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Abgrenzungen zwischen Psychoanalyse und psychoanalytischer Pädagogik

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Dass die psychoanalytische Pädagogik eine Gratwanderung zwischen den beiden Disziplinen versucht, war vielen Schreibenden bewusst. Vielerorts wird davor gewarnt, dass eine noch so begeisterte Lektüre psychoanalytischer Texte noch keine Lizenz zur Durchführung eigentlicher Kinderanalysen einschliesse.

Oskar Pfister – Pfarrer und einer der frühen Pioniere der Psychoanalyse in der Schweiz – macht sich in diesem Zusammenhang Gedanken um die Funktion eines «Schülerberaters», welcher unentgeltlich alle Kinder und Jugendlichen in Nöten unterstützen könnte. Gleichermassen an die Schule angebunden und von ihr unabhängig sollte er auch Eltern und Lehrer beraten. Er sieht diese Arbeit nach «analytischen Gesichtspunkten» und verweist auf die «Kleinanalysen», wie sie Zulliger beschreibt, und die «segensreich» wirken können. Bei schwereren Problemen fordert er aber «regelrechte analytische Behandlungen» (1927, S. 288–290).

Zulliger selbst schreibt: Es war der Psychoanalyse vorbehalten, zu entdecken und nachzuweisen, dass intellektuelle Hemmungen meist tiefere psychische Hintergründe haben, und sie zu lösen. Unter Umständen gelingt dies schon dem psychoanalytisch orientierten Pädagogen. Bei schwierigeren Fällen ist angezeigt, die Hilfe psychoanalytischer Therapeuten in Anspruch zu nehmen (1930, S. 431).

Der Sekundarlehrer Willy Kuendig formuliert hingegen dezidiert: «Psychoanalyse in der Schule gibt es nicht» (1927, S. 69). Er führt an, was Lehrpersonen für ihre Zöglinge tun können und sollen. Aber dies sei «niemals Psychoanalyse, sondern analytisch orientierte Pädagogik, das heißt Erziehung, welche sich die Erkenntnisse der Psychoanalyse zunutze» mache (a.a.O., S. 70).

Nelly Wolffheim – Gründerin des ersten psychoanalytischen Kindergartens in Deutschland – zeigt sich erstaunt, wie viele Lehrer sich mit der psychoanalytischen Methode versucht hätten. Sie betont, dass «ohne eine gründliche spezielle Ausbildung und ohne Eigenanalyse die Ausübung des Analysierens (in welcher Form auch immer) unstatthaft» sei (1930, S. 387). Sie zeigt sich den Versuchen Zulligers gegenüber eher skeptisch, der – vor dem Hintergrund einer seriösen Ausbildung – analytisches Denken und Handeln auch in seiner Funktion als Dorfschullehrer pflegt.

Anna Freud nimmt zwar einen Erwartungsdruck pädagogisch Praktizierender wahr, in ihrer Ausbildung mit der Kinderpsychoanalyse vertraut gemacht zu werden. Solche unter Umgehung einer fundierten allgemeinen Ausbildung in Psychoanalyse machen zu können, sieht sie aber als unmöglich. Der Weg zur «vollen analytischen Ausbildung» und damit auch zur Kinderanalyse solle aber «dem in der Praxis bewährten Pädagogen und Heilpädagogen» offenstehen, «der die Mühe nicht scheut» (1932, S. 402).[1]

Lerntherapie – Geschichte, Theorie und Praxis (E-Book)

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