher, 1938–1945 als Jude und Antifaschist in Lagerhaft – schreibt: « … die eigentliche Psychoanalytische Pädagogik gab es nur mehr bei Hans Zulliger in Bern» (1993, S. 75).[2]

Zulliger ist schon in sehr frühen Jahren mit der Psychoanalyse in Kontakt gekommen.[3] Aus einfachen Verhältnissen stammend, lernte er in seiner Zeit am Bernischen Lehrerseminar den damaligen Direktor Ernst Schneider kennen, welcher von der neuen Lehre sehr begeistert war und im Psychologie-Unterricht seine Seminaristen damit vertraut machte – seine Vorgesetzten waren davon allerdings weniger angetan und entliessen ihn bald wieder. Zulliger arbeitete in der Folge als Lehrer und blieb der Psychoanalyse treu, freundete sich mit Oskar Pfister und Hermann Rorschach an, unterzog sich einer Psychoanalyse und tauchte einige Jahre später bei der ZfpP auf. Wahrscheinlich hat ihm Schneider den Weg ins Herausgeberteam geebnet. Er war mit Freud und seinem Kreis vertraut und freundschaftlich verbunden (besonders eng mit Aichhorn), wurde ernst genommen und steuerte die Idee der Gruppe zur psychoanalytischen Pädagogik bei. Obwohl er sein ganzes Arbeitsleben als Dorfschullehrer in Ittigen verbrachte, publizierte er äusserst produktiv Fachbücher[4] und Zeitschriftenartikel, die auch in der akademischen Welt weit herum beachtet und übersetzt wurden.

Unumstritten war auch er nicht: Die Nazis setzten eines seiner Werke auf die Liste der verbotenen psychoanalytischen Bücher. Auch in der Schweiz hatte Zulliger auf der Hut zu sein. Er schreibt:

Am Anfang betrieb ich das, was man heutzutage als, ‹kleine psychoanalytische Kinderpsychotherapie› bezeichnen würde. Ich tat es nach dem Vorbilde Pfisters, nachdem ich mich selber hatte analysieren lassen und neben Pfisters auch zahlreiche Schriften Freuds […] studiert hatte. Es war während einer Zeit, da die Psychoanalyse auch in der Schweiz in heftigster Weise angefochten wurde. Deshalb musste ich mit äußerster Vorsicht vorgehen. Also arbeitete ich gänzlich im Stillen, befreite einzelne Schülerinnen und Schüler von störenden Symptomen wie Lernhemmungen, Bettnässen, Stottern, reaktiver Aggressivität und Sich-nicht-einfügen-Können in die Gemeinschaft, Schuldgefühlreaktionen wegen Onanie, zwanghaften Diebereien – und ich hatte Anfängerglück. Darüber aber redete ich mit niemandem, um ungestört zu bleiben (zitiert nach Kasser, 1963, S. 38).

In den Nachkriegsjahren galt er als einer der wichtigsten Kinderanalytiker, wurde als Pädagoge gar in die Liga von Pestalozzi und Rousseau gerückt und erhielt 1952 den Ehrendoktor der historisch-philosophischen Fakultät der Universität Bern. Zu dieser akademischen Ehrung soll Zulliger bemerkt haben, seit er den Dr. h.c. habe, werde er wenigstens mehr in Ruhe gelassen. 1955 folgte ein weiteres Ehrendoktorat der medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg – Zulliger wurde auch in Deutschland als einer der führenden Pädagogen und Kindertherapeuten gesehen. In der Schweiz folgten Lehraufträge an den Universitäten Bern und Zürich. Er hat den Test seines Freundes Hermann Rorschach um eine Kurzform erweitert, welche breit eingesetzt wurde. Und er hat – durch den Ersten Weltkrieg um die Möglichkeit eines eigenen Hochschulstudiums gebracht – mit seiner wunderbar einfachen, klaren und direkten Sprache viele Menschen erreicht, von Akademikern bis zu ungebildeten Eltern im Rahmen seiner erziehungsberaterischen Praxis.

Um unsere Frage nach dem inhaltlichen Nährboden der Erziehungsberatung wieder in den Vordergrund zu rücken: Zulliger dürfte die frühen – und informellen – Pioniere lerntherapeutischen Handelns während Jahrzehnten entscheidend beeinflusst und geprägt haben.

Lerntherapie – Geschichte, Theorie und Praxis (E-Book)

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