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Dekonstruktion des Dogmas

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»Dringlich wird, für den Begriff, woran er nicht heranreicht, was sein Abstraktionsmechanismus ausscheidet, was nicht bereits Exemplar des Begriffs ist.«

»Ein wie immer fragwürdiges Vertrauen darauf, dass es der Philosophie doch möglich sei; dass der Begriff den Begriff, das Zurüstende und Abschneidende übersteigen und dadurch ans Begriffslose heranreichen könne, ist der Philosophie unabdingbar und damit etwas von der Naivität, an der sie krankt. Sonst muss sie kapitulieren und mit ihr aller Geist.«

Theodor W. Adorno37

Die Ausdrücke »Dogma« oder »dogmatisch« gehören zu den Reizwörtern in anthroposophischen Kreisen. Steiners Darstellungen, so der Konsens, seien keineswegs als »Dogmen« im Sinne unverrückbarer Meinungen oder Lehren zu verstehen. Und als »dogmatisch« eher verpönt gelten Ansichten oder Überzeugungen, die nicht aus eigenem Erleben oder eigener Erfahrung stammen, sondern unbeweglich und intolerant vertreten werden. Ist der Anspruch, undogmatisch zu sein, im Kern ein anthroposophischer, so begegnet gegenläufig dazu doch wiederkehrend der Vorwurf, es würde »gläubig« oder dogmatisch am Wort Steiners festgehalten.38 Schlägt eine antidogmatische Einstellung hier um in Dogmatismus? Wie dem konkret auch sei, es gilt: Antidogmatismus als Programm schützt vor dogmatischen Verfestigungen keineswegs. Aber: Worin liegt der Reiz antidogmatischer Einstellungen und warum sind sie immer in Gefahr zu scheitern?

Im Folgenden möchte ich – auf dem Hintergrund dieser prekären Situation – mit einigen Momentaufnahmen aus der Entstehungszeit der Steiner‘schen Theosophie zeigen, dass den jeweiligen »Dogmen« im Sinn von Lehrdarstellungen eine in sich widersprüchliche Funktion innewohnt: Sie sollen akzeptiert, aber auch wiederum nicht akzeptiert werden. Verbindet sich mit dieser ambivalenten Forderung gar ein systematischer Sinn und wenn ja, welcher? Im Anschluss an die Erörterung dieser Frage schlage ich drei hermeneutische Regeln vor, die Steiners vorliegendem Werk aus einem mittlerweile in Jahresringen fortschreitenden hundertjährigen Abstand und unter Einbeziehung einer historisch-kritischen Perspektive gerecht werden sollen. Ich beginne indessen, als Ausgangspunkt, mit einer Begriffsbestimmung in drei Schritten, die in ein Gravitationszentrum des Steiner’schen Denkens, Kant und den Deutschen Idealismus, hineinführen.

Der Erzähler Rudolf Steiner

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