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Man hat sich ja inzwischen daran gewöhnt, dass Torhüter auch Geschmack am Toreschießen gefunden haben. Jens Lehmann und Frank Rost trafen schon in der Bundesliga; Paraguays José Luis Chilavert erzielte 1996 mal ein Freistoßtor aus 60 Metern Entfernung, und Mexikos Jorge Campos – der mit den bunten Trikots – spielte während seiner Länderspielkarriere dreimal sogar ganz offiziell im Sturm. (Nachdem jeweils ein Torhüter eingewechselt worden war, damit Campos zum Angreifer werden konnte.) Aber kaum ein Keeper wird je mit Jimmy Glass mithalten können – denn sein Tor fiel nicht nur spät und war nicht nur schön, sondern zudem auch noch äußerst wichtig.

In der Saison 1998/99 war Glass von Swindon Town an Carlisle United in Englands „Third Division“ ausgeliehen worden. (Damals war die „Third Division“ die vierte Liga, weil die erste nun mal Premier League hieß. Heute ist es noch komplizierter.) Aus dieser untersten Profifußball-Klasse steigt jedes Jahr ein Team ab, und wem das passiert, der versinkt im Sumpf des Amateurfußballs, nicht selten auf immer und ewig. Am letzten Spieltag der Saison, dem 8. Mai 1999, traf Carlisle daheim als Tabellenletzter auf Plymouth Argyle. Es war erst das dritte Spiel, das Jimmy Glass im Tor von United bestritt. Sein Team musste unbedingt gewinnen, um nicht abzusteigen – und selbst dann hatte man noch darauf zu hoffen, dass ein anderes Kellerkind, Scarborough, keine drei Punkte holte.

Nach 90 Minuten stand es in Carlisle 1:1. Von der Bank bekamen die Spieler Signale, dass auch Scarboroughs Heimspiel mit diesem Ergebnis enden würde. Noch war also Hoffnung, aber es wollte sich einfach keine Tormöglichkeit für Carlisle ergeben. In der fünften Minute der Nachspielzeit holte die Elf einen Eckball heraus, und der Schiedsrichter deutete an, dass er nach dieser Aktion das Spiel – und damit wohl auch Carlisles Geschichte als Profiklub – beenden würde. Also eilte Jimmy Glass nach vorne. Sein Kollege Graham Anthony brachte den Eckball herein und Scott Dobie köpfte ihn aufs Tor, doch Plymouths Schlussmann James Dungey wehrte den Ball reaktionsschnell ab. Von seinen Fäusten segelte das Leder nun durch die Luft … und direkt auf Jimmy Glass zu. Der nahm nun nicht seine Fäuste zu Hilfe (wie Oliver Kahn es ja mal in Rostock tat), sondern hämmerte den Ball seelenruhig per Volley in die Maschen. „Der Ball fiel in meine Richtung, rumms, Tor, vielen Dank!“, beschrieb Glass das Geschehen später. Trotz seiner Heldentat bekam er keinen Vertrag bei Carlisle, sondern wechselte zu Cambridge. Später arbeitete er bei einer Internet-Firma, heute gehört ihm ein Taxiunternehmen.

Wer am Sonntag, dem 4. November 2001, zufällig einen Ausflug zum Stadion des englischen Klubs Oxford United unternahm, der wurde Zeuge einer außergewöhnlichen Versammlung. An diesem spielfreien Tag befanden sich auf dem Platz nämlich nicht nur einige Spieler und der Klubvorsitzende Firoz Kassam, sondern auch Uniteds Kaplan, der Reverend Michael Chantry, und sogar der Bischof von Oxford, Richard Harries. Letzterer sprenkelte etwas Weihwasser auf das Feld und sprach ein Gebet. Am nächsten Tag berichteten Zeitungen, es habe sich um einen Exorzismus gehandelt, mit dem der Bischof einen Fluch von dem Gelände nehmen wollte. In Jahre 1996, als Oxford gerade in die „First Division“ aufgestiegen war, kaufte der Klub nämlich Land von einem Bauern, um dort ein neues, 23 Millionen Euro teures Stadion zu bauen. Auf diesem Land lebten nun bis dahin Zigeuner, die dem Bauern bei der Ernte halfen und als Gegenleistung ihre Lager aufschlagen durften. Als sie hörten, dass man sie vertreiben würden, belegten sie das Land mit einem Fluch.

Das ist natürlich nur eine Legende. Allerdings … Allerdings lief bei dem bis dahin erfolgreichen Team von Oxford United nach dem Landkauf alles schief. Der Klub stieg zweimal ab und fand sich zur Eröffnung des neuen Kassam-Stadions in der „Third Division“ wieder. Von den ersten zehn Heimspielen wurden nur zwei gewonnen, und im November 2001 war United nach 13 Niederlagen in 17 Spielen in großer Abstiegsgefahr. Also schritt der Bischof ein.

Aber das, so sagte er, hatte nichts mit Exorzismus zu tun. „Der Bischof hat den Platz nur geseget, das war alles“, meinte der Sprecher seiner Eminenz, Richard Thomas. Doch je länger die Männer der Kirche sich äußerten, je näher kamen sie dem eigentlichen Thema. „Ich denke, man sollte lieber sagen, es ist auf eine positive Art ein Gebet der Segnung gesprochen worden“, erläuterte Kaplan Chantry. „Das drückt die Sache besser aus, als zu sagen, man habe einen Fluch aufgehoben.“ Und der Bischof selbst meinte: „Heutzutage nennen wir es nicht mehr einen Exorzismus, wir nennen es das Wirken auf die Erlösung vom Bösen.“ Also einen Exorzismus.

Eine Woche später holte Oxford daheim ein 2:2 gegen York. Beide Tore Uniteds resultierten aus abgefälschten Schüssen. Dann aber unterlag man gegen das Team aus Darlington, dessen Spieler und Fans nach einer sittenstrengen englischen Sekte „Die Quäker“ genannt werden. (Immerhin stieg Oxford am Ende der Saison nicht ab.)

Im Sommer 1973 verpflichtete der FC Bayern München den Mittelfeldmann Hans-Josef „Jupp“ Kapellmann vom 1. FC Köln. Der Medizinstudent kostete die Bayern 800.000 Mark – zu jener Zeit absoluter Transferrekord. „Den brauchen wir nicht“, grummelte Paul Breitner, aber da wusste er noch nicht, dass Kapellmann nicht allein kommen würde.

Für jene 800.000 Mark bekam der Klub nämlich auch Mister Pitt, einen kleinen Stoffbären. Kapellman tat kaum einen Schritt ohne Mister Pitt und unterhielt sich in der Kabine und auf Busfahrten sehr oft mit ihm – auf Deutsch und wahlweise auch auf Französisch. Eines Tages entführte ein Spieler der Bayern den Bären und legte ihn vor die Räder des Mannschaftsbusses, so dass das unschuldige Tier beim Anfahren einen grässlichen Tod gestorben wäre. Glücklicherweise entdeckte Kapellmann seinen Freund gerade noch rechtzeitig, warf sich vor den Bus und riss Mister Pitt an sich. Wie Franz Beckenbauer in seiner Autobiographie „Einer wie ich“ schreibt, beschimpfte Jupp dann seine Kollegen als „Barbaren“ und wünschte ihnen, sie mögen alle Durchfall bekommen. Kapellmann ist heute Chefarzt für Orthopädie in einer bayerischen Klinik.

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