Читать книгу Das Oktoberfest-Attentat und der Doppelmord von Erlangen - Ulrich Chaussy - Страница 13
AKTE LAUTERJUNG Der Tod des unerwünschten Hauptzeugen
ОглавлениеDer Zettel, auf dem das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München im Juni 1983 bescheinigte, dass Frank Lauterjung nicht mehr lebte, gab nicht einmal über das Jahr seines Todes Auskunft. Ich versicherte der Beamtin am Computer meinen Respekt vor der Notwendigkeit des Datenschutzes und konnte immerhin erfahren, dass Lauterjung im Laufe des Jahres 1982 gestorben und bei welchem Standesamt sein Tod beurkundet worden war.
Wieder zu Hause, rief ich einen mir bekannten Lokalreporter an und bat ihn um Rat. Es sei kein Problem für ihn, das Todesdatum von Frank Lauterjung herauszubekommen, meinte er. Er werde mich zurückrufen.
Ich nahm mir unterdessen die Akten vor, vor allem noch einmal die Aussagen von Frank Lauterjung.
Geboren am 24. März 1944. Das bedeutet, er war 36 Jahre, als er zum Zeugen des Attentats wurde, und 38 Jahre, als er zwei Jahre später starb.
Außer Lauterjungs ausführlicher Erwähnung im Schlussvermerk des Bayerischen Landeskriminalamtes und in Generalbundesanwalt Rebmanns Schlussbericht fand ich immerhin fünf Vernehmungsprotokolle und einige Vermerke über Gespräche mit Frank Lauterjung. Ich sortierte alles in zeitlicher Reihenfolge und schaute es nacheinander durch.
Erste Vernehmung. Beim Attentat ist er nur zehn Meter von der detonierenden Bombe entfernt. Der Pulk der heimkehrenden Wiesnbesucher, der sich einen Moment lang vor der Explosion zwischen Lauterjung und den von ihm beobachteten jungen Mann mit der weißen, schwerbeladenen Plastiktüte schiebt, nimmt dem Zeugen die Sicht und bewahrt ihn vor schweren Verletzungen oder gar dem Tod. Auch eine Ahnung spielt mit. Der junge Mann, den Lauterjung über die Straße auf den Wiesneingang zugehen sieht, erscheint ihm sehr nervös, und jetzt kommt genau aus seiner Richtung ein gleißender Lichtschein.
»In diesem Moment war ich bereits aufgrund meines eben erwähnten Misstrauens dabei, mich auf den Boden zu werfen«, gab Lauterjung zu Protokoll und: »Dennoch erfasste mich in der Fallbewegung in der Höhe der Schulter eine ungeheure Druckwelle und schleuderte mich zu Boden.« – Einige Meter entfernt sei er nach kurzer Bewusstlosigkeit benommen erwacht; er sei aufgestanden, habe bemerkt, dass ihm weiter nichts fehlte, und habe gleich den blutenden und schreienden Menschen ringsumher zu helfen versucht, bis es ihm nach einer Weile schlecht wurde und ihn Sanitäter in einen Krankenwagen führten und ins Kreiskrankenhaus Dachau brachten. Dort stellten die Ärzte tatsächlich nichts weiter als einige Schürfwunden und Prellungen fest. Sie entließen Frank Lauterjung nach kurzer ambulanter Behandlung. Noch in der Nacht rief er von zu Hause die Polizei an. Ein Beamter kam um 4 Uhr nachts zu ihm in die Wohnung und verhörte Lauterjung bis gegen 6 Uhr morgens am Samstag.
Die zweite Vernehmung. Diesmal kam Lauterjung zwei Tage später, am Montag, dem 29. September, gleich morgens zum Bayerischen Landeskriminalamt. Am Abend zuvor hatte er wie Hunderttausende anderer Zuschauer die Fernsehfahndung mit dem Bild eines jungen Mannes gesehen, der im dringenden Verdacht stand, am Bombenanschlag gegen das Oktoberfest beteiligt gewesen zu sein. – »Als die Öffentlichkeitsfahndung mit einem Bild auf einen jungen Mann hinwies, der an der Tat beteiligt gewesen sein soll, sagte ich zu meinem zu diesem Zeitpunkt anwesenden Bekannten: ›Das ist doch der Mann, den ich vor dem Haupteingang zur Festwiese beobachtet habe.‹« Das Fernsehen hatte ein Bild von Gundolf Köhler aus Donaueschingen gezeigt.
Die Beamten legten Lauterjung eine Tafel mit neun Fotos vor. Lauterjung tippte auf die Bildnummern 5 und 9. Beide Bilder zeigten Gundolf Köhler. Unsinnigerweise stammten die sieben anderen Fotos von sichtlich älteren Personen, die zwischen 39 und 52 Jahre alt waren. Dass Lauterjung auf der Suche nach einem jungen Mann, den er ja gesehen hatte, auf Köhlers Konterfei verfiel, ist fast zwangsläufig und entwertete die mögliche Beweiskraft dieser Vergleichsidentifizierung.
Jetzt rückte Frank Lauterjung damit heraus, dass er den Mann, den er eben als Gundolf Köhler identifiziert hatte, nicht nur in der kurzen letzten Minute vor der Bombenexplosion beobachtet hatte. »Ich möchte nun angeben, dass ich mich auch daran erinnern kann, dass die von mir angesprochene, das heißt die Person, die die helle Plastiktüte und den kleinen braunen Koffer bei sich hatte, mit zwei weiteren Personen auf der Festwiese war. Gegen 9.30 (gemeint ist 21.30 Uhr, U. C.) bis 9.45 abends sah ich in unmittelbarer Nähe des Brausebades zwischen zwei Parkbänken drei Personen eng beieinanderstehen und miteinander reden. Zwei dieser Personen trugen einen Parka mit olivgrüner Farbe. Unter diesen drei Personen fiel mir lediglich, oder ich möchte sagen hauptsächlich, die von mir bei der ersten Zeugenvernehmung genannte Person auf.«
Wieder tauchten Unbekannte auf. Die könne er nicht beschreiben, sagte Lauterjung, er habe sie nur von hinten gesehen. Sie seien kleiner gewesen als Köhler, dem er ins Gesicht schauen konnte. Sie hätten Parkas getragen und kurz geschnittene Haare gehabt. »Stiftenköpfe«, sagte Lauterjung, und noch etwas fiel ihm auf: »Alle drei Personen waren hektisch in ein Gespräch verwickelt.«
Die dritte Vernehmung. Zeitpunkt und Fragestellung verraten die Aufregung, die Lauterjung mit seinen neuen Angaben ausgelöst hatte. Eben war die zweite Vernehmung nach eineinhalb Stunden zu Ende, da bat Kriminalkommissar Dirnberger zur nächsten. Lauterjungs Persönlichkeit und sein politisches Profil werden durchleuchtet.
Eine Telefonnotiz drei Tage später, Datum 2. Oktober 1980. Dem Beamten, der ihn zu einigen Details befragen will, sagt Lauterjung, sein Gesundheitszustand sei augenblicklich sehr schlecht. Er wolle nur noch in dringenden Fällen behelligt werden. Ab 6. Oktober sei er in einer Rehabilitationsklinik am Schliersee zu erreichen.
Eine Telefonnotiz vom 7. Oktober. Kommissar Mathis erhält im Krankenhaus die Auskunft: »Herr Lauterjung ist im Augenblick nicht vernehmungsfähig. Er ist heute erst zu uns gekommen und braucht noch einige Tage, bis er sich erholt hat. Lauterjung ist noch völlig verstört.«
Die vierte, ausführlichste und diesmal staatsanwaltliche Vernehmung. Trotz des ärztlichen Einspruchs erschienen am 7. Oktober der Staatsanwalt Görlach, Kriminalkommissar Mathis und eine Protokollantin in der Klinik bei Frank Lauterjung.
Die Vernehmer gingen mit ihrem Zeugen noch einmal alle seine Beobachtungen von vorne durch, Punkt für Punkt. Aus diesen 13 Seiten Protokoll, die dabei formuliert wurden, ist später in den Abschlussberichten zitiert worden.
Lauterjung gab zu erkennen, dass er homosexuell ist. Die ganze Situation wurde begreiflicher. Der abendliche Spaziergang war Kontaktsuche, und Lauterjungs Blicke galten jungen Männern, die ihm gefielen. Deshalb die so genaue Beschreibung des Jungen, den er auf der Brausebadinsel gegenüber dem Wiesneingang entdeckte. »Mir fiel sein abgeschnittener Wuschelkopf auf. Ich habe ihm in die Augen geschaut. Er schaute auch zu mir her. Mir fielen seine großen Augen auf. Ich habe mir vor allem die obere Gesichtspartie ab den Augen eingeprägt. Er hatte festes, wuscheliges Haar.«
Auch in dieser Aussage lieferte Lauterjung keine weitere Beschreibung der beiden jungen Männer im Parka, die Gundolf Köhler gegenüberstanden und mit ihm redeten. Sonst schaute der Zeuge – auch nach Meinung der Ermittler – äußerst genau hin. Er beschrieb die bis zum Zerreißen beladene weiße Plastiktüte, durch die sich die Umrisse eines schweren, runden Gegenstandes abzeichneten. Diese Tasche habe Köhler in der linken Hand gehabt, zu seiner Rechten sei am Boden ein kleiner, bräunlicher Koffer abgestellt gewesen.
Etwa fünf Minuten hatte Lauterjung aus acht bis zehn Meter Entfernung Köhler unverwandt beobachtet und hatte Zeit, sich all das einzuprägen, was er jetzt bei der Polizei zu Protokoll gab. Suchte seinen Blick.
»Ich ging dann in südlicher Richtung in Richtung Wiesneingang. Als ich auf diesem Wege die südliche Kante der Brausebadinsel passierte, kam ich in einer Entfernung von etwa fünf Meter an der Dreiergruppe vorbei. Ich hörte, dass in dieser Gruppe ein Gespräch geführt wurde. Ich hörte Laute, verstand aber den Inhalt nicht. Ich habe auch nicht hingehört.
Als ich vorbeiging, schaute ich noch einmal zu dem Mann mit dem Wuschelkopf und dachte: Vielleicht schaut er noch einmal her. Ich ging deshalb in der Nähe vorbei. Er reagierte aber überhaupt nicht. Subjektiv bin ich der Meinung, dass sich die Leute in der Dreiergruppe gekannt haben müssen. Es war so, als wie wenn man sich kennt und irgendetwas diskutiert.
Weil der junge Mann mit dem Wuschelkopf nicht reagierte, als ich an ihm vorbeiging, überquerte ich in südlicher Richtung den Bavariaring.«
Anhand dieser Angaben Lauterjungs wurde nach dem Verhör eine Fotomontage gefertigt. Das Bild erschien am 10. Oktober in vielen Zeitungen: Eine Schaufensterpuppe mit Gundolf Köhlers Gesicht, dunkler Lederjacke, dunkler Hose, in der Rechten ein kleiner Koffer, in der Linken eine schwer beladene weiße Plastiktüte. Weitere Zeugen sollten sich melden. Die von Lauterjung in Köhlers Begleitung beobachteten jungen Männer wurden im mit dem Bild veröffentlichten Aufruf des Bayerischen Landeskriminalamtes »gebeten, sich als wichtige Zeugen zur Verfügung zu stellen und sich umgehend mit der Sonderkommission des Bayerischen Landeskriminalamtes in Verbindung zu setzen«. Niemand meldete sich. Die Begleiter von Gundolf Köhler zogen es vor, der höflichen Bitte nicht Folge zu leisten.
Die fünfte und letzte Vernehmung, am 6. November 1980. Diesmal wurde Lauterjung von der Soko Theresienwiese ins Landeskriminalamt einbestellt. Der bislang respektvolle Ton dem wichtigsten Zeugen des Attentats gegenüber ist jetzt eisig und von Misstrauen geprägt. Die Kommissarin, die ihn hergebeten hat, stellt keine offenen, sondern ausschließlich suggestive Fragen. Sie kreisen um zwei Probleme der Ermittler: Das kleine, als lederner Kinder- oder Landarztkoffer beschriebene Gepäckstück, das Köhler nach Lauterjungs bisheriger Schilderung beim Gespräch mit den beiden Begleitern auf der Brausebadinsel und bis Sekunden vor der Explosion der Bombe bei sich trug, ist verschwunden – offenbar aber erst nach dem Anschlag, denn es ist laut eines polizeilichen Aktenvermerks noch nach der Explosion am Tatort gesichtet worden. Nun präsentierte die Kommissarin Lauterjung einen Werkzeugkoffer, den man erst am Tag nach dem Anschlag im verschlossenen Kofferraum von Gundolf Köhlers Auto aufgefunden hatte, das beinahe einen Kilometer vom Tatort entfernt geparkt war. Lauterjung gelangt nun »zu der Überzeugung, dass es dieser Koffer gewesen sein könnte«, den Köhler auf der Brausebadinsel bei sich gehabt hatte. Und Lauterjung räumte im Gegensatz zu seinen bisherigen Vernehmungen ein, er sei sich nun nicht mehr sicher, dass Köhler kurz vor der Explosion, als er mit der Plastiktüte in der einen Hand die Straße überquerte, in der anderen Hand tatsächlich noch den Koffer dabeigehabt habe.
Dann fragte die Kommissarin Frank Lauterjung erneut nach den beiden jungen Männern, die er auf der Brausebadinsel gegenüber dem Wiesneingang etwa 45 Minuten vor der Detonation der Bombe mit Gundolf Köhler beobachtet hatte. Die drei hätten etwa eine Viertelstunde zusammengestanden und seien in ein hektisches, intensives und lautes Gespräch, möglicherweise einen Streit, verwickelt gewesen. Lauterjung hatte daraus geschlossen, dass die drei sich kannten. Natürlich waren die Ermittler elektrisiert gewesen und hatten daraufhin den Aufruf veröffentlicht, die beiden Begleiter Köhlers mögen sich bei der Soko Theresienwiese als Zeugen melden. Jetzt war der Oktober 1980 verstrichen, ein Monat, in dem breit über das Attentat berichtet wurde und Köhlers Foto immer wieder zu sehen war. Die Begleiter Köhlers hatten sich nicht gemeldet, und der Verdacht hatte sich daher verstärkt, dass die beiden eben kein unverfängliches Gespräch mit einem ihnen unbekannten Mann geführt hatten, sondern dass sie mit Gundolf Köhler bekannt, möglicherweise mit ihm gemeinsam angereist, mit seinen Absichten vertraut oder gar an seiner Aktion beteiligt waren. Es war unwahrscheinlicher denn je, dass die beiden »Stiftenköpfe« im Parka Köhler nicht gekannt und nichts mit ihm zu tun gehabt hatten. Doch genau das wollte die Kommissarin jetzt unbedingt von Lauterjung hören, und in seiner Antwort hört man noch das Echo auf die Suggestion der nicht protokollierte Frage: »Es kann durchaus möglich sein, dass sie mit Herrn Köhler in keinster Weise etwas gemeinsam hatten, dass der Gesprächsverlauf eine durchaus suggestive Beobachtungsweise war. Es kommt eher dem nach, dass Köhler sich fragend an die beiden Unbekannten wandte, zumal ich von mir aus vermutete, dass Köhler eine Übernachtungsmöglichkeit suchte, was ich durch den Treffpunkt Brausebad – ›Homosexuelle‹ – herauslas. Köhler hatte ja einen Koffer und eine Plastiktüte bei sich. Ferner schließe ich meine Vermutung daraus aus dem intensiven, kurzen Blick, den mir Köhler zuwarf.«
Die Kommissarin schien mit dieser widersinnigen Antwort zufrieden, denn hier endet das nur drei Seiten umfassende Protokoll einer 75-minütigen Vernehmung. Es ist befremdlich, dass gerade diese Antwort ohne jede Nachfrage akzeptiert wird, in der Lauterjung seine eigenen Erwartungen an das Gespräch Köhlers – nämlich durch eine eventuelle Bitte Köhlers um eine Schlafgelegenheit mit ihm in Kontakt zu kommen – in die Situation mit den zwei jungen Männern auf der Brausebadinsel hineinsuggeriert. Aber welcher nach einer Übernachtung Suchende debattiert eine Viertelstunde intensiv und hektisch mit zwei ihm gänzlich unbekannten Personen? Warum sollte ein Einzeltäter, der unmittelbar vor seinem im Alleingang vorbereiteten Anschlag mit einer zündfertigen Bombe im Gepäck unterwegs ist, mit ihm unbekannten Personen Kontakt aufnehmen, um ein Nachtquartier zu erlangen? – Hätte Köhler von vornherein die Absicht verfolgt, mit diesem Anschlag eine Art erweiterten Selbstmord zu begehen, bei dem er andere Menschen mit in den Tod reißt, wäre die Suche nach einem Nachtquartier völlig widersinnig. Dies zu erwähnen ist deshalb angebracht, weil ausgerechnet der Gewährsmann der Ermittler für die Einzeltätertheorie, der Zeuge Peter Wiegand* – und nur er –, Köhler mit seiner Tat Selbstmordabsicht aus persönlicher Verzweiflung unterstellt. Widersinnig wäre die Suche nach einem Nachtquartier aber auch, hätte Köhler als Attentäter ohne Selbsttötungsabsicht in allen vorbereitenden Stadien seiner Tat alleine, abgeschottet und unbemerkt von anderen gehandelt – und würde sich unmittelbar vor seinem Anschlag vor Unbekannten exponieren, um sie um einen Schlafplatz für die Nacht nach dem für ihn schon absehbaren Bombenmassaker zu bitten, anstatt möglichst unbemerkt mit seinem Fahrzeug das Weite zu suchen.
Und schließlich: Wäre es so abgelaufen und wären die zwei von Lauterjung beschriebenen jungen Männer wirklich ohne jede Beziehung zu dem kurz darauf in Aktion tretenden Bombenleger Köhler gewesen, dann hätten sich die beiden ohne Bedenken bei der Soko Theresienwiese melden können.
Über einen Monat lang war Frank Lauterjung von den Ermittlern als Hauptzeuge des Oktoberfest-Attentats angesehen worden. Kein anderer ist so oft über den Abend des 26. 9. 1980 befragt worden. Seine Angaben waren umfangreich und präzise und wurden als glaubwürdig erachtet. Am 6. November änderte sich diese Einschätzung schlagartig. Die Ermittler nahmen ihm in einer abrupten Kehrtwende den entscheidenden Kern seiner Aussage nicht mehr ab, der sie verpflichtet hatte, nach weiteren Tatbeteiligten des Oktoberfest-Attentats zu fahnden, die mit dem mutmaßlichen Bombenleger Gundolf Köhler vor Ort waren. Seine ursprünglichen Aussagen passten nicht mehr in das Bild von Tat und Täter. Die Ermittler hatten es gerade erst neu fixiert. Wenige Tage zuvor hatten sie sich entschieden, vollständig und ausschließlich auf die Aussage von Peter Wiegand, einem Bekannten von Gundolf Köhler aus Donaueschingen, zu setzen. Der war zwar nicht in München vor Ort. Er hätte daher auch Frank Lauterjungs Beobachtungen am Abend des Anschlags weder entkräften noch konterkarieren können. Das übernahmen jetzt die Ermittler selbst mit Lauterjungs letzter Vernehmung, nach der Methode: Was nicht sein darf, das kann nicht sein.
Denn auf Peter Wiegands Aussage gründet die Theorie vom Einzeltäter, nach der Gundolf Köhler das Münchner Attentat alleine geplant, vorbereitet und ausgeführt hat. Dazu passten Lauterjungs Beobachtungen nicht mehr. Sie störten. Also wurde die minutenlange erregte Unterhaltung Köhlers mit den zwei jungen Männern in Parkas mit suggestiver Fragetechnik zu einer Zufallsbegegnung von einander unbekannten Personen herabgestuft.
Der einstige Hauptzeuge war nun abgemeldet und ist tatsächlich nie wieder von der Soko Theresienwiese befragt worden. Lauterjung muss das Bayerische Landeskriminalamt mit dem Eindruck verlassen haben, dass die Ermittler ihm nicht mehr vertrauten.
Der Zeitungskollege rief zurück. Er hatte herausbekommen, dass Frank Lauterjung am 6. August 1982 in München gestorben und am 9. August auf dem Südfriedhof in Ingolstadt bestattet worden ist.
Für die Soko Theresienwiese lag der Schlüssel zur Tat Köhlers jetzt in Donaueschingen. Es wurde für sie notwendig, dort Nachschau zu halten, so wie Jahre später auch für mich.