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Urs in Bern

Urs Hüetli hatte sich inzwischen in die Lufthansa-Maschine nach Zürich begeben. Er wunderte sich, dass Lucy und Justus nicht mit an Bord kamen. Ihre Plätze waren gebucht, aber nicht belegt. Man hatte sie auch schon mehrfach ausgerufen. Hatten die beide etwas miteinander angefangen, im Hotel verschlafen und verpassten nun den Flieger? Er holte sein Smartphone heraus und rief beide nacheinander an. Jedes Mal:

The person you have called is temporarily not available.

Er sprach etwas enttäuscht auf die Mailbox. Als das Flugzeug dann auf die Startbahn rollte, war er ein wenig traurig, denn er hatte Lucy schätzen gelernt, vielleicht sogar ein wenig liebgewonnen. Justus, der Biologe und Genforscher war zwar ein Nerd, aber ein netter. Er hatte dieses brandgefährliche Gen entdeckt. Na, hoffentlich war diese Angelegenheit jetzt erledigt, denn sie hatten den Chip mit den Daten des Gen-bauplans gemeinsam in Botswana entsorgt.

Dann würde er sie vermutlich in diesem Leben nicht mehr wiedersehen, oder? Vielleicht liefen sie sich zufällig mal wieder über den Weg. Er dachte noch einmal über die letzten Tage nach.

Eigentlich sollte er eine Mitarbeiterin des südafrikanischen Geheimdienstes sicher nach Pretoria begleiten. Denn sie hätte den Chip mit den gespeicherten Informationen und dem Bauplan des 10x-Gens bekommen sollen, um ihn auf einer internationalen Konferenz vorzustellen. Aber irgendwer hatte Mist gebaut, hatte sie mit einer ziemlich ähnlich aussehenden Touristin verwechselt, und der falschen Frau den Chip aus Versehen in die Jacke appliziert. Das war Lucy gewesen. Sein Fehler war gewesen, dass er das nicht rechtzeitig erkannte und mit der falschen Frau, nämlich Lucy, aus dem Flieger sprang, weil eine Bombe an Bord war. Diese sollte wohl Chip und Transporterin vernichten. Es stellte sich dann aber heraus, dass die Bombe wegen eines Defekts nicht explodieren konnte. Später erwies es sich allerdings als gute Fügung, denn Lucy verhielt sich dermaßen clever, dass ihr niemand den Chip abluchsen konnte. Ihr gelang es dann auch mit Hilfe des Buschpiloten Greg, mehreren Mordanschlägen zu ent-gehen und den Chip sicher nach Südafrika zu bringen. Er selbst, Urs, war dann erst in Botswana wieder dazu gestoßen. Und es war gleich mit einem Bombenanschlag auf sie weiter gegangen. Aber es gab dann doch ein Happy End in Pretoria. Am letzten Abend hatten sie draußen unter Palmen noch gefeiert.

Nach der Landung in Zürich begab sich Urs Hüetli mit einem Leihwagen, den ihm sein Arbeitgeber, der Schweizer Nachrichtendienst, zur Verfügung gestellt hatte, nach Bern. Dort betrat er die Zentrale, musste eine Weile warten und wurde dann vorgelassen. Ihm war gesagt worden, dass er dort nicht mit dem obersten Chef des NDB (Nachrichtendienst des Bundes), sondern gleich mit der Chefin des VBS (Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport), Viola AmBerg, sprechen sollte.

Er hatte sie nur einmal gesehen, oder besser gehört. Sie war gefürchtet und hatte die Angewohnheit, jeden Satz mit einem harten Ä zu beenden. Die Mitarbeitenden trauten sich nicht darüber zu lachen. Aber hinter ihrem Rücken zählten sie die Ä und schlossen Wetten ab, wer jeden Tag auf die richtige Anzahl käme.

Er ging gleich fröhlich auf sie zu:

Frau Bundesrätin, schön Sie zu sehen.

Ob das für Sie schön wird, wollen wir mal abwarten, ä!

Sie machte nicht die geringsten Anstalten ihm die Hand zu geben. Ihr Gesichtsausdruck war hart und ließ kaum eine Regung erkennen. Bis sie ihn anfauchte:

Hüetli! Wo - ist - der - Chip?

Zwischen jedem Wort ließ sie eine Pause. Ja, der Chip – darauf war er jetzt nicht vorbereitet. Er dachte, er hätte genügend Zeit, einen Bericht zu schreiben, in dem er auch erklären wollte, warum er den Chip nicht hatte. Er hätte sich in einem positiven Licht dargestellt, wie er Lucy, d.h. Frau Bucher gerettet hatte und mit ihr auch den Chip, auf dem die Informationen über das 10x-Gen waren. Dieses Gen war imstande, wenn man es in Pflanzen implementierte, diese 10mal schneller wachsen zu lassen. Alle möglichen Leute, vor allem Geheimdienste, Drogen-Mafia, Agrarkonzerne, Futtermittel- industrie, sogar Religionsgemeinschaften waren hinter diesem Gen her. Eigentlich war es nur zur Rettung der tropischen Regenwälder von deutschen Wissenschaftlern unter der Federführung von Justus Michelsen in Berlin entwickelt worden. Der Justus, der sich wahrscheinlich jetzt in Südafrika mit Lucy im Bett wälzte, und er, Urs, konnte die Sache hier ausbaden!

Was wollte die Schweiz damit? Sie hatte doch keinen Regenwald und keine Drogenplantagen. Ok, ihre Gletscher schmolzen, die vielen Matten (Wiesen) vertrockneten und die Milchwirtschaft litt jetzt schon unter dem Klimawandel. Keine Milch – keine Schokolade, kein Schnee – weniger Tourismus. Das kam in letzter Zeit immer häufiger vor. Denn durch fehlendes Eis und weniger Schnee wurden die Wander- und Kletterwege immer mehr von Steinschlag betroffen und mussten gesperrt werden. Ja, er hatte gelesen, ganze Berge könnten ins Rutschen kommen, wenn sie ihre Permafrostfestigkeit verlieren würden…

Während er noch darüber nachsann und nach einer Antwort suchte, hakte die Bundesrätin ungehalten nach:

Sie wissen doch, wovon ich spreche, ä? Sie hatten den Chip bereits in ihrem Besitz, wie wir von Frau Bucher erfahren haben. Wieso haben sie den nicht für die Eidgenossenschaft sichergestellt, ä?

Der Chip war mit einem Tracker versehen! rief er. Langsam gewann er seine Selbstkontrolle zurück. Er hätte uns beinahe das Leben gekostet! Ich hatte von Ihnen den Auftrag, die Transporterin des Chips zu schützen. Ich musste eine Entscheidung treffen, Leben oder Chip, oder? Was meinen Sie?

Werden Sie nicht frech, Herr Hüetli! Sie überlegte. Ich treffe jetzt auch eine Entscheidung, nämlich, was weiterhin mit Ihnen geschieht, ä. Die Bundesrätin begann auf- und abzugehen. Nach einer Weile sagte sie etwas milder: Immerhin haben Sie das Ansehen des Schweizer Nachrichtendienstes in der Welt nicht beschädigt. Im Gegenteil, es wurde überall in der Presse von ihrem heldenhaften Einsatz bei der Rettung von Frau Bucher in Südafrika berichtet.

Vor laufenden Kameras hatten Greg und er Lucy gerade noch vor einem terroristischen Mordanschlag retten können, als sie dabei war, einen flammenden Vortrag auf einer Klima-konferenz zu halten.

Nun, wir vermuten, oder besser gesagt, wir hoffen, dass der Chip nicht in die falschen Hände geraten ist. Wie Sie vielleicht wissen, ist der Entdecker des Gens, Justus Michelsen, zusammen mit Frau Bucher nach China entführt worden, ä.

Was? Das wusste ich nicht! rief Urs. Wann? Wie? Wo?

Genau das sollen Sie herausfinden! Sie sah ihn scharf an. Sie sind ab sofort dem MND (Militärischer Nachrichtendienst) unterstellt. Sie waren doch Offizier beim Gebirgsarmeekorps, ä? Sie nehmen an einer geheimen Kommandooperation an der chinesischen Grenze teil. Sie schaute ihn durchdringend an. Wir sehen chinesische Aktivitäten in der Schweiz zunehmend kritisch. China versucht, nicht nur Schweizer Firmen zu kaufen, sie stehlen schon seit Jahren Betriebsgeheimnisse und Patente unserer großen Chemiekonzerne. Wir müssen uns wappnen! Da kommen jetzt Sie und schalten sich ein.

Sie sorgen erst einmal dafür, dass Herr Michelsen möglichst schnell und lebend zurück nach Deutschland kommt, ehe er dort alles ausplaudert. Zwischenstopp in Zürich. Hier zuerst Befragung durch uns. Versauen Sie’s diesmal nicht, ä!

Und Lucy? Äh, Frau Bucher?

Falls es sich ergibt, können Sie sie auch mitbringen. Aber das wäre nur Kosmetik, ä. Der Chip und Herr Michelsen sind für die Schweiz von großem nationalem Interesse!

Eine Frage brannte Urs noch unter den Nägeln:

Hat unser Geheimdienst schon Erkenntnisse, wer der Atten-täter in Pretoria war, der auf Frau Bucher geschossen hat?

Die Bundesrätin zögerte:

Unsere Kolleginnen und Kollegen sind sich wohl einig, dass es ein Auftragskiller war. Aber er äußert sich mit keinem Wort. Es gibt den leisen Verdacht, dass es sich um Illuminati, Assassinen** oder Angehörige einer Sekte handeln könnte.

Sie blickte auf ihren Monitor auf dem Schreibtisch und Urs merkte, dass sie schon in Gedanken woanders war, als sie sagte:

Worauf warten Sie noch, Herr Hüetli? Ab zur Leitstelle des MND, dort bekommen Sie ein eigenes Büro und erfahren alles Weitere, ä!

Urs hatte die Ä nicht mitgezählt. Vor lauter Sorge um Lucy. Mit Justus in China? Entführt? In Gefahr?

Lucy in the Sky und die Roten Drachen

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