Читать книгу Zwischen "nicht mehr" und "noch nicht" - Ulla Peffermann-Fincke - Страница 14
ОглавлениеLebensstufe 4: Neugierde versus Frustration
Dieser Lebensabschnitt beginnt mit der Einschulung. In den letzten Jahren bekam er eine immer größere Bedeutung. Man kann das an den Einschulungsgottesdiensten erkennen, die meist so voll sind wie sonst nur an Weihnachten. Es ist ein imposanter Anblick, wenn die Kinder mit ihren recht großen Schulranzen und mit ihren Eltern sowie Oma und Opa in die Kirche kommen und am Ende des Gottesdienstes mit ihren Klassenlehrerinnen aus der Kirche ziehen und gemeinsam zu ihrer Schule gehen. Der Schulbeginn ist ein wichtiges Ritual auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Das Wichtigste an diesen Gottesdiensten ist dabei die Segnung. Die Erstklässler treten einzeln nach vorne und werden gesegnet mit einem biblischen Wort, zum Beispiel Psalm 84,12: »Denn Gott der Herr ist Sonne und Schild; der Herr gibt Gnade und Ehre: er wird kein Gutes mangeln lassen, denen, die an ihn glauben.« Der Einschulungsgottesdienst ist ein gutes Zeichen dafür, dass christliche Symbolik noch immer eine große Kraft besitzt.
Es gibt aber eine Gefahr, die nicht verschwiegen werden sollte: Das Bewusstsein, auf einer neuen Stufe zu stehen und die neuen Aufgaben bewältigen zu können, braucht einen inneren Halt. Es braucht Vertrauen – Selbstvertrauen und Gottvertrauen. Es ist unsere Versuchung, diesen Halt im Äußeren zu finden. Beim Schulbeginn wird das deutlich an der Ausstattung der Schulkinder, was Schulranzen und Kleidung betrifft. Das Vergleichen beginnt!
Ich erinnere mich an eine Situation in meinem ersten Jahr am Gymnasium. Ich hatte eine neue Freundin gefunden und besuchte sie nachmittags. Ich fuhr mit dem Bus dorthin und war beeindruckt von dem großen Haus, in dem sie wohnte, mit riesigem Garten drum herum. Abends wollten die Eltern mich nach Hause fahren. Das war mir äußerst peinlich. Ich wollte nicht, dass sie unser einfaches Reihenhaus sehen. Ich sagte, sie könnten mich an der Ecke absetzen, ich würde den Rest zu Fuß gehen. Das taten sie natürlich nicht! »Alle Not kommt aus dem Vergleich« – das bekommen wir schon sehr früh im Leben zu spüren.
Nicht nur die äußeren Dinge müssen dem Vergleich standhalten, sondern mit Beginn der Schulzeit sind die Kinder erstmals damit konfrontiert, dass es unterschiedliche Begabungen und Fähigkeiten gibt. Manche sind sportlich, andere musikalisch, manchen fällt das Lernen leicht, manche tun sich schwer. Diese Unterschiede werden bewertet, und es ist hart, wenn man sich nur »auf den hinteren Rängen« befindet. Dann ist es besonders wichtig, dass das Kind spürt, ganz unabhängig von Leistung geliebt zu werden.
Es ist interessant, dass Kinder, die sonst häufig zu Hause und in der Schule laut und unkonzentriert sind, dann, wenn sie intrinsisch, also von innen heraus für eine Sache motiviert sind, in dieser Lebensphase herausragende Leistungen erbringen. Die meisten Kinder sind neugierig, wollen vieles ausprobieren und Erfahrungen machen. Sie wollen beispielsweise unbedingt ein Instrument erlernen oder widmen sich intensiv einer Sportart. Oft wechselt das Interesse und es gilt, die Balance zu halten zwischen alles Mögliche möglich zu machen und flexibel auf die Wünsche des Kindes zu reagieren und dem Kind beizubringen, an einer Sache dranzubleiben und Frustrationen zu ertragen, wenn es mal schwierig wird.
Übung
Welche Erinnerung haben Sie an Ihre Schulzeit? Gab es Dinge, die Sie gut konnten oder für die Sie sich besonders interessiert haben? Haben Sie Freunde fürs Leben gefunden? Welche Rolle haben Sie in der Klasse gehabt? Eine Führungsposition? Oder waren Sie Mitläufer, Außenseiter? Wie haben Sie Ihre Freizeit verbracht? Welche Dinge haben Sie ausprobiert?