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Ort und Eigenart dieser Studien

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Bei allem Anspruch auf eine systematische Ergründung der Themen sind die folgenden Studien in erster Linie Essays. Die systematische Ordnung der Textsammlung, die gleichwohl besteht, hat sich schlicht sachgemäß durch das Verfolgen der Fragestellungen ergeben. Die Studien sind um gründliche Recherche bemüht, in systematischer Hinsicht aber nicht an Vollständigkeit oder geschlossener Darstellung orientiert. Ihr Weg ist nicht immer linear, dafür aber wohl wendig und anregend, denn Seitenblicke oder historische Nahperspektiven erschließen nicht selten mehr und anderes als der zielorientierte Blick in die Ferne oder nur geradeaus. Mir geht es um einen engagierten, wachen, sich wandelnden und im Habitus freien Umgang mit Steiners Werk, der tatsächlich am wissenschaftlichen Diskurs (wie immer er im Einzelnen aussieht) teilnehmen will, von ihm angeregt wird, aber auch mit der Hoffnung auf Rückfluss verbleibt.

Eine Vorableserin dieses Buches kommentierte, dass es sich doch wohl eher um Antipasti denn um ein solides Vollwertgericht handle. Damit muss ich wohl leben. Aber es gefällt mir. Antipasti sind vielfältig und sie regen an. Sie schließen auf für neue Aromen und Geschmacksnuancen und bieten gelegentlich eine Überraschung. Sie eröffnen den Appetit und schließen den Genuss nicht ab. Und sie wirken leicht. Das mag vielleicht helfen, auf der anderen Seite die Disziplin aufzubringen, es auszuhalten, wenn sich aufwerfende Fragen nicht beantwortet werden (können) und die Arbeit trotzdem weitergeht, vielleicht nur an anderer Stelle.

Der Weg dieser Studien weist in zwei Richtungen. Die eine wendet sich an die Kritiker und skeptisch Neugierigen, welchen ich vorschlage, die Maßstäbe ihrer Kritik oder Vorbehalte zu überdenken. Die andere an die engagierten Vertreterinnen und Vertreter der Anthroposophie, die sich die Gesichtspunkte und Grundlagen ihres Engagements auf dem Hintergrund aktueller akademischer Horizonte auffrischen mögen. Stehen auf der einen Seite Aufräumarbeiten im eigenen Haus an, werden auf der anderen Seite akademische Anschlussmöglichkeiten sichtbar gemacht. Beide Richtungen treffen sich in der Frage: Auf welcher Grundlage ist Kritik am Werk Steiners möglich, ohne dabei das dafür nötige Verständnis zu verschenken?

Die mittlerweile geläufige Unterscheidung zwischen einer Steiner scheinbar verklärenden »Binnenperspektive« und einer einzig zum unabhängigen Urteil fähigen »Außenperspektive« bleibt oberflächlich und unscharf. Vermag ein Blick auf die Binnenperspektive einzig eine lebenspraktische Nähe zum Werk Steiners zu bezeichnen, die im Zweifelsfall für den Angeklagten votiert, ist der Blick aus der Außenperspektive, der in der Kritik nichts zu verlieren hätte, nicht deshalb schon unabhängig und kompetent. Die eigentlich für das Verstehen des Werks Steiners relevante Unterscheidung ist nicht die soziologische zwischen »Innen« und »Außen«, zwischen Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit. Es ist vielmehr die Unterscheidung zwischen einer aktiven Nähe des Verstehen-Wollens und der selbstverantworteten Distanz eigenen Urteils, sogar wechselweise in einer Person. Für diese Unterscheidung, die immer eine dynamische ist und die Fähigkeit zum Standort- und Perspektivwechsel mit einschließt, nehme ich in diesem Buch einige Präzisierungen vor. Für die daran Interessierten ist dieses Buch gedacht.

Der Ausdruck »das Werk Rudolf Steiners«, den ich gerne verwende, schließt Missverständnisse, Irrtümer und Fehler im Werk und dessen Überlieferung mit ein. Gut ist, wenn wir uns darüber im Klaren sind. Der Ausdruck schließt ebenso »Kontingenz« mit ein. Damit meine ich zum Beispiel das Fragwürdige36 aber auch die bemessbare Verlässlichkeit der Ausgabe seiner Werke, die zum größten Teil gar keine Schriften sind, sondern frei gesprochenes ephemeres Wort in verschriftlichter Form, die Architektur sind und soziale Kunst und Handlungskonzepte bergen sowie Selbstformung fordern. Da wir Steiners Werk in erster Linie aber in Form von Texten rezipieren und es weitgehend diese Texte sind, die uns den Zugang ermöglichen, sehe ich die Gesamtausgabe seiner Schriften selbstverständlich als Teil von Steiners Werk an, bei aller denkbaren Ungenauigkeit. Im Einzelnen ist zu differenzieren. Wenn eine starke Deutung von einer Textstelle abhängt, ist es ratsam, sich über deren Überlieferung und Authentizität im Klaren zu werden, dichte Beschreibung zu aktivieren oder schlicht eine Interpretation investigativ zu riskieren. Ansonsten ist eine gewisse Unschärfe überlieferter Worte einkalkuliert. Natürlich ist die Gesamtausgabe seiner Schriften nicht Steiners Werk, sondern das Werk derjenigen, die sie zustande gebracht haben. Aber eben das umgreift Steiners Werk, das mehr ist, als das Werk einer Einzelperson. Im Übrigen verweise ich, was das Verhältnis der Ausdrücke »das Werk Rudolf Steiners« und »Anthroposophie« angeht, auf den »Epilog« des Kapitels »Das Performative als ursprüngliche Dimension der Anthroposophie«.

Der Erzähler Rudolf Steiner

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