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1 Jerusalem, östlich des Tempelberges, einen Tag später ...

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»Ihr müsst vorsichtiger sein!«, sagte Jonathan Hawke zu seinen beiden Mitarbeitern, die versuchten, eine lange und schwere Diele über einem tiefen dunklen Graben zu platzieren.

»Machen wir, Professor«, entgegnete Tom Stein. »Aber wir müssen aufpassen, dass der Graben nicht in sich zusammenstürzt. Wir brauchen sicheren Halt, um die Schalbretter anzubringen.«

»Ich weiß, Tom«, antwortete der Professor. »Deswegen sage ich ja, dass ihr vorsichtig sein sollt. Ich will nicht, dass die Grube einstürzt, wir haben einen straffen Zeitplan.«

Moshav Livney lächelte. »Und ich dachte, er macht sich um uns Sorgen«, scherzte er mit einem Augenzwinkern.

Die Ausgrabungsstätte befand sich unweit der Altstadt von Jerusalem, in der Nähe des Löwentores an der Straße nach Jericho. Bei Straßenarbeiten waren römische Waffen und Gerätschaften aufgefunden worden, die aus der Zeit um Christi Geburt stammten und durch den Lehmboden konserviert worden waren. Direkt unterhalb der alten Stadtmauer hatten die ersten Ausgrabungen begonnen. Das Institut für Archäologie der Universität Bar Ilan in Tel Aviv hatte Professor Chaim Raful und den amerikanischen Spezialisten für römische Geschichte, Professor Jonathan Hawke von der Princeton-Universität, mit den Ausgrabungen beauftragt. Inzwischen arbeiteten neben Studenten der Universität Bar Ilan mehrere Archäologen und Wissenschaftler aus aller Welt an dem Projekt. Offenbar waren die Bauarbeiter bei ihren Erdarbeiten ohne es zu wissen auf den Rest einer alten römischen Garnison gestoßen. Und nun wurden fast stündlich Artefakte aus der Erde geborgen. Doch dem Team war klar, dass sie noch tiefer graben mussten, um die Schätze aus der Unergründlichkeit des Vergessens ans Tageslicht und zurück in das Leben holen zu können.

Die Sonne brannte heiß auf die Stadt herab, und Toms Hemd klebte schweißnass auf der Haut.

»Wie tief, schätzt du, liegt das eigentliche Mauerwerk?«, fragte er seinen israelischen Kollegen, dem es nicht besser erging.

»Ich nehme an, wir müssen noch mindestens einen Meter tiefer«, antwortete Moshav und blickte in die schmale, dunkle Grube.

»Das geht aber nicht, ohne dass wir die Seitenwände stabilisieren«, erwiderte Tom. »Wir brauchen noch Material. Stabile Holzbalken und Dielen.«

»Ich sage Yaara Bescheid, sie soll Aaron informieren, dass wir weitere Dielen und Verschalungen brauchen«, sagte Moshav und ging in Richtung des Hauptlagers davon.

Im Schatten eines Olivenbaums ließ sich Tom nieder und schaute ihm nach. Insgesamt vier Gruben waren inzwischen auf dem Gelände ausgehoben worden, das sich westlich des Tempelberges entlang der Straße nach Jericho erstreckte. Neben dem Ort der ersten Funde inmitten des Olivenhains, abseits der Straße, waren drei weitere Gruben hinzugekommen, aus denen Waffen, Rüstungen, Schmuck und Küchengeschirr zu Tage gefördert wurden. Zweifellos hatte hier ein großes römisches Lager gelegen, das sich im Schatten des Tempelberges in nördliche Richtung erstreckte. Die ersten Funde, Keramik und Tonscherben, waren bereits von Gina Andreotti, der Expertin für Archäometrie, mittels zeitlicher Einordnung von Ablagerungen sowie ersten Messungen chronologisch zugeordnet und auf die Zeit um Christi Geburt datiert worden. Die daraufhin vorgenommene radiometrische Überprüfung in der Universität von Tel Aviv hatte die Berechnungen Ginas bestätigt. Für die Historiker allerdings waren die Funde keine Überraschung. Unzählige Artefakte einer bewegten Vergangenheit schlummerten zweifellos noch tief in der Erde und warteten darauf, entdeckt zu werden.

Die Glocken der nahen Magdalenenkirche erklangen. Tom nahm einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche und blickte sich um. Zweitausend Jahre Geschichte lagen ihm zu Füßen, dennoch hatte er keinen Blick dafür. Er hatte schlecht geschlafen, und der Streit mit Yaara ging ihm nicht aus dem Sinn. Tom hatte sich in die gut aussehende Archäologin verliebt, aber nicht den Eindruck, dass sie seine Liebe erwiderte. Seit dem gestrigen Streit ging sie ihm aus dem Weg. Und dabei hatten sie vor zwei Tagen noch eng umschlungen in seinem Zelt gelegen.

»Du denkst nach?«, riss ihn Professor Hawke, den alle nur John nannten, aus seinen düsteren Gedanken.

Tom blickte auf. »Ich ... ich ...«

»Ist es wegen Yaara?«

»Yaara, wieso?«

Hawke lächelte. »Komm schon, es ist ein offenes Geheimnis, dass ihr etwas miteinander habt«, sagte er in väterlichem Ton. »Ihr könnt es nicht verheimlichen, nicht vor mir. Schließlich bin ich darin ausgebildet, gut gehütete Geheimnisse zu lüften.«

Tom blickte in den wolkenlosen Himmel. »Ich weiß nicht ...«

»Das wird schon wieder«, beruhigte ihn der Professor. »Frauen sind nun einmal launisch, das ist an jedem Ort der Welt so. Gib ihr Zeit.«

»Vielleicht hast du Recht«, antwortete Tom nachdenklich.

»Und wie kommt ihr hier voran«, lenkte Hawke ein.

Tom wies auf die Grube. »Der Untergrund ist brüchig. Wir können nicht hinein, solange die Wände nicht verschalt sind. Moshav ist unterwegs um Material zu ordern.«

»Ich denke, dass hier einmal die Küche und der Speisesaal lagen«, mutmaßte der Professor. »Aus dieser Grube haben wir sehr viele Tonscherben geborgen. Wenn wir nur noch ein klein wenig tiefer graben könnten!«

»Ich denke, mit ein paar Balken und stabilen Bohlen können wir die Grube sichern. Vielleicht sollten wir zuvor die Ränder mit etwas Erde anfüllen.«

Hawke legte Tom die Hand auf die Schulter. »Geht erst hinein, wenn ihr sicher seid, dass die Wände halten. Wir dürfen nichts riskieren. Aber ich weiß, dass ich mich auf meinen Ingenieur verlassen kann. Ich schicke dir zur Sicherheit Aaron vorbei.«

Tom schüttelte den Kopf. »Nicht nötig, er wird an der ersten Grube gebraucht. Wir kommen hier schon klar.«

Die Bruderschaft Christi

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