Читать книгу Zwischen "nicht mehr" und "noch nicht" - Ulla Peffermann-Fincke - Страница 12
ОглавлениеLebensstufe 2: Erste Emanzipation von Vater und Mutter
Das Kind beginnt in dieser Lebensphase eigene Wege zu gehen, zum Beispiel die Wohnung zu erforschen. Das wird unterstützt durch die neu erlernten Fähigkeiten: Gehen, Sprechen und Stuhlkontrolle. Konkret muss das Kind lernen, Dinge festzuhalten oder loszulassen. Freud und Erikson weisen deshalb auf die Reinlichkeitserziehung hin, die von den Psychoanalytikern auch als anale Phase bezeichnet wird.
In dieser Zeit entwickelt das Kind eine Vorstellung von »ich« und »du« und von »meins« und »deins«. Für die Eltern ist diese die Erforschung der Umgebung manchmal etwas strapaziös, wenn alle Regale und Schränke ausgeräumt werden – und selten wieder ein – oder der teure CD-Player nach einer solchen Erkundungsreise seinen Geist aufgibt.
Zudem fordert der Trotz des Kindes die Geduld der Eltern. Viele fühlen sich gerade in dieser Phase überfordert durch die Wut, die aus den Kindern herausbricht. Für die Identitätsbildung ist diese Phase jedoch sehr wichtig, weil sich hier das eigene Selbstbewusstsein herausbildet und in späteren Jahren wesentlich dazu beiträgt, ob jemand neugierig auf die Welt ist und Freude daran hat, etwas Neues zu entdecken.
Den aufrechten Gang lernen kleine Kinder im Alter zwischen neun Monaten und zwei Jahren. Dazu muss man viel üben und mutig sein: sich drehen, hochziehen, hinfallen, wieder aufstehen – und irgendwann kommt der Moment, da das Kind losgeht und dem eigenen Körper vertraut. Es spürt einen Drang, eine Sehnsucht nach »oben«. Das ist nicht nur eine biologische Tatsache, sondern auch eine spirituelle Erfahrung und hat gravierende Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein. Der kleine Mensch ist nun kein Baby mehr, sondern ein Kleinkind und kann loslaufen!