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Tel Aviv, Bar-Ilan-Universität ...

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Stolz präsentierte Professor Chaim Raful im kleinen Hörsaal der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv die mittlerweile gesäuberten und teilweise präparierten Fundstücke der Ausgrabungen unterhalb des Tempelberges einer überschaubaren Abordnung aus internationalen Journalisten.

Scherben von Tonkrügen, gut erhaltene Ringknaufschwerter der römischen Legionäre, ein paar Silbermünzen mit dem Konterfei des Kaisers Tiberius Claudius Nero, eine bronzene Kasserolle, Parfümflakons, Lanzen- und Pfeilspitzen sowie Schmuckstücke, kleine Bronzefigürchen und Fibeln und Haarpfeile römischer Frauen. Vier große Tische waren bedeckt mit den Artefakten aus dem Feld an der Straße nach Jericho.

»Wir hoffen, bald auf die Überreste römischer Ansiedlungen zu stoßen«, betonte Professor Chaim Raful. »Da wir ein reichhaltiges Sortiment an Waffen sowie Dinge des täglichen Gebrauchs und Schmuckstücke römischer Frauen vorfanden, gehen wir davon aus, dass es sich bei dem Fund um eine Niederlassung, besser gesagt eine Garnison handelte. Da dort auch römische Frauen lebten und nur hochrangige Offiziere das Privileg besaßen, ihre Familien in die besetzten Gebiete nachzuholen, nehmen wir an, dass sich innerhalb der römischen Garnison auch Wohnsiedlungen befunden haben. Wir sind also gespannt, wie es weitergeht.«

»Und wie alt sind die Funde?«, fragte eine Journalistin, die das Logo von AP an ihrer Jacke trug.

Chaim Raful räusperte sich. »Nach der Altersbestimmung durch unsere Spezialisten gehen wir davon aus, dass wir auf Funde aus dem Jahrhundert um Christi Geburt gestoßen sind. Der älteste Fund wird bislang auf etwa dreitausendfünfhundert Jahre geschätzt, doch die meisten Artefakte, vor allem diejenigen, die an der Oberfläche gefunden wurden, sind um die zweitausend Jahre alt.«

»Es gibt auch ältere Funde«, meldete sich ein englischer Reporter zu Wort. »Was macht diese Ausgrabungen so besonders, in Israel wird doch jeden Monat an einer anderen Stelle gegraben?«

Chaim Raful lächelte. »Sie haben Recht, mein Herr. Aber diese Funde deuten darauf hin, dass wir auf eine römische Niederlassung gestoßen sind, die von Legionären besiedelt war, als Jeschua am Kreuz seinen Tod fand. Vielleicht lebten dort sogar die Soldaten, die für die ordentliche Durchführung der Kreuzigung zuständig waren.«

»Sie meinen Jesus Christus«, erwiderte der Engländer.

»Ich meine den Zimmermannssohn aus Nazareth«, entgegnete Chaim Raful. »Er hat viele Namen, manche nannten ihn sogar den Retter der Welt. Ich will nicht zu viel versprechen und keine allzu großen Erwartungen wecken, aber diese Ausgrabungen könnten dazu beitragen, uns ein neues Bild der damaligen Zeit zu machen. Vielleicht sogar ein neues Bild von Jeschua selbst.«

Ein Raunen ging durch die Journalisten.

»Widmen Sie sich nun bitte den Artefakten«, forderte Chaim Raful die Anwesenden auf. »Sie sollten heute im Mittelpunkt stehen, nicht meine bescheidene Existenz.«

Dekan Joshua Ben Yerud, der Leiter des Fachbereiches für Archäologie der Bar-Ilan-Universität, stand neben Professor Raful. »Tragen Sie nicht zu dick auf, Chaim«, flüsterte er. »Die Gelder für die vollständigen Ausgrabungen sind bewilligt. Wir brauchen keine weitere Publicity.«

Chaim lächelte. »Es schadet nicht, wenn wir ein wenig im Licht der Öffentlichkeit stehen. Wir beide wissen, wie schnell das Ministerium seine Meinung ändern kann.«

Die Journalisten lichteten mit ihren Fotoapparaten die Ausstellungsstücke ab. Die junge Frau von der AP-Agentur wandte sich noch einmal um. Mit fragenden Augen blickte sie Chaim Raful an.

»Sie meinten das vorhin doch nicht ernst, oder?«

Der Professor räusperte sich wieder. »Wir wissen nie, auf was für ein Abenteuer wir uns einlassen, wenn wir in die Erde und damit in unsere Geschichte vorstoßen. Aber wir haben vage Hinweise darauf, dass wir ein paar neue Aspekte der Geschichte Jeschuas hinzufügen können.«

Die Frau lächelte skeptisch. »Welche Hinweise wären das? Auf dem Tisch liegen Fundstücke, wie man sie beinahe überall finden kann. Schließlich erstreckte sich damals das römische Imperium fast über die halbe Welt.«

Professor Chaim Raful griff in seine Jackentasche. »Eigentlich wollte ich abwarten, bis wir das Fundstück näher untersucht haben«, sagte der Professor, als er das Hochglanzfoto präsentierte.

»Was ist das?«, fragte die Journalistin, nachdem sie das Bild eine Weile betrachtet hatte.

»Es ist eine Art Applike, ein Bildnis in Form eines Wandtellers, der Durchmesser beträgt etwa zehn Zentimeter«, erklärte der Professor. »Es ist aus Ton und war in drei Teile zerbrochen.«

»Das ist die Kreuzigungsszene, oder?«

»Es war Fundstück Nummer drei«, fuhr der Professor fort. »Den ersten Analysen zufolge ist es beinahe zweitausend Jahre alt. Die Kreuzigung von Jesus muss ein eindrucksvolles Ereignis gewesen sein, das sogar römische Künstler dazu bewog, sie für die Nachwelt festzuhalten.«

»Ein römischer Künstler?«

»Sicherlich römisch, sehen Sie«, antwortete der Professor und wies auf die Darstellung der Figur, die über dem Kreuz Christi schwebte.

»Und wer ist das über dem Kreuz?«, fragte die Journalistin.

»Gott!«, antwortete Professor Raful trocken. »Deswegen wissen wir, dass es ein Römer gemacht haben muss. Den Juden war es verboten, ein Abbild von Gott herzustellen.«

»Das also lässt Sie annehmen, noch mehr über den Tod von Christus herauszufinden.«

»Vielleicht finden wir sogar Hinweise auf den Verbleib seines Leichnams«, murmelte der Professor.

»Ich dachte, die Grabeskirche ...«

»Vergessen Sie alles, was Sie bislang darüber gehört oder gelesen haben«, antwortete Chaim Raful in ernstem Ton. »Jeschua war zur damaligen Zeit ein Staatsfeind. Sie glauben doch nicht etwa, es hätte den Römern gereicht, ihn nur zu töten. Was wäre aus seiner Grabstätte geworden?«

Die junge Frau zuckte mit den Schultern.

»Sie wäre zu einem Symbol des Widerstandes geworden«, erklärte Raful. »Das konnten sich die Römer nicht leisten. Es stand zu viel auf dem Spiel. Es gibt Anhaltspunkte, dass der Leib Christi aus der Stadt gebracht wurde.«

»Sie meinen, Jesus wurde gar nicht am Hügel von Golgatha beerdigt?«

Der Professor verzog das Gesicht. »Wir werden sehen, was die Grabungen noch ans Tageslicht bringen. Geben Sie uns noch etwas Zeit.«

»Sie können mich doch nicht einfach so abspeisen«, antwortete die Journalistin barsch. »Erst zeigen Sie mir ein Foto, und dann bitten Sie mich um Geduld.«

»Alles zu seiner Zeit«, antwortete Chaim Raful. »Werfen Sie doch noch einen intensiven Blick auf unsere Funde. Sie alleine sind schon Ihr Kommen wert.«

Die Frau wollte noch etwas erwidern, doch der Professor wandte sich um und verließ eilenden Schrittes den Hörsaal.

Die Bruderschaft Christi

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