Читать книгу Zwischen "nicht mehr" und "noch nicht" - Ulla Peffermann-Fincke - Страница 19

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Lebensstufe 9: Die große Chance, weise zu werden

Nach etwa vierzig bis fünfundvierzig Jahren Tätigkeit endet das offizielle Berufsleben. Zur Vorbereitung der Verabschiedung in den Ruhestand ist es zunächst einmal gut, auf das zurückzublicken, was war. Man sieht vieles, was gut war und was man selbst auch gut gemacht hat. Und vielleicht ebenso vieles, das nicht gelungen ist. Es gibt Kollegen, bei denen man froh ist, sie nur noch von hinten zu sehen. Andere wird man schmerzlich vermissen. Es wird deutlich, dass eine ganz neue Zeit anbricht. Die vorgegebenen Strukturen fallen weg, die Anerkennung für getane Arbeit bleibt aus, die Möglichkeit zu Gesprächen – und sei es nur der Smalltalk in den Pausen am Arbeitsplatz – gibt es nicht mehr. Auch wenn man die Rentenzeit herbeigesehnt hat, ist die neu gewonnene Freiheit nicht automatisch das Paradies. Die neue freie Zeit muss gestaltet werden, eine neue Gestalt finden. Das kann, muss aber nicht unbedingt ein Problem sein. Viele Menschen haben Hobbys, an denen sie sich im fortgeschrittenen Alter noch freuen können oder die durch die viele freie Zeit, die jetzt zur Verfügung steht, sogar intensiviert werden können. Für andere bekommen Kinder und Enkel eine größere Bedeutung und man widmet ihnen nun mehr Zeit. In manchen Familien sind Oma und Opa unentbehrlich, weil ohne sie der Alltag nicht gemeistert werden könnte.

In dieser Zeit spüren wir aber deutlich, dass die Kräfte nachlassen. Krankheiten drängen sich in den Vordergrund und sind plötzlich Gesprächsthema im Freundeskreis. Es wird uns bewusst, dass wir nicht ewig leben und unbegrenzt agieren können. Wir sind herausgefordert, unsere Zeit sinnvoll zu gestalten und weise Entscheidungen zu treffen. Weisheit meint die Fähigkeit, einen ganzheitlichen Blick auf mein Leben zu werfen, mich als Individuum, aber gleichzeitig auch als ein Mitglied der Gesellschaft und Teil der Menschheit zu sehen. Weisheit bedeutet zu erkennen, dass ich vieles im Leben bekommen habe, teils durch meinen Einsatz, meine Arbeit, aber oft auch geschenkt. Für beides kann ich dankbar sein. Zufriedenheit entsteht dann, wenn Nehmen und Geben in Balance sind. Ein weiser Mensch bringt sich unaufdringlich ein, er muss nicht im Mittelpunkt stehen, kann beiseitetreten, sieht aber, wo er gebraucht wird und seinen Beitrag leisten kann. Mit weisen Menschen ist man gerne zusammen, weil sie offen sind, vorurteilsfrei Anteil nehmen und gleichzeitig aufgrund ihrer Lebenserfahrungen gute Begleiter sind. Obwohl viele im Rentenalter noch bei guten Kräften sind, kann man sich erlauben, alles langsamer angehen zu lassen, gelassener, ruhiger. Das fällt oft schwer, wenn man aus einem Berufsumfeld kommt, wo Zeit sozusagen Geld war. So gibt es auch in dieser Lebenszeit noch vieles zu lernen – ganz neue Qualitäten und Tugenden. Weise Menschen reflektieren das Erlebte. Dazu braucht es Zeit und Stille. Das wird in dieser Lebensphase möglich und ist das Geschenk dieser Zeit.

Übung

Wenn Sie auf Ihr Berufsleben zurückschauen: Was war schön? Was ist gelungen? Wofür sind Sie dankbar? Was war schwierig? Haben Sie auch aus den Schwierigkeiten etwas gelernt? Wie möchten Sie Ihre Rentenzeit gestalten? Die Kräfte lassen nach – worauf richten Sie Ihre Energie? Was ist Ihnen wichtig? Was haben Sie der Welt zu geben? Wie bedeutet Weisheit für Sie?

Zwischen

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