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Kloster Ettal bei Oberammergau ...

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Kriminaloberrat Stefan Bukowski trat hinaus ins Freie, griff in die Tasche seines Mantels und zog eine Zigarette und sein goldenes Feuerzeug hervor, das ihm zum Abschied vom Chef der Koordinierungsstelle von Europol in Den Haag geschenkt worden war. Die Leiche, die kopfüber gekreuzigt an den hölzernen Balken in der Vorratskammer der alten Abtei hing, war kein angenehmer Anblick.

Über und über war der Körper des ermordeten Paters mit Schnitt- und Brandwunden übersät. Zweifellos war der Mann gefoltert worden, bevor man ihm die Kehle durchgeschnitten hatte. Seine Hände waren vom Körper abgespreizt und mit Nägeln an den Holzbalken fixiert. Große Zimmermannsnägel, die man durch seine Handgelenke getrieben hatte, als er noch lebte. Das Blut an den Wunden verriet, dass das Herz des grausam verstümmelten Opfers noch geschlagen hatte.

Der steinerne Boden in der Kammer war über und über mit Blut besudelt. Wie ein Schwein, das geschlachtet und zerteilt werden soll, hatte sich Bukowski beim ersten Anblick des Toten gedacht. Doch angesichts der ehrwürdigen Umgebung hatte er seinen Gedanken nicht ausgesprochen und für sich behalten.

»Er wurde gefoltert, bevor man ihn umbrachte«, ertönte eine samtige Frauenstimme in Bukowskis Rücken.

Bukowski schnippte den Rest der Zigarette in einen nahen Kanalschacht und wandte sich um.

»Ich weiß, ich habe Augen im Kopf«, erwiderte er.

Lisa Herrmann, Bukowskis Kollegin, verzog die Mundwinkel.

»Niemand hat etwas davon mitbekommen«, berichtete Hauptkommissarin Lisa Herrmann weiter. »Seine Brüder haben geschlafen. Er wurde heute Morgen gefunden, als einer seiner Kollegen in die Vorratskammer kam, um Kartoffeln zu holen.«

»Einer seiner Brüder, meinst du.«

»Von mir aus, Brüder, Kollegen, Pater, nenne sie, wie du willst«, antwortete sie schnippisch.

»Ist die Spurensicherung schon fertig?«

»Nein, das dauert noch eine ganze Weile«, antwortete Lisa Herrmann und wandte sich um.

»Wohin gehst du?«

»Der Abt will mit uns sprechen«, entgegnete Lisa knapp.

Bukowski räusperte sich. »Ich werde gehen.«

»Wenn du willst, er wartet im Refektorium.«

»Und wo ist das?«

Lisa wies auf ein großes Gebäude auf der anderen Seite der Klostermauern. Bukowski nickte und eilte davon.

Im großen Saal des Refektoriums stand eine lange Tafel in der Mitte. Dort, wo die Brüder zu speisen pflegten, herrschte eine gespenstische Stille. An der Stirnseite saß der Abt und hielt das Gesicht in seinen Händen verborgen.

Er blickte erst auf, als sich Bukowski einen Stuhl heranzog und sich mit einem Seufzer niedersetzte.

»Es ist schrecklich«, murmelte Bruder Anselmo, der Abt des Klosters. »Bruder Reinhard war uns allen ein lieb gewordener Weggefährte. Wer tut so etwas Schreckliches?«

Bukowski zuckte mit der Schulter. »Erzählen Sie mir von ihm«, antwortete er.

Der Abt senkte sein Haupt. »Bruder Reinhard war seit 36 Jahren Mitglied des Ordens. Er trat hier in Ettal unserer Glaubensgemeinschaft bei. Später unterrichtete er Kirchengeschichte in Erlangen an der kirchlichen Fakultät für Archäologie. Er kannte die Welt und war viel unterwegs. Er wohnte Ausgrabungen bei und war ein Spezialist auf dem Gebiet altertümlicher Sprachen. Ob Latein oder Griechisch, ob Aramäisch oder Hebräisch. Er war ein geachteter Mann im Vatikan, und wir alle waren stolz, dass er das Gewand der Benediktiner trug. Vor drei Jahren erlitt er in den Bergen von Galiläa einen schweren Unfall. Er stürzte bei Ausgrabungsarbeiten am Berg Meron in einen tiefen Graben und erlitt einen komplizierten Bruch, der ihn beim Gehen behinderte. Damals kehrte er in unseren Orden zurück und blieb hier, um seinen Frieden mit Gott zu machen. Er hat viel gesehen von dieser Welt.«

»Hatte er Feinde?«, fragte Bukowski.

»Wir sind Brüder im Glauben«, antwortete der Abt. »Wir haben keine Feinde. Wir leben streng nach den Regeln des heiligen Benedikt.«

Die Tür zum Refektorium wurde aufgestoßen und Lisa betrat in Begleitung eines Mönches den Speisesaal. Der Mönch hatte die Kapuze seines Habits tief in das Gesicht gezogen und hielt seinen Kopf gesenkt. Die Hände hatte er zum Gebet gefaltet.

»Was ist los?«, fragte Bukowski.

»Das ist Bruder Franziskus«, antwortete Lisa. »Er hat uns etwas Wichtiges mitzuteilen.«

Sie schob den Mönch auf Bukowski zu.

»Bruder Franziskus?«, sagte Bukowski.

Der Mönch hob den Kopf. Die Haut seines Gesichtes war weiß und faltig. Eine Augenklappe verdeckte sein rechtes Auge.

»Gott steh mir bei«, begann der Mönch mit heiseren Worten. »Der Leibhaftige ist unter uns. Es war kurz vor dem Morgengebet. Ich hörte Lärm und erhob mich von meinem Lager. Ich ging zur Tür, da sah ich ihn. Seine Augen glühten, sein Antlitz war gezeichnet vom Feuer der Verdammnis. Er war schwarz gewandet und drehte sich nur kurz um, als er aus dem Zimmer unseres Bruders kam. Ich habe die Tür wieder geschlossen und mich auf den Boden gekniet. Ich betete zu Gott.«

»Aus welcher Kammer kam der Mann?«, fragte Bukowski.

»Es war kein Mann, es war Beelzebub, der Widersacher Gottes. Er kam aus der Kammer unseres Bruders Reinhard, den er seiner Seele beraubt hat.«

Der Abt erhob sich und kam auf Bruder Franziskus zu. Er legte ihm die Hand auf die Schulter, und der Mönch kniete sich nieder. Sanft, zärtlich fast, strich der Abt seinem Bruder über den Kopf.

»Bruder Franziskus ist manchmal ein wenig verwirrt. Dann sieht er Dinge, die nicht von dieser Welt sind, Sie verstehen?«

Bukowski nickte und wandte sich seiner Kollegin zu. »Habt ihr in der Kammer des Ermordeten nachgesehen?«

Lisa nickte. »Es sieht aus, als ob das Zimmer durchsucht wurde. Die Spurensicherung kümmert sich bereits darum.«

Die Bruderschaft Christi

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