Читать книгу Wie Österreich Weltmeister wurde - Ulrich Hesse-Lichtenberger - Страница 14
ОглавлениеKommen wir doch noch mal kurz auf Vereinsnamen zurück. Was haben Chelsea London, Arsenal London, Celtic Glasgow und die Glasgow Rangers gemeinsam? Richtig: Es gibt sie nicht. Chelsea FC, Arsenal FC, Celtic FC und Rangers FC verzichten in ihren offiziellen Namen alle auf einen genaueren Hinweis, von welchem Fleckchen Erde sie wohl stammen mögen. (Auch wenn die „Enzyklopädie der europäischen Fußballvereine“ etwas anderes behauptet.)
Das tun auch die bekannten Kaizer Chiefs aus Südafrika, die nicht etwa so heißen, weil sie aus der Stadt „Kaizer“ kommen, sondern weil sie von einem Spieler namens Kaizer Motaung gegründet wurden. Vom selben Kontinent stammt übrigens auch der Klub Jeanne d’Arc (und nicht etwa aus Frankreich, wie man wegen der Namenspatronin Johanna von Orleans meinen könnte). Jeanne d’Arc – also der Verein, nicht die Jungfrau – schaffte es 2002 immerhin unter die letzten acht der afrikanischen Champions League und vertrat damit die Stadt Dakar und das Land Senegal ganz vernünftig.
Hübsche Klubnamen findet man auch in Südamerika. Colo Colo Santiago aus Chile heißt nach dem Spitznamen für eine einheimische Wildkatze; Vasco da Gama aus Rio de Janeiro ist nach dem portugiesischen Seefahrer benannt, der die Route um das Kap der Guten Hoffnung entdeckte, weil dieser Klub als Segelverein begann. Und kaum zu toppen ist schließlich der Klub aus Bogota in Kolumbien, der 1938 als Deportivo Municipal gegründet wurde. Als nämlich Ende der vierziger Jahre die kolumbianische Profiliga mit ungeheuren Gehältern um Spieler aus aller Welt warb (wie zum Beispiel Alfredo di Stéfano) und sie auch bekam, obwohl die FIFA die Liga boykottierte und alle Akteure auf eine schwarze Liste setzte, brachte ein Journalist einen Spitznamen auf, der inzwischen offiziell geworden ist: Millionarios Bogota.
Nicht einmal die Allergrößten haben es geschafft, jede bedeutende Trophäe zu gewinnen, die man als europäischer Fußballer erreichen kann – also die nationale Meisterschaft, den nationalen Pokal, den UEFA-Cup, den Pokalsiegercup, den Landesmeisterpokal (oder die Champions League), die Europameisterschaft und die Weltmeisterschaft.
Einige Spieler haben sechs dieser möglichen Titel. Etwa Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller, denen nur der UEFA-Cup fehlt. Oder Marco Tardelli von Juventus Turin, der es leider nicht schaffte, Europameister zu werden. Gar nicht mal so schlecht steht auch Youri Djorkaeff dar: Er war Welt-und Europameister mit Frankreich, holte den französischen Pokal sowie den europäischen Pokalsiegercup mit Paris St. Germain und gewann 1998 als Spieler von Inter den UEFA-Cup. Er musste also nur auf eine nationale Meisterschaft und die Champions League verzichten.
Wie unwahrscheinlich es ist, alle sieben Titel einzuheimsen, sieht man daran, dass keiner der oben genannten jemals richtig nah daran kam, seine Sammlung zu komplettieren, sprich: Keiner stand auch nur in einem Finale um die ihm noch fehlende Trophäe. Und deshalb ist der Profi, der am knappsten an diesem Super-Grand-Slam vorbeischrammte, ein unerwarteter Kandidat: Rainer Bonhof. Er gewann mit Borussia Mönchengladbach den DFB-Pokal (1973), die Deutsche Meisterschaft (mehrfach) und den UEFA-Cup (1973). Er war 1974 Weltmeister und holte im Trikot des CF Valencia 1980 den Europapokal der Pokalsieger. Es fehlen ihm also nur ein Europameistertitel und der Landesmeisterpokal, und beide Trophäen lagen für Bonhof im Bereich des Möglichen: Er war Mitglied der deutschen Elf, die 1976 das EM-Finale im Elfmeterschießen verlor, und er spielte 1977 für Gladbach im Finale des Europacups der Landesmeister, das gegen Liverpool verloren ging.
Lazio Rom ist zwar einer der großen Vereine Italiens und gehört zu der Gruppe von ruhmreichen Klubs, die man als die „Sieben Schwestern“ bezeichnet, aber bis 1974 gab es für die 1900 gegründete „Societa Sportiva“ nicht eine einzige Meisterschaft zu feiern. In der Saison 1970/71 stieg man gar aus der ersten Liga ab. Doch in gewisser Weise war das der Beginn von besseren Zeiten – die dann durch zwei Todesfälle vorzeitig beendet wurden, von denen einer der vielleicht bizarrste der Fußballgeschichte ist.
In der 2. Liga verpflichtete Lazio den Trainer Tommasso Maestrelli, einen ehemaligen Profi vom Lokalrivalen AS Rom. Maestrelli sollte zur großen Vaterfigur der meisten Lazio-Spieler werden, insbesondere des Torjägers Giorgio Chinaglia, und er führte den Klub sofort zurück in die „Serie A“. Eine der wichtigsten Verpflichtungen, die Maestrelli dann tätigte, war die des Mittelfeldspielers Luciano Re Cecconi, der bald „der blonde Engel“ hieß (lange bevor Bernd Schuster diesen Beinamen erhielt). 1974 wurde Re Cecconi zum Nationalspieler – und Lazio gewann zum ersten Mal überhaupt die Meisterschaft.
Der Klub schien nun vor einer großen Zukunft zu stehen, aber dann ging alles schief. Im Jahr nach dem Triumph erkrankte Maestrelli an Krebs, und ein geschocktes Lazio geriet ins Schlingern, stand 1975/76 sogar kurz vor einem erneuten Abstieg. Das Team schien sich jedoch gefangen zu haben, als es am 5. Dezember 1976 erfuhr, dass Maestrelli gestorben war. Und nur etwa fünf Wochen später, am 17. Januar 1977, verfiel Re Cecconi auf eine wahrhaft törichte Idee. Der „blonde Engel“ war mit einem Juwelier gut bekannt und wusste, dass der Geschäftsmann in ständiger, fast krankhafter Angst vor Raubüberfällen lebte. An besagtem Tag nun wollte sich Re Cecconi einen geschmacklosen Spaß machen: Er stülpte sich eine Skimaske über und stürzte in das Geschäft seines Bekannten, um ihn zu erschrecken. Der Juwelier zögerte keine Sekunde und ließ Re Cecconi nicht den Hauch einer Chance, sich zu erkennen zu geben. Er riss eine unter der Ladentheke verborgene Waffe hervor und streckte den maskierten Eindringling mit einem tödlichen Schuss nieder. Luciano Re Cecconi war 29 Jahre alt, als er starb. Drei Jahre später wurde Lazio wegen Bestechung in die „Serie B“ versetzt; erst 1988 stieg der Klub wieder auf.