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Steingaden im Pfaffenwinkel, Oberbayern ...

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Die Nacht war dunkel, Neumond. Nicht einmal die cremefarbene Fassade der Wieskirche hob sich von der Dunkelheit ab. Und hätte nicht das Licht im benachbarten Haus des Küsters die Finsternis zerschnitten, hätte niemand geahnt, dass sich auf der kleinen Anhöhe, direkt hinter den ausgedehnten Wiesen, ein wahres Schmuckstück von Kirche verbarg.

Die beiden Männer in ihren dunklen Overalls hielten ihre Köpfe unter einer schwarzen Sturmhaube verborgen und verschmolzen mit der Nacht. Sie wussten genau, wo die Kirche stand und von welcher Seite sie ungesehen an die kleine Tür zur Sakristei, unterhalb des Glockenturms, gelangen konnten.

Es war weit nach Mitternacht, und das Licht im Haus des Küsters brannte die ganze Nacht hindurch. Das alles wussten die beiden nächtlichen Eindringlinge, die sich schon seit dem gestrigen Tag in der Gegend aufgehalten und die Kirche bei Tag bereits besichtigt hatten. Schließlich war die Wieskirche bei Steingaden eine von Touristen gerne besuchte Sehenswürdigkeit im schönen Oberbayern und mittlerweile zum UNESCO-Kulturgut erklärt worden. Das Kunstwerk aus dem Bayerischen Rokoko zog im Sommer täglich hunderte Besucher an, und selbst im Winter verirrten sich Menschen in den Pfaffenwinkel, um der kleinen Kirche einen Besuch abzustatten. Das alles war den beiden Gestalten egal, sie hatten weder einen Blick für den verschnörkelten Kirchenbau, noch waren sie empfänglich für die Schönheit, die Ruhe und die Anmutigkeit der Umgebung. Sie hatten ein klar definiertes Ziel, eine Aufgabe von höchster Priorität, und alleine aus diesem Grund waren sie hier.

Die hölzerne Tür zur Sakristei bot kein Hindernis. Sie hatten einen Schlüssel, der ihnen jedes Tor und jede Tür in diesem Anbau erschloss. Sie sprachen nicht miteinander, sie verstanden sich blind. Jeder von ihnen wusste, welche Aufgabe er hier zu erfüllen hatte und wie wichtig dieser Auftrag war.

Nachdem sie lautlos in das Gebäude eingedrungen waren, zückten sie ihre Taschenlampen. Vorsichtig durchquerten sie den Raum und drangen in das Innere der Kirche ein. Den sakralen Kunstwerken widmeten sie keinen Blick. Das Predigtpult war alles, wofür sie sich interessierten. Sie suchten mit ihren Taschenlampen den hölzernen Standfuß ab, bis sie die richtige Stelle entdeckten. Der größere der beiden kniete sich zu Boden und fuhr mit einem Stilett in die Zwischenräume, die sich im polierten Holz abzeichneten. Er brauchte eine Weile, bis er das kleine Geheimfach geöffnet hatte. Eine Art Schachtel kam zum Vorschein. Der Kniende griff danach und öffnete sie. Es war eine Schatulle. Ein kleiner goldener Schlüssel lag darin. Nicht viel größer als sein Daumen, aber reichhaltig verziert. Ein Wappen war am Griff zu erkennen. Ein blaues Jerusalemkreuz prangte in der Mitte des Wappenschildes.

Plötzlich flammte das Licht auf.

»Keine falsche Bewegung!«, sagte eine tiefe Stimme im barschen Befehlston. »Habe ich doch richtig gesehen.«

Ein alter Mann stand in der Tür zur Sakristei und zielte mit einem Gewehr auf die beiden dunklen Gestalten.

»Die Polizei ist auf dem Weg«, sagte der Alte. »Ich habe Sauposten geladen, wenn ihr euch bewegt, dann schieße ich! Jetzt nehmt die Hände hoch, aber so, dass ich euch sehen kann!«

Der alte Mann zitterte, Schweiß rann ihm über die Stirn. Der Kniende erhob sich langsam. Das Stilett lag in der Innenseite seiner Hand. Während der kleinere der beiden langsam seine Hände in die Höhe streckte, drehte sich der andere ein klein wenig zur Seite. Auch er erhob langsam seine Hände, doch plötzlich zuckte seine Rechte vor. Blitzschnell, beinahe unsichtbar für den Alten, verließ das Messer die Hand des Eindringlings. Ein Surren war zu hören, als das Messer die Luft zerschnitt. Noch bevor es sein Ziel traf, sprangen die beiden Einbrecher zur Seite. Geschickt rollten sie sich auf dem Boden ab und suchten Deckung. Doch kein Schuss fiel, nur ein gurgelnder Laut war zu hören. Mit weit vor Überraschung und Schmerz aufgerissenen Augen fiel der Alte nach vorne auf die Knie. Das Gewehr rutschte ihm aus den Händen und landete scheppernd auf dem Steinboden. In der Kirche klang dieses Geräusch wie Donnerhall. Die beiden Eindringlinge richteten sich behände auf.

»Andiamo!«, raunte der Große seinem Begleiter zu. Sie hasteten auf die Sakristeitür zu. Bevor sie an dem Alten vorübergingen, beugte sich der Große hinab und drehte den Liegenden um. Eine Blutlache breitete sich in Höhe seines Kopfes aus. Mit offenen Augen starrte der Alte an die Decke. Der Große zog das Messer aus dem Hals des Toten und rannte hinter seinem Komplizen her. Als der jammernde Ton des Martinshorns der herbeieilenden Polizeiwagen die Dunkelheit anfüllte, waren die beiden längst verschwunden. Der Küster blieb in seinem Blut zurück.

Die Bruderschaft Christi

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