Читать книгу Wie Österreich Weltmeister wurde - Ulrich Hesse-Lichtenberger - Страница 8
ОглавлениеIn der Bundesliga ist der SC Freiburg der Klub, der die meisten Probleme mit Elfmetern hat. In der Saison 1996/1997 verwandelten Spieler des SC nur vier von acht Strafstößen (davon einen erst im Nachschuss). Alle vier vergebenen Elfmeter gingen übrigens auf das Konto von Harry Decheiver; bei drei von ihnen war der Pfosten im Weg. Doch es kam noch übler für die Breisgauer: In der Spielzeit 1999/2000 führten nur drei von sieben Strafstößen zu Toren, und zweimal brauchte man auch hier einen Nachschuss. Am vorletzten Spieltag wurde die Angelegenheit vollends peinlich, als Alexander Iaschwili gar an einem Aushilfskeeper scheiterte: Kaiserslauterns Verteidiger Michael Schjönberg hatte den verletzten Uwe Gospodarek ersetzen müssen, parierte aber den Elfmeter souverän.
Doch die Freiburger mögen sich damit trösten, dass es Vereine gibt, die noch schlechtere Erfahrungen mit Strafstößen gemacht haben. Etwa den FC Portsmouth aus England. In der Saison 1982/83 vergab der Drittligist neun Elfmeter in Folge. (Und stieg trotzdem auf!) Sechs verschiedene Spieler halfen, diese einmalige Serie aufzustellen, die erst – und sinnigerweise – während des Osterfestes riss. Allerdings muss man erwähnen, dass der Verein auch schon einmal auf legendäre Weise von der Nervenschwäche eines Gegners profitiert hatte. Das war im September 1973, damals in der 2. Liga, als Aufsteiger Notts County beim FC Portsmouth antrat. Der Gast bekam einen Elfmeter zugesprochen, den er aber vergab. Der Schiedsrichter hingegen befand, der Torwart von Portsmouth habe sich zu früh bewegt, und ordnete eine Wiederholung an. Doch auch beim zweiten Versuch traf der Schütze nicht ins Netz. Zum Glück hatte der Unparteiische den Strafstoß diesmal noch gar nicht freigegeben, und so bekam Notts County eine dritte Chance. Ein Verteidiger namens Brian Stubbs trat an und den Ball in die Wolken. Danach hatte selbst der Schiedsrichter den Glauben an ein Tor verloren, und das Spiel ging mit einem Abstoß weiter. (All diese glücklichen Fügungen nutzten Portsmouth wenig: Notts County gewann 2:1.)
Als sich Japans Nationalelf für die WM 1998 in Frankreich qualifizierte, konnte man allenthalben hören, dass das Land darüber sehr erleichtert war, weil es doch äußerst peinlich gewesen wäre, als Co-Gastgeber des Turniers 2002 noch niemals an einer Endrunde teilgenommen zu haben. In der Tat spielten die Japaner 1998 zum ersten Mal überhaupt auf der größten Bühne des Weltfußballs. Was aber kaum jemand weiß (vermutlich nicht einmal in Japan selbst), ist, dass sie es eigentlich schon 1994 hätte schaffen sollen. Ja, müssen. Ja, eigentlich schon geschafft hatten …
In der Qualifikation zu diesem Turnier setzte sich Japan zunächst in der Asien-Vorrunden-Gruppe F gegen die Vereinigten Arabischen Emirate und drei andere Teams durch. Dadurch gelangte man in eine Endrundengruppe mit Südkorea, Nordkorea, Saudi-Arabien, Irak und Iran. Die ersten beiden dieser Gruppe durften zur WM 1994 in die USA fahren. Am letzten Spieltag sicherte sich Saudi-Arabien mit einem 4:3 über den Iran den ersten Platz. Um den wichtigen zweiten Platz stritten nun noch Südkorea, Japan und Irak. Letztere trafen in Bagdad direkt aufeinander, und als das Spiel mit einem 2:2 endete, waren die Gäste aus Japan guter Dinge: Sie blieben nun in der Tabelle vor dem Irak und konnten von den Südkoreanern nur dann überholt werden, wenn die ihr Spiel mit mindestens 2:0 gewannen. Südkoreas Gegner? Ausgerechnet der politische Feind aus dem kommunistischen Nordkorea!
Um zu verstehen, was nun geschah, muss man zwei Dinge wissen: dass Korea einst eine japanische Kolonie war – und dass Nord- und Südkoreaner sich trotz aller ideologischen Unterschiede zusammengehörig fühlen. Zur Halbzeit stand es zwischen den beiden Teams in einem kampfbetonten Match 0:0. In der Halbzeitpause besprachen die Nordkoreaner nun aber nicht etwa, wie man die gegnerische Abwehr knacken könnte, sondern wie sich die Lage in der Tabelle darstellte. „Wir wussten, dass man uns aus politischen Gründen ohnehin nicht in die USA hätte fahren lassen“, verriet neun Jahre später, nach seiner Flucht aus dem Land, Nordkoreas Trainer Yoon Myung Chan. „Und wir wollten nicht, dass sich Japan qualifiziert.“ Also gab Yoon Myung Chan seinen Akteuren neue Instruktionen für die zweite Halbzeit. Den Nordkoreanern unterliefen plötzlich unerklärliche Fehler, und Südkorea gewann 3:0. (Fast auf den Tag genau acht Monate später traf Südkorea übrigens bei der WM auf Deutschland. Es war das Spiel, in dem Stefan Effenberg seinen Stinkefinger zeigte und deswegen nach Hause geschickt wurde. )