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Jerusalem, Ausgrabungsstätte an der Straße nach Jericho ...

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»Er hat uns einen Bärendienst damit erwiesen«, schäumte Jonathan Hawke vor Wut. »Nicht nur, dass er sich nicht an die Absprachen hält, nein, er bringt auch noch seine zweifelhafte Theorie an den Mann. Und die Journalisten fressen ihm aus der Hand. Das ist doch eine bodenlose Frechheit. Er weiß gar nicht, was er uns damit angetan hat. Bald wird es hier von Glücksrittern nur so wimmeln. Ich könnte ihn ...«

»Er hat nur versucht, die Werbetrommel zu rühren«, fiel ihm Aaron Schilling ins Wort. »Die Regierung hat zwar neue Gelder bewilligt, aber wenn das mit den Funden so weitergeht und sich das Feld noch weiter ausdehnt, dann reicht das Geld hinten und vorne nicht.«

Hawke schlug mit der Faust auf den wackeligen Campingtisch.

»Er hätte es nicht tun dürfen!«, sagte er.

Wurde Jesus am Fuße des Tempelbergs beerdigt?, lautete die Schlagzeile auf der ersten Seite in der Abendausgabe der Haaretz. Der Reporter berichtete von den Ausgrabungen an der Straße nach Jericho und vom sensationellen Fund eines römischen Wandtellers, der die Kreuzigungsszene darstelle. Natürlich waren auch die Bemerkungen von Professor Chaim Raful über die Grabstätte Jesu als Zitat abgedruckt. Ein Zeichner hatte ein Bild des Tellers angefertigt, das neben dem Artikel prangte.

»Zumindest hatte der Reporter ein gutes Gedächtnis«, sagte Tom Stein, nachdem er die Zeichnung betrachtet hatte.

»Ein paar Details fehlen«, antwortete Moshav.

Sie hatten sich nach dem gemeinsamen Abendessen im Zelt von Jonathan Hawke versammelt, der die Schlagzeile in der Abendzeitung entdeckt hatte. Alle für die Grabungen Verantwortlichen waren anwesend: Professor Hawke, der Leiter der Ausgrabung, Aaron Schilling, der technische Leiter, Doktor Jean Marie Colombare, der Computerspezialist und Messtechniker, Doktor Gina Andreotti, die Spezialistin in Sachen Altersbestimmung, Doktor Moshav Livney, Spezialist für die römische Vergangenheit Israels, Doktor Yaara Shoam, ihr Fachgebiet war die Übersetzung alter Schriften, und Tom Stein, als Archäologe und Ingenieur für Berg- und Tiefbau quasi der technische Assistent von Aaron Schilling.

Professor Hawke hatte die Versammlung eilends einberufen. Und in der kleinen Zeltstadt unterhalb des Tempelberges herrschte hektische Betriebsamkeit. Hawke hatte angeordnet, dass Scheinwerfer installiert werden sollten, um die Grabungsstätte auch in der Nacht ausleuchten zu können.

»Wir sollten Wachen einteilen«, sagte er. »Außerdem möchte ich, dass rund um das Areal ein Schutzzaun errichtet wird. Wir müssen auf alles gefasst sein.«

»Wir sind hier mitten in Jerusalem und nicht in New York«, warf Yaara ein. »Ich glaube nicht, dass es Schwierigkeiten geben wird.«

»Wieso bist du dir so sicher?«, fragte Tom.

»Unser Volk hat Disziplin und Pflichtbewusstsein gelernt«, antwortete Yaara. »Wir leben schon seit Jahren auf einer Insel, umgeben von Feinden. Man hat 1967 und 1973 und durch alle Jahrzehnte hindurch versucht, uns zu vernichten. Im Norden schlagen jeden Tag Raketen der Hisbollah ein, aber wir existieren noch immer. Wir überleben, weil wir uns der Tradition unserer Väter verpflichtet fühlen und zusammenstehen.«

»Ach, und du meinst, das alleine genügt«, widersprach Tom. »Wir brauchen keinen Zaun, weil ihr die besseren Menschen seid und weil es Habgier und Streben nach Reichtum und Macht nur in unserer Welt gibt?«

»Gerade ein Deutscher sollte so etwas nicht sagen«, antwortete Yaara spitz.

Tom blickte betreten zu Boden.

»Meine Damen, meine Herren, das ist nicht die Zeit, um einen Streit vom Zaun zu brechen«, griff Jean mäßigend ein. »John hat Recht. Wir müssen darauf gefasst sein, dass Abenteurer und Glücksritter versuchen werden, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Wir sollten auf alle Fälle auf der Hut sein.«

Plötzlich drang lautes Rufen von draußen in das Zelt. Alle sprangen auf und eilten hinaus. Ariel, der Vorarbeiter der Studentenschaft, kam auf das Zelt zugelaufen.

»Kommt schnell!«, rief er. »Zwei Eindringlinge. Wir haben sie erwischt, als sie in Grube vier klettern wollten. Ich glaube, ein weiterer Komplize ist in die Grube gestürzt.«

Tom und Moshav rannten in die angezeigte Richtung. Die Grube Nummer vier lag nahe an der Straße. Die Sichel des Mondes erhellte leidlich die beginnende Nacht. Die Scheinwerfer bestrahlten die nahe Stadtmauer. Noch immer lagen die Temperaturen bei fünfundzwanzig Grad. Hier kühlte es im frühen Sommer auch in der Nacht nicht wirklich ab. Die Zeltstadt blieb verlassen zurück. Eine Gruppe von Studenten und Arbeitern, die bei den Ausgrabungen half, umringte die Grube. Tom traf nahezu gleichzeitig mit Moshav ein.

»Schnell, er ist hinabgestürzt«, sagte einer aus der Gruppe. Sie hielten zwei Gestalten fest. Der Größe nach zu urteilen, waren es Kinder, Jugendliche vielleicht.

Tom trat an den Rand der tiefen Grube. Von einem umstehenden Studenten schnappte er sich eine Taschenlampe und leuchtete in den dunklen Graben. Unten am Boden lag der leblose Körper eines Jungen.

»Ich gehe da runter!«, entschied er. »Schnell ein Seil, und ruft den Rettungsdienst!«

Eilends wurde ihm ein Seil zugeworfen. Er schlang es um seine Hüfte. Moshav legte ihm die Hand auf die Schulter. »Pass auf, die Wände sind noch nicht gesichert.«

Tom blickte Moshav ins Gesicht. »Ich weiß«, antwortete er.

Er trat auf die schwere Diele, die sie am heutigen Morgen über den Graben gelegt hatten. Moshav griff als Erster nach dem Sicherungsseil.

»Schlingt das Ende um den Baum dort hinten«, rief er den Studenten zu.

Als das Seil spannte, kletterte Tom vorsichtig in die knapp drei Meter tiefe Grube. Stück um Stück ließ Moshav das Seil nach.

»Kommst du voran?«, rief er in die Grube.

»Etwas schneller«, rief Tom zurück.

Schließlich erreichte er den Boden. Er beugte sich zu dem Verletzten hinab. Mit der Taschenlampe, die er in seinen Hosenbund gesteckt hatte, leuchtete er den Jungen an. Er mochte nicht viel älter als zehn Jahre sein. Seine Augen waren geschlossen, doch sein Brustkorb hob und senkte sich.

»Er lebt«, rief er nach oben und fuhr mit seiner oberflächlichen Untersuchung fort. Als er das Bein des Gestürzten abtastete, bemerkte er den Bruch.

»Er hat das Bein gebrochen«, rief er nach oben. »Wir brauchen eine Möglichkeit, um ihn zu bergen.«

Innerlich fluchte er darüber, dass sie nicht wie geplant den Flaschenzug am Mittag errichtet hatten. Aber dann hatten sie Aaron abgezogen und in die Stadt geschickt, um mit dem LKW Balken und Baumaterial zu holen.

»Wir haben keine Trage«, erwiderte einer der Arbeiter. Tom fluchte. Vorsichtig hob er den Jungen auf. Ein Seufzer kam über die Lippen des Verletzten, der schlaff in seinen Armen hing.

»Vorsichtig anziehen!«, rief er.

Das Seil spannte sich. Er spürte den Zug um seine Hüften. Doch wie sollte er sich an der Wand abstützen?

Mit der linken Hand umklammerte er den Körper des Jungen. Als er den Kontakt zum Boden verlor, stützte er sich mit seinem rechten Arm an der Wand ab. Langsam, aber sicher schob er sich nach oben. Immer näher kam der Rand der Grube. Der Schweiß trat aus allen Poren und lief ihm über die Stirn. Die Sekunden schienen wie im Zeitlupentempo zu vergehen. Das Heulen einer Sirene erklang. Das Signal näherte sich. Der Junge wurde immer schwerer. Einmal musste er nachfassen, doch er hielt ihn fest, wie ein Ertrinkender seinen Rettungsring. Als er am Ende seiner Kräfte war, spürte er die starken Arme, die ihn umklammerten und ihn mitsamt dem Jungen nach oben zogen. Atemlos ließ er sich neben der Grube direkt vor Yaaras Beinen zu Boden sinken. Er sah ihren ängstlichen Blick.

»Die Grube hätte einstürzen können«, sagte sie. »Bist du verletzt?«

»Wie geht es ihm?«, fragte er außer Atem.

»Die Sanitäter sind hier«, antwortete Yaara und beugte sich zu Tom hinab. Zärtlich fuhr sie ihm mit ihrem Halstuch über das Gesicht.

»Es geht ihm gut, er ist wieder wach«, sagte Moshav, der sich unbemerkt genähert hatte. »Den beiden anderen Jungs sitzt der Schreck gehörig in den Gliedern. Sie wollten sich einen Spaß machen und heimlich nach Artefakten suchen. Aber ich denke, das ist ihnen gründlich vergangen.«

»Siehst du jetzt ein, dass wir das Lager sichern müssen?«, wandte sich Tom an Yaara.

Die nickte und tupfte ihm den Schweiß von der Stirn.

Die Bruderschaft Christi

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