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Erste Differenzierungen: begriffliche, symbolische und narrative Form

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Als Steiner nach 1900 seine Aufgaben als Kulturredakteur und philosophischer Schriftsteller mit der des Vortragsredners, Lehrers und Generalsekretärs der Theosophischen Gesellschaft tauscht, bedeutet das auch einen Wechsel in der Ausdrucksweise. War diese bislang vorwiegend begrifflich-kritisch gewesen, so ziehen mit den Lehrinhalten der angelsächsischen Theosophie zunehmend Ausdrücke und Themen in seine Darstellungen ein, die traditionell eher der Religion oder der Mythologie entstammen und einen vorwiegend bildlich-affirmativen Charakter haben. Im Unterschied zur begrifflichen Weitergabe »auf Augenhöhe« gelten letztere, wenn nicht als pure Traditionen, so doch als Offenbarungen oder Glaubensinhalte, die gewissermaßen »asymmetrisch« rezipiert, also auf Autorität hin geglaubt, nicht gedacht werden.39

Gleichwohl ist hier zu beachten, dass spezifisch theosophische Inhalte wie die Wesensgliederlehre, die Hierarchien- oder die planetarische Weltentwicklungslehre zwar symbolische oder theologische/esoterische Ausdrucksformen und Themen wie Engel oder (esoterisch verstandene) Planeten verwenden, aber ihrem Gehalt nach begrifflich gedacht werden sollen. Steiner hört nach 1900 nicht auf zu denken. Der theosophische löst den philosophischen Steiner nicht einfach ab, sondern beide durchdringen, überblenden sich. Steiner lässt seine philosophischen Ansprüche keinesfalls hinter sich, sondern weitet sie auf neue Inhalte aus, die mythischer oder religiöser Herkunft sind und oft mit symbolischer Ausdrucksweise einhergehen.

Des Weiteren muss im Feld der Steiner’schen Aussagen differenziert werden: Manche Passagen oder Gruppen seines theosophischen Werks sind vorwiegend begrifflich-symbolisch strukturiert wie seine Schrift »Geheimwissenschaft im Umriss« oder viele »Esoterische Stunden«.40 Andere wiederum sind in der Darstellung vorwiegend narrativ gehalten und setzen stärker auf die erzählten Inhalte, weniger auf begriffliche Dynamik und Kohärenz. Die Aufsatzfolge »Aus der Akasha-Chronik« (GA 11) aus der Zeitschrift »Luzifer-Gnosis« mit der signifikanten, weitgehend aus der Literatur referierenden Schilderung »atlantischer Flugzeuge« ist dafür ein prominentes Beispiel.41 An solchen Stellen ist das Symbolische oder Bildhafte der Form, wenn man so will, vorwiegend narrativ, kaum noch begrifflich. Es ist also auch kaum in sich begrifflich nachvollziehbar und in der Bewertung eher vom autoritativen Status des Erzählers abhängig als von der Frage: Habe ich Gründe, (einer Person, einem Text, einer Aussage, einer Institution) zu glauben, oder eher nicht?42

Der Erzähler Rudolf Steiner

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