Читать книгу Einführung in die Medienlinguistik - Ulrich Schmitz - Страница 25

5.5 Multimodale Einbettung sprachlicher Formen

Оглавление

In welcher Weise und wie stark die sprachliche Form von ihrer bi- oder multimodalen Einbettung mitgeprägt wird, hängt nicht nur von der in Kap. 5.4 betrachteten allgemeinen Modusmischung ab, sondern auch von fünf weiteren Faktoren, nämlich (1) Modusausprägung, (2) Modusübergang und -gewicht, (3) intermodales Beziehungsgeflecht, (4) Kommunikationsform und (5) Textsorte.

Modusausprägung

(1) Modusausprägung: Statische Bildlichkeit ist besonders wenig ausgeprägt auf nicht ikonischen Verkehrsschildern (etwa dem Stop-Schild), stärker hingegen auf ikonischen Verkehrszeichen (z.B. für Wildwechsel), noch stärker bei idealisierender Porträtmalerei und sehr stark auf unbearbeiteten Dokumentarfotos. Dementsprechend können unkommentierte Dokumentarvideos als Musterbeispiele dynamischer Bildlichkeit gelten. Am anderen Ende dieser Skala mit vielen Zwischenstufen steht beispielsweise einfache animierte Bannerwerbung im Internet. Prototypisch für den Audio-Modus schließlich ist komponierte Musik (monomodal, also ohne Gesang), weniger prototypisch sind konventionalisierte Tonfolgen (z.B. Klingeltöne am Telefon), noch weniger beiläufige Geräusche. In all diesen Fällen übernimmt Sprache entweder gar keine oder aber höchst unterschiedliche Aufgaben in entsprechend unterschiedlichen Formen.

Modusgewicht

(2) Modusübergang und -gewicht: Wie prototypisch sind die jeweiligen Modi in der Gesamtbotschaft vertreten bzw. wie stark verwandeln sie sich den anderen Modi an? Durch intensive typographische und visuelle Gestaltung können schriftliche Texte beispielsweise in konkreter Poesie, Textbildern oder in Logos Bildqualitäten annehmen; ein dynamisch gezeigter Ablauf kann im Film durch Zeitlupe bis zum Standbild verlangsamt werden; ein schriftlich vorbereiteter Text kann mündlich vorgetragen werden – und jeweils auch umgekehrt. Derartige Übergänge zwischen den Modi werden umso stärker genutzt und zu neuen semiotischen Formen ausgebaut, je intensiver Multimodalität zur schnellen Übermittlung komplexer Informationen eingesetzt wird, beispielsweise in Infografiken, Icons für Software und Smartphone-Apps sowie in Computerspielen. Die sprachlichen Formen passen sich den jeweiligen semiotischen Umständen an. So verlieren in den zuletzt genannten Beispielen syntaktische Strukturen und grammatische Markierungen an Bedeutung: Die integrierten Texte sind kurz und flexionsarm.

intermodal

(3) Intermodales Beziehungsgeflecht: Von Fall zu Fall kann auch die Art der Beziehungen zwischen den einzelnen Modi die sprachlichen Formen beeinflussen. (a) In syntaktischer Hinsicht geht es darum, mit welchen Mitteln die Modi innerhalb eines multimodalen Textes aufeinander verweisen. Für Verknüpfungen von schriftlichem Text und statischem Bild hat Wetzchewald (2012) eine vollständige Klassifikation solcher Junktoren erarbeitet. (b) Unter semantischem Blickwinkel fragt man danach, in welcher inhaltlichen Beziehung die verschiedenen Modi zur Gesamtbotschaft beitragen. Nöth (2000: 492–494) nennt für Text-Bild-Beziehungen fünf solcher Typen, nämlich Redundanz, Dominanz, Komplementarität, Diskrepanz und Kontradiktion. Daran kann man sich auch bei anderen intermodalen Verhältnissen orientieren. (c) Semantisch-pragmatisch außerdem relevant sind Einschränkungen, Erweiterungen oder Stabilisierungen von Bedeutungen eines Modus durch einen anderen. Beispielsweise werden Bilder durch Bildunterschriften monosemiert (eindeutig gemacht; z.B. bei Pressefotos) oder polysemiert (vieldeutig gemacht; z.B. bei manchen Gemäldetiteln), Diagramme durch Legenden erst verständlich, riskante Bildmetaphern (z.B. in der Werbung) durch begleitende Paratexte stabilisiert. Im tatsächlichen Gebrauch werden solche Text-Bild-Gefüge ihrerseits oft in erläuternde schriftliche Texte und/oder mündliche Ausführungen eingebettet. (d) In dominant pragmatischer Perspektive schließlich achtet man auf die synästhetische Rezeption und Wirkung multimodaler Texte: Wie wird das Zusammenspiel beispielsweise von gesungenem Wortlaut, Melodie, Gesichtsausdruck und Hintergrund in einer Fernseh-Show wahrgenommen? Abgesehen von Untersuchungen auf der Grundlage von Blickaufzeichnungen (Bucher/Schumacher (Hg.) 2012) steht die Forschung hier erst ganz am Anfang.

Kommunikationsform und Textsorte

(4 & 5) Kommunikationsform und Textsorte: Vor allem aber unterwerfen sich die Kommunikationspartner bei der Einrichtung ihrer sprachlichen Formen den Bedingungen der gewählten Kommunikationsform und den in der Regel ja durchaus funktionalen Gepflogenheiten der betreffenden Textsorte. Eine Warenbestellung im Internet arbeitet notwendigerweise mit ganz anderen sprachlichen Mitteln als ein Kondolenzbrief per Post oder ein Spielfilm im Fernsehen. Oberflächlich betrachtet scheint das trivial, weil jeder medienerfahrene Mensch in solchen Gewohnheiten lebt. Wissenschaftlich systematisch beschrieben ist vieles davon aber erst in Ansätzen.

Auf die wechselseitige Passung von Kommunikationsform und Textsorte geht Kap. 7.3 ein. Die jeweils spezifische Art und Weise, wie das Zusammenspiel verschiedener Modi die sprachlichen Formen beeinflusst, wird in den folgenden Kapiteln 6 bis 12 behandelt.

Einführung in die Medienlinguistik

Подняться наверх