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4 Jerusalem, Ausgrabungsstätte an der Straße nach Jericho ...
ОглавлениеTom erwachte. Sein Kopf brummte, als ob tausende Hummeln darin hin und her flögen. Er öffnete die Augen. Mit verschwommenem Blick schaute er sich langsam um. Er lag in einem Zelt, Licht brannte. Draußen war es dunkel, jedoch drang der Lärm von Maschinen dumpf an sein Ohr. Ein kalter Lappen kühlte seine Stirn. Neben seiner Liege saß Yaara und hielt seine Hand.
»Was ... was ist passiert?«, fragte er mit krächzender Stimme.
Yaara benetzte seine ausgetrockneten Lippen mit einem feuchten Tuch, beugte sich über ihn und drückte ihm sanft einen Kuss auf die Wangen.
»Du lebst, mein Gott, ich bin so dankbar«, sagte sie, und ihre Stimme klang brüchig wie Glas.
»Mein Kopf tut weh«, klagte Tom und fasste sich mit der freien Hand an die Stirn.
»Der Arzt meint, es könnte eine leichte Gehirnerschütterung sein«, erklärte Yaara. »Aber deine Knochen sind heil geblieben. Es ist wie ein Wunder. Du bist in eine Höhle eingebrochen und beinahe zwei Meter tief gefallen.«
»Eine Höhle?«, fragte Tom.
»Wir haben dich mit der Seilwinde geborgen«, erzählte Yaara. »Moshav und der Professor sind hinabgestiegen. Es war ein Glück, dass es dort ausreichend Sauerstoff gab. Es ist ein Grab. Sie legen es gerade frei.«
»Ein Grab?«, wiederholte Tom Stein. »Wie kommt eine Grabstätte unter das Gemäuer einer römischen Garnison? Ist es jüdischen Ursprungs oder ist es ein Römergrab?
«Yaara schüttelte den Kopf und ihre schwarzen lockigen Haare flogen hin und her. »Es ist kein Grab aus der Römerzeit. Es stammt nach ersten Schätzungen aus dem frühen Mittelalter. Professor Hawke ist überzeugt, dass es sich um die Grabstätte eines bedeutenden Kreuzritters handelt. Das Grab enthält einen steinernen Sarg und keine Ossuarien. Aaron hat die Decke stabilisiert. Professor Raful ist ebenfalls angekommen. Sie arbeiten die Nacht durch.«
Tom wollte sich erheben, doch Yaara hielt ihn mit sanftem Druck zurück. »Du ruhst dich aus! Oder soll ich dich in die Hadassah-Klinik bringen lassen? Ich kann den Krankenwagen immer noch rufen.«
Tom legte sich nieder und versuchte zu lächeln.
»Der Arzt hat dir Ruhe verordnet«, sagte Yaara streng. »Und wenn du dich nicht daran hältst, dann rufe ich in der Klinik an.«
Tom hob abwehrend die Hände. »Schon gut, ich tue ja, was mir meine Krankenpflegerin befiehlt.«
Der Zugang zum Zelt wurde zurückgeschlagen. Ein kühler Luftzug ergoss sich in das feuchtwarme Zelt. Moshav trat ein. Sein Blick fiel auf Tom. Er lächelte. »Dich kann man wirklich keine Minute aus den Augen lassen«, scherzte er. »Versorgt dich Yaara auch gut?«
Tom nickte. »Sie ist ein klein wenig zu streng mit mir. Was habt ihr im Grab gefunden?«
Moshav zog sich einen Stuhl heran. »Es ist eine kleine Sensation«, antwortete er. »Zumindest das, was wir bislang entdeckt haben.«
»Jetzt spann mich nicht auf die Folter, sag endlich, was das Grab enthält und wie es dahin kommt.«
»Dort liegt ein Ritter bestattet. Wir denken, dass wir den schweren Deckel des Sarkophags bis zum Morgen geöffnet haben. Aaron und seine Männer arbeiten daran. Wir haben Waffenreste und Tongefäße gefunden. Das Überbleibsel eines Schwertes und die Spitze einer Lanze. Alles deutet darauf hin, dass sie aus dem elften Jahrhundert stammen. Gina und der Professor haben einen Teil der Inschrift auf dem Sarg übersetzt. Sie ist in Mittellatein geschrieben. Demnach war der Bestattete eine Art Hauptmann der Tempelritter, die einst Teile der Stadt erobert hatten.«
»Ein Templer«, wiederholte Tom nachdenklich. »Aber wie kommt das Grab eines Templers hierher? Noch dazu unter die Ruinen einer römischen Bastion, die beinahe eintausend Jahre älter ist?«
»Wir haben erst einen Teil des Grabes freigelegt«, erklärte Moshav. »Der Professor ist der Meinung, dass die Templer den Ort bewusst wählten, weil es hier genügend Material zum Bau einer Gruft gab. Steine, verstehst du. Vielleicht sogar die Überreste der römischen Garnison, die zur damaligen Zeit hier verstreut herumlagen. Du hast selbst gesehen, es liegen nur wenige Erdschichten über dem Römerlager, und nach Westen hin fällt das Gelände ab. Aber wir werden sehen. Die Erbauer der Grabstätte waren wohl sehr bedacht darauf, dass ihr bestatteter Hauptmann nicht so schnell gefunden werden konnte.«
»Das ist komisch«, murmelte Tom nachdenklich. »Das Grab eines Tempelritters mitten in Jerusalem und noch dazu hier draußen, vor den Stadttoren, das ist durchaus bemerkenswert.«
»Du hättest Chaim Raful reden hören sollen. Er freut sich wie ein kleines Kind, das die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum sieht, sie aber noch nicht auspacken darf.«
Nachdem Moshav das Zelt verlassen hatte, wurde erneut der Vorhang vor dem Eingang zurückgeschlagen. Professor Chaim Raful betrat das Zelt. »Ich hörte von Ihrem Unfall und wollte fragen, wie es Ihnen geht, Tom?«, fragte er. Doch bevor Tom antworten konnte, klingelte Chaim Rafuls Mobiltelefon. Der Professor hob entschuldigend die Hände und nahm das Gespräch an. Es dauerte nur kurz.
»... wir sehen uns dann auf meinem Zimmer im King David, sagen wir gegen neun«, beendete er die Verbindung. Dann steckte er sein Telefon weg und trat vor Toms Lager.
»Trotz Ihres bedauerlichen Unfalls haben Sie durch Ihren Einsatz eine große Entdeckung für die Geschichte unseres Landes gemacht. Es ist bedauerlich, dass Sie dabei verletzt wurden. Ich hoffe, es geht Ihnen bald wieder gut. Ich möchte Ihnen, Tom, im Namen der gesamten Altertumsforschung danken.«
Der Professor reichte Tom die Hand.
»Ich ... ich ... ich habe nur meine Pflicht getan«, antwortete Tom etwas verlegen.