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Eines der ungewöhnlichsten Elfmeterschießen im internationalen Fußball fand am 3. November 1971 in Lissabon statt. Im Achtelfinale des Europapokals der Pokalsieger traf an diesem Abend Gastgeber Sporting auf die Glasgow Rangers. Für die Schotten war dies eine ganz besondere Partie: In Lissabon hatte nämlich vier Jahre zuvor Lokalrivale Celtic den Meistercup gewonnen, außerdem spielte Sporting – wie Celtic – stets in grün-weiß gestreiften Trikots. Dermaßen angespornt, lieferte Rangers den Portugiesen ein großes Match und unterlag erst durch einen späten Treffer in der Verlängerung mit 3:4. Der Gesamtstand lautete somit 6:6, woraufhin Schiedsrichter Laurens van Ravens aus den Niederlanden die Teams ins Elfmeterschießen beorderte.

Das wurde für die Rangers zu einer äußerst peinlichen Angelegenheit. Sandy Jardine, Colin Stein und Tommy McLean scheiterten alle an Sportings Torwart Damas. Als Dave Smith als vierter Schütze antrat, führte Lissabon bereits 2:0, daher musste der Schotte unbedingt verwandeln. Sein Schuss traf den Pfosten, doch der Schiedsrichter ließ den Strafstoß wiederholen. Beim zweiten Versuch brachte Smith den Ball nicht einmal mehr in die Nähe des Tores und schlich entnervt vom Feld, während die Gastgeber jubelten. Dass die Rangers mit fünf Schüssen vom Elfmeterpunkt nicht ein einziges Tor erzielten, ist sicher ungewöhnlich. Die wahre Pointe des Geschehens ist aber, dass Glasgow in den nächsten Runden des Wettbewerbs den AC Turin und Bayern München ausschaltete, bevor der Klub sechs Monate nach dem Drama von Lissabon schließlich gegen Dynamo Moskau den Pokal holte! Wie konnte das passieren?

Nun, aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass Sporting 4:3 gewann, der Gesamtstand nach Hin- und Rückspiel aber mit 6:6 angegeben wurde. Daraus ergibt sich, dass die Rangers in ihrem Heimspiel mit 3:2 gesiegt hatten, was wiederum bedeutet, dass sie gar nicht ins Elfmeterschießen gemusst hätten, weil sie nach der Auswärtstoreregel die nächste Runde erreicht hatten. Leider war dies Herrn van Ravens entgangen. Zu seiner Verteidigung muss gesagt werden, dass die Auswärtstoreregelung in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren oft für Verwirrung sorgte, weil sie nicht einheitlich galt. Schon 1965 wurde sie etwa im Cup der Pokalsieger angewandt – im Meisterpokal aber erst zwei Jahre später. Und als man die Regel 1969 auf alle europäischen Wettbewerbe ausdehnte, legte die UEFA fest, dass Auswärtstore, die während der Verlängerung geschossen wurden, nicht doppelt gezählt werden sollten! Das sorgte noch in derselben Saison für Chaos: Im Halbfinale des Pokalsiegercups traf AS Rom auf Gornik Zabrze. In Italien trennten sich die Teams 1:1, und so hieß es auch nach 90 Minuten des Rückspiels in Polen. In der Verlängerung trafen beide Mannschaften je einmal, woraufhin die Römer den Einzug ins Finale feierten, denn beim 2:2 hatten sie ja nun zwei Auswärtstore geschossen. Erst in der Nacht erfuhr der Klub, dass der Treffer aus der Verlängerung nicht in die Rechnung einfließen konnte und man sich zu einem Entscheidungsspiel aufzumachen hatte.

Die Saison 1971/72 war dann die erste, in der auch Auswärtstore aus der Verlängerung bei Gleichstand doppelt zählten – und das war dem guten van Ravens kurzfristig entfallen. Selbst viele Rangers-Spieler waren sich nicht bewusst, dass das Elfmeterschießen völlig unnötig war. Colin Stein versuchte zwar, das seinen Kollegen zu erklären, aber Peter McCloy sagte später: „Ich dachte zwar, dass Stein Recht haben könnte, aber ich meinte auch, wir müssten da jetzt eben durch.“ Noch in derselben Nacht informierte der UEFA-Delegierte Andres Ramirez die beiden Klubs, dass van Ravens einen Fehler gemacht hatte und er dies der UEFA melden würde. Das Elfmeterschießen wurde annulliert, die Rangers standen im Viertelfinale.

Am 8. November 1975 spielte Werder Bremen daheim gegen Hannover 96. Die langweilige Partie endete torlos, und einer der Beteiligten schien schon früh geahnt zu haben, dass man getrost auf einen Teil der Spieldauer verzichten konnte: Nach ungefähr 30 Minuten pfiff Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder nämlich bereits zur Pause. Erst nachdem sein Linienrichter ihn überzeugt hatte, dass Halbzeiten üblicherweise eine Viertelstunde länger dauern, ließ sich der Referee dazu herab, noch bis zur 45. Minute weiterspielen zu lassen. (Einige Hannoveraner Spieler hatten sich schon zuvor gewundert, dass Ahlenfelder einem Fotografen die Zunge herausstreckte und dabei streng aus dem Mund roch. „Ein Bier und ein Malteser zum Mittagessen sind ja wohl noch erlaubt“, verteidigte sich der Schiedsrichter später.)

Ein Ahlenfelder’sches – also eigenwilliges – Zeitgefühl zeichnete auch den walisischen Unparteiischen Clive Thomas aus. Er leitete mal ein Jugendspiel nahe des Ortes Blaengwynfi. (Ja, den gibt es. Das Nachbardorf heißt Abergwynfi.) Jene Partie fand auf einem Platz statt, der auf einen Hügel gebaut war. Jedes Mal, wenn der Ball ins Aus ging, rollte das Spielgerät den Abhang hinab und musste erst mühsam gesucht werden. Thomas notierte sich penibel jede dieser Verzögerungen und ließ deshalb ausgiebig nachspielen – insgesamt fast 45 Minuten lang.

Einige Jahre später allerdings beendete Thomas eine Partie äußerst pünktlich, und zwar nach 90 Minuten und exakt 3 Sekunden. Das erste Problem war nun, dass der Ball nach einer Ecke noch durch die Luft flog, als Thomas abpfiff. Das zweite Problem war, dass das Leder prompt von einem Spieler ins Tor geköpft wurde, der sich dann natürlich sehr darüber aufregte, dass der Schiedsrichter den Treffer nicht anerkennen wollte. Das dritte – und größte – Problem bestand darin, dass es sich bei diesem Spiel nicht um einen Jugendkick handelte, sondern um die Partie Schweden gegen Brasilien bei der WM 1978. Zicos Kopfball hätte den Sieg für Brasilien bedeutet, aber weil Thomas so pingelig war, endete die Begegnung 1:1 – und Brasilien landete in der schwereren Zwischenrundengruppe mit Gastgeber Argentinien.

Ach, wird sich Zico später gedacht haben, hätte doch der Franzose Michel Vautrot dieses Spiel geleitet. Der ließ nämlich die erste Hälfte der Verlängerung im Halbfinale der WM 1990 zwischen Italien und Argentinien 23 Minuten laufen – weil er vergessen hatte, auf die Uhr zu sehen. Das kann passieren, wie Referee Leslie Mottram, ein Lehrer aus Wilsontown in Schottland, bestätigen wird. Der war mit der Leitung des Spiels Bolivien gegen Südkorea bei der WM 1994 betraut und von dem 0:0 so begeistert, dass er die Partie erst nach 104 Minuten abpfiff.

Etwas ramponiert war auch das Zeitgefühl des Portugiesen Gouveia, dessen kurzfristige Umnachtung 1960 für einen etwas ungewöhnlichen Protest des französischen Klubs OGC Nizza bei der UEFA sorgte. Im Viertelfinale des Europapokals traf Nizza nämlich auf Real Madrid, siegte daheim zwar mit 3:2, verlor aber das Rückspiel gegen das „Weiße Ballett“ 0:4. In der 44. Minute dieses zweiten Spiels stellte Gouveia einen Spieler Nizzas vom Feld, weil jener ihm vor Wut über einen Elfmeterpfiff in den Rücken gesprungen war. Der Aufprall muss einige Nervenenden bei Herrn Gouveia durcheinander gebracht haben, denn der Referee vergaß danach vorübergehend, seinen Zeitmesser zu konsultieren. Erst nach 54 Minuten beendete er die erste Halbzeit. Dass aber nun Nizza ein Wiederholungsspiel von der UEFA verlangte, war doch etwas übertrieben: Erstens wurde der Elfmeter vergeben und zweitens fiel in diesen überzähligen neun Minuten kein Tor für Real.

Ganz anders hätte die Sache ausgesehen, wenn Herr Gouveia das Spiel eher beendet und Nizza so die Möglichkeit zu ein paar Toren genommen hätte. Wenn er, sagen wir mal, in der 84. Minute beim Stand von 0:1 abgepfiffen hätte, als gerade ein Franzose aufs Tor zulief. Gibt’s nicht? Fragen Sie den brasilianischen Schiedsrichter Gilberto de Almeida Rêgo. Der tat nämlich genau das am 15. Juli 1930, bei der ersten Fußball-WM der Geschichte. Sechs Minuten vor Ende der Partie Argentinien gegen Frankreich strebte der französische Stürmer Marcel Langiller dem gegnerischen Tor zu, um das 1:1 zu erzielen – da pfiff Rêgo die Partie ab. Zwar sah der gute Mann nach ausführlichen Diskussionen mit den etwas ungehaltenen Beteiligten seinen Fehler später ein und setzte das Spiel fort – aber das half Langiller auch nichts mehr. Argentinien gewann 1:0 und stand zwei Wochen später im Finale.

Ohne solch ernste Auswirkungen blieb die Tatsache, dass Arthur Ellis ein Europacup-Spiel zwischen den Glasgow Rangers und – schon wieder! – OGC Nizza am 24. Oktober 1956 beim Stand von 2:1 nach 85 Minuten abpfiff. In der Kabine ging ihm sein Fehler auf, und er ließ die fehlenden fünf Minuten nachspielen. „Glücklicherweise änderte sich das Ergebnis nicht mehr“, sagte er später. Wie es zu jenem Faux-pas kam, das ist allerdings eine Geschichte, die Ellis etwas peinlich war: Nach 80 Minuten hatte der Ball das Handgelenk des Schiedsrichters getroffen und dabei seine Uhr zerstört. Anstatt sich nun um einen Ersatz zu bemühen, beschloss Ellis, seinem Zeitgefühl zu vertrauen. Und das kann offenbar nicht besonders gut gewesen sein.

Immerhin muss man wohl froh sein, dass die Unparteiischen nicht noch viel direkter ins Spiel eingreifen. Im Jahre 1968 schoss Ivan Robinson ein Tor in der Partie Barrow gegen Plymouth Argyle in Englands „Third Division“, als er mit dem Fuß einen Schuss unhaltbar abfälschte. Allerdings war das Robinson sehr peinlich, denn er war der Schiedsrichter des Spiels, das durch seinen unbeabsichtigten Treffer entschieden wurde. (Barrow landete am Ende der Saison zwei Punkte vor einem Abstiegsrang.) Ganz anders sah die Sache im September 2002 bei einem Amateur-Kick zwischen Wimpole und Earls Colne aus. Letztere führten schon 18:0, als Wimpole eine Ecke bekam. Ein Mann namens Brian Saville stahl sich nach vorne, stoppte den Ball mit der Hand und schoss ihn dann volley ins Netz. Dann zeigte er seelenruhig zur Mitte. Das durfte er tun, weil er nämlich der Schiedsrichter war. „Ich habe das Handspiel nicht gesehen und deshalb auf Tor entschieden“, sagte Saville anschließend mit feiner Ironie dem Radiosender „BBC Radio Five Live“. Der Mann hatte einfach Mitleid mit Wimpole gehabt, eine menschliche Regung, die einem Kollegen wie Clive Thomas wohl fremd ist.

Eintracht Braunschweig wurde 1967 Deutscher Meister, erzielte in 34 Spielen aber nur 49 Treffer, also 1,44 pro Partie. Was geizige, um nicht zu sagen langweilige Titelträger angeht, ist das aber kaum erwähnenswert. Valencia wurde in der angeblich so aufregenden, hochklassigen spanischen Liga 2002 Meister, indem das Team in 38 Spielen 51 Treffer schoss (1,34 pro Partie). Noch besser – oder schlechter – war natürlich eine italienische Elf: Der AC Mailand gewann 1994 den „Scudetto“ mit 36 Toren in 34 Spielen. Aber selbst das ist noch kein Rekord, weil die Milanesen immerhin so forsch nach vorne spielten, dass sie statistisch gesehen mehr als ein Tor pro Begegnung machten (nämlich 1,06).

Über einen solch unnötigen Offensivschwung kann man beim AIK Solna aus Stockholm nur müde lächeln. AIK schoss in der Saison 1998 (in Schweden spielt man von April bis November) 25 Tore in 26 Spielen und holte mit diesem Schnitt von 0,96 Treffern pro Begegnung die schwedische Meisterschaft. (Torschützenkönig der Liga wurde übrigens Helsingborgs Arild Stavrum mit 18 Toren.) Hier alle Ergebnisse dieses Wunderteams: 1:0 gewonnen, 1:1, 1:0 gewonnen, 1:1, 1:1, 1:1, 0:1 verloren, 0:2 verloren, 1:1, 1:1, 1:0 gewonnen, 1:0 gewonnen, 1:0 gewonnen, 1:1, 2:0 gewonnen (Schützenfest gegen Hammarby!), 0:0, 2:1 gewonnen, 1:1, 1:0 gewonnen, 0:0, 2:1 gewonnen, 1:1, 2:0 gewonnen (Schützenfest gegen Orebro!), 1:1, 0:0, 1:0. AIK qualifizierte sich dann sogar für die Champions League (mit vier Toren in vier Qualifikationsspielen), holte aber in seiner Gruppe nur einen Punkt. Gegen den AC Florenz. Durch ein 0:0.

Es wird immer mal wieder behauptet, im Fußball gäbe es keine Typen mehr. Dabei durften wir doch gerade erst die ereignisreiche Karriere von Thorsten Legat bestaunen, von dem ein Buch über Werder Bremen sagt: „Na ja, irgendwie hatte er schon Unterhaltungswert.“ Allerdings! Zur Saison 1991/92 wechselte Legat für 2 Millionen Mark vom VfL Bochum zu Werder. Wie sich aber auch später in Stuttgart zeigen sollte, konnte er das Ruhrgebiet nie so ganz hinter sich lassen. Als Bremen am 5. Juni 1993 Deutscher Meister wurde, durfte man Legat in einem Beitrag des „aktuellen sport-studio“ bewundern, wie er mit nacktem Oberkörper durch den Kabinengang lief, dabei wiederholt die Faust gegen eine Wand schmetterte und „Mit zwei Bochumern! Mit zwei Bochumern!“ schrie. Damit meinte er sich und Stefan Kohn, mit dem Legat zwei Jahre beim VfL gespielt hatte. (Kohn kommt aus Aalen bei Stuttgart.)

Jupp Heynckes holte Legat dann 1994 zu Eintracht Frankfurt, damit er auf Uwe Beins Position spielen sollte. Das war natürlich eine groteske Idee, denn für den filigranen Bein war der Hobby-Bodybuilder Legat nun wirklich kein Ersatz. (Auf die Frage, wie er zum Bodybuilding gekommen sei, antwortete er übrigens: „Immer die Castroper Straße rauf.“) In Frankfurt hat man für reine Arbeiter wenig übrig, deshalb musste Legat – wie eine Historie der Eintracht schreibt – „Hohn und Spott über sich ergehen lassen“. So sehr setzten ihm die eigenen Fans zu, dass er schließlich seinen neuen Trainer Karl-Heinz Körbel bat, ihn nur noch bei Auswärtsspielen aufzustellen. Als Körbel ihm dann zwei Wochen später doch wieder im Waldstadion eine Chance gab, zog sich der Spieler noch vor der Halbzeit eine Zerrung zu. Legat behauptete gar, Frankfurter Fans hätten ihn in seiner Tiefgarage überfallen. „Meine Frau und ich wurden von rot-schwarz bemalten Eintracht-Anhängern mit einer Schußwaffe bedroht“, sagte er und ging mit dieser Geschichte auch noch ins Fernsehen – zu RTLs „stern tv“.

Kaum war die Saison vorüber, floh Legat nach Stuttgart. Aber auch hier gab es Probleme. „Das fing schon mit der Sprache an“, erklärte er später und fügte hinzu, dass ihm die Gegend einfach viel zu idyllisch war – „die ganzen Weinberge und so“. Nein, die schwäbische Lebensart war Legats Sache nicht. Auf die Frage, ob er schon Spätzle probiert habe, sagte er: „Nein, noch nicht. Aber im Allgemeinen mag ich ja Geflügel.“ Kein Wunder also, dass Legat immer mal wieder Ausflüge in seine Wahlheimt Bochum unternahm. Wie zum Beispiel in der Silvesternacht 1996/97, in der er das neue Jahr damit begrüßte, dass er einen Nachbarn verprügelte. Zwar stritt Legat lange alles ab, doch das Amtsgericht verurteilte ihn zu einer Strafe von 90.000 DM.

Trotz aller kulturellen Unterschiede hielt es Legat noch drei weitere Jahre in Stuttgart aus – bis er im November 1999 eines Tages mal wieder im Kraftraum war. Da fiel sein Blick auf ein Poster seines Kollegen Pablo Thiam aus Guinea, das ihn aus einer Flasche trinkend zeigte. Ohne groß nachzudenken, kritzelte Legat das Wort „Negersaft“ über das Poster. Der Klub versuchte herauszufinden, um wen es sich bei dem Schmierfinken handelte, aber da Legat sich nicht zu erkennen gab, musste ein Graphologe herangezogen werden. Jeder Spieler schrieb das Wort „Negersaft“ auf einen Zettel – und bei Legats Schriftprobe fand der Experte drei Übereinstimmungen. Da erst entschuldigte sich Legat bei Thiam und erklärte, er habe nur „einen Spaß gemacht“. Der VfB entließ ihn trotzdem.

Nun kam Legat der Mann zu Hilfe, den er später als „größten Menschen überhaupt“ bezeichnen würde – Schalkes Manager Rudi Assauer. Im Januar 2000 holte er den leidgeprüften Spieler zurück ins Ruhrgebiet, und in gewohnter Umgebung kehrte auch Legats Lebensfreude zurück. Er unterbrach schon mal eine Ansprache von Trainer Huub Stevens, indem er lautes Hundegebell ausstieß, aber „man wird ja noch mal einen Spaß machen dürfen“. Den nächsten Spaß erlaubte sich Legat, als der FC Schalke das offizielle Mannschaftsfoto zur Saison 2000/2001 aufnahm. Zwischen Ünal Alpugan und Olaf Thon stehend, schaute Legat mit männlich ernstem Blick an der Kamera vorbei – hatte aber dafür seine Trikothose bis über den Bauchnabel hochgezogen. Der humorlose Klub reagierte mit einer Abmahnung.

Zu dieser Zeit hatte Legat bereits Probleme mit seinem linken Knie. Es folgten nicht weniger als elf Operationen, bis ihn die Berufsgenossenschaft im September 2001 zum Sportinvaliden erklärte. Im Sommer des nächsten Jahres unternahm Legat – noch keine 34 Jahre alt – seine ersten Schritte in Richtung einer Trainerlaufbahn und wurde Assistent von Dieter Eilts, dem Coach der Bremer A-Jugend. Zwei Monate später hatte er einen schweren Autounfall und musste auf der Intensivstation behandelt werden. Aber selbst dieses neue Missgeschick warf Legat nicht um. „Ich komme aus dem Pott, mein Vater war auf der Hütte“, hat er mal gesagt. „Wenn ich wieder fit bin, zeige ich allen, was Malochen heißt.“

Im Jahre 2000 feierte der ehemalige HSV-Profi John Jensen (47 Bundesligaspiele zwischen 1988 und 1990) einen großen Erfolg als Trainer in seinem Heimatland Dänemark: Mit dem kleinen Klub Herfølge BK gewann er die Meisterschaft, zwei Punkte vor Brøndby. Diese Sensation schrieben einige Leute noch dem guten Omen zu, dass Jensens Spitzname „Faxe“ lautete – nach dem dänischen Bier – und dass eben diese Brauerei die erste dänische Liga sponsorte, die demzufolge auch „Faxe Superliga“ hieß. Aber der Kater kam bald. Kaum ein Jahr später stieg Herfølge ab – als amtierender Meister wurde man Vorletzter in der Zwölfer-Liga, satte neun Punkte vom sicheren Ufer entfernt.

Dass Meister absteigen, geschieht auch in größeren Ligen als der dänischen, wenn auch sehr selten. In Deutschland erinnert man sich natürlich gleich an den 1. FC Nürnberg, der unter Max Merkel 1968 den Titel gewann, dann aber 1969 als Tabellensiebzehnter die Klasse nicht halten konnte. In England passierte das Manchester City: 1937 wurde der Rivale von United Meister, im nächsten Jahr schoss man die meisten Tore aller Teams – stieg aber dennoch ab!

Trotzdem scheint es so, als hätten vor allem skandinavische Teams ein Faible für dieses Kunststück. Lyn Oslo holte 1968 die norwegische Meisterschaft; da man aber in Norwegen nach dem Kalenderjahr spielt, trat hier der kuriose Fall ein, dass Oslo Absteiger war, als der Verein in den Europacup der Meister 1969/70 eingriff (und dort insgesamt 16 Tore gegen Leeds United kassierte). Skurriler als in Finnland geht es allerdings wohl kaum noch. Tampere Pallo-Veikot holte hier 1994 die finnische Meisterschaft und stieg im nächsten Jahr ab. Das war zugegebenermaßen etwas unglücklich, denn in dieser Saison wurde die finnische Liga verkleinert, deshalb musste auch der 12. noch eine Spielklasse tiefer – und das war eben der amtierende Meister. Während Tampere also den Gang in die Zweitklassigkeit antrat, gewann Haka Valkeakoski den Titel, was den Klub doppelt freute, da Valkeakoski praktisch eine Nachbarstadt von Tampere ist. In der nächsten Saison wurde Finnlands Liga nun noch einmal um zwei Teams verkleinert (von 12 auf 10) – und was passierte wohl mit dem Meister? Richtig: Haka Valkeakoski wurde Vorletzter und spielte plötzlich wieder mit Tampere in einer Liga. (Beide Klubs hätten übrigens theoretisch – wie Oslo 1969 – als Zweitligisten im Europapokal der Meister antreten können, weil man in Finnland ebenfalls nach dem Kalenderjahr spielt. Doch inzwischen hatte die UEFA eine Qualifikationsrunde eingeführt, in der die zwei Mannschaften jeweils scheiterten, weshalb sie letztlich nur im UEFA-Cup aktiv waren.)

Wie Österreich Weltmeister wurde

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