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1. Entrée 1.1 Medienlinguistik – Was ist das?
Оглавление„Medienlinguistik“?
Medienlinguistik untersucht, wie Sprache in Medien verwendet wird. Das klingt einfach, wirft aber Fragen auf. Zum Beispiel: Warum gibt es keine Buchlinguistik? Was sind Medien? Gibt es überhaupt Sprache außerhalb von Medien? Wo, wann, wie? Und wenn nicht: Wäre Medienlinguistik dann nur ein schicker Name für die gute alte Sprachwissenschaft insgesamt? Immerhin gibt es dieses Wort erst seit der Jahrtausendwende. Die erste Google-Fundstelle datiert auf Juni 2000. Mitte August 2014 findet <google.de> schlappe 18.000 Treffer. In Wörterbüchern kommt es nicht vor. Es gibt keinen Eintrag bei <duden.de>, auch nicht im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache <dwds.de>. Die lediglich 27 Treffer in den riesigen Textdatenbanken beim Institut für deutsche Sprache in Mannheim <www.ids-mannheim.de/cosmas2> stammen ausschließlich aus Wikipedia 2011.
Dabei ist Medienlinguistik ein schlankes Medienwort. Es hört sich griffig und plausibel an und hat deshalb gute Chancen, durch allgegenwärtige Medien rasch verbreitet zu werden. Erst wenn man darüber nachdenkt, können Zweifel an seinem Sinn aufkommen. Prüfen wir einmal genauer: Was soll es eigentlich bezeichnen?
Medien
Linguistik ist ein modern klingender Name für Sprachwissenschaft. Dann dürfte Medienlinguistik wohl die Wissenschaft von Sprache in Medien sein. Doch halt: Was ist ein Medium? Da fallen einem zuerst Presse, Rundfunk, Fernsehen und sicher auch das World Wide Web ein. Dann vielleicht noch Telefon, SMS, Smartphone, Fax und so fort. Und so fort? E-Mails? Also auch Briefe? Na ja, und wenn schon Presse, dann gehören sicher auch Bücher dazu. Wie sieht’s mit Plakaten aus? Graffiti? Verkehrsschildern? Puh! Sind jetzt die Produkte (Zeitung, Buch) gemeint oder die Geräte (Fernsehgerät, Smartphone)? Und wenn Produkte: Dann vermutlich auch mein Facebook-Eintrag von gestern Abend, und dann ja wohl auch der Einkaufszettel von heute Morgen. Wenn aber die Geräte: Dann müssten auch Bleistifte und Radiergummis dazugehören, nicht wahr? Oder sollte man mit Medien eher Institutionen bezeichnen, die in großem Stil Informationen sammeln, produzieren und verbreiten, z.B. Verlagshäuser, Rundfunksender, Google? Also dann auch Parteien, Werbeagenturen und die katholische Kirche?
In der Soziologie werden Medien gern als „soziotechnisches Ensemble von Artefakten, Handlungen und Formen der sozialen Organisation“ gefasst (so etwa Schmidt 2006: 31). Für Medienlinguistik würde das bedeuten, dass sämtliche sprachlichen Äußerungen, die sich in irgendeiner Weise auf Medien beziehen, mit ihnen verbunden sind oder medial übertragen werden, zu ihrem Untersuchungsfeld gehörten. Für die klassische Linguistik bliebe kaum ein Rest, medienlinguistische Perspektiven würden sich andere linguistische Interessen imperialistisch einverleiben, und ein medienlinguistisches Kerngebiet verlöre seine speziellen Fragestellungen und Konturen.
„Irgendwas mit Medien“ – das sagen unschlüssige Abiturienten und Studierende gern, wenn sie nach ihrem Berufswunsch gefragt werden. Ungenaue Begriffe mögen im Alltag manchmal nützlich sein. In der Wissenschaft taugen sie nicht. Wir brauchen eine Definition, müssen also sauber eingrenzen. Für den Zweck dieses Buches verstehen wir unter Medien technische Hilfsmittel der Kommunikation. Das schafft Klarheit gegenüber anderen Begriffen und auch gegenüber anderen Verwendungsweisen des Wortes Medium. Denn wie jedes Wort eröffnet auch dieses einen weiten Assoziationsraum. (Zu Vieldeutigkeit und Abgrenzung des Medienbegriffs vgl. Habscheid 2000 und Dürscheid 2005: 1–5, zu seiner Geschichte Hoffmann 2002.) Manchmal wird sogar Sprache selbst als ein Medium aufgefasst (so z.B. in der breit angelegten Habilitationsschrift von Schneider 2008, mit Diskussion ebd. 243–247). Doch lässt eine präzise Unterscheidung zwischen beiden Begriffen deren Beziehungen untereinander klarer erkennen: Sprache als langue ist das System der konventionellen Regeln, denen wir beim Sprechen oder Schreiben folgen, nämlich Wortschatz und Grammatik. Medium nennen wir ein zur Kommunikation verwendetes Gerät, z.B. ein Smartphone.
Medienlinguistik ist die Wissenschaft, die Sprachgebrauch in Medien untersucht.